Straßentheaterfestival Ludwigshafen

Die Welle reiten

Sie sitzen auf dem Boden und stretchen sich. Denn der Boden ist der beste Freund des Tänzers. Man verbindet sich mit ihm und schafft dann daraus die ganz große Illusion. Das ist einer der Leitsätze des Tanzkollektivs Re:Soulution. Dazu gehören Jonas Frey, Andre Lasseur, Andrea Böge, Joseph Simon, Saraï Patisson und Jillian Rose. Beim Straßentheaterfestival in Ludwigshafen werden die sechs mit ihrer Choreografie „The Vibes“ ihren ersten offiziellen gemeinsamen Auftritt haben. „Ich stelle es mir so vor: Wir sind wie Surfer im Meer und reiten alle zusammen die eine große Welle“, erklärt Frey, der in den Niederlanden Tanz studiert hat. In der Tanzszene der Region hat er einen festen Namen, unter anderem war er an Produktionen im Mannheimer Nationaltheater und im EinTanzHaus beteiligt. Gemeinsam mit Andre Lasseur, seinem besten Freund, entwickelt er die Choreografie der Auftragsproduktion für das Straßentheaterfestival, die in der Ludwigshafener Innenstadt Premiere feiern wird.
  • Das Tanzkollektiv Re:Soulution wird beim Internationalen Straßentheaterfestival in Ludwigshafen klassischen Tanz mit Breakdance verbinden. Andre Lasseur ist der Autodidakt in der Gruppe.
  • Saraï Patisson studiert an der Dance Professional Mannheim.
  • Die Choreografin Andrea Böge ist Dozentin an der Hochschule und wird ebenfalls bei "The Vibes" dabei sein.
  • Jonas Frey hat in den Niederlanden Tanz studiert, er ist für die Choreografie zuständig.
Gerade laufen die Proben so richtig an. Trainiert wird im Mannheimer Jugendkulturzentrum FORUM oder eben direkt auf öffentlichen Plätzen. „Jonas und ich sind leidenschaftliche B-Boys und tanzen schon ewig zusammen. Im Gegensatz zu den anderen habe ich aber keine klassische Ausbildung“, erzählt Lasseur. Und auch sonst sind alle in der Truppe irgendwie miteinander verbandelt. Die drei Tänzerinnen etwa kennen sich aus der Dance Professional Mannheim, Kooperationspartnerin der Produktion. „Das Netzwerk ist alles. So funktioniert unsere Arbeit“, berichtet Lasseur, der beruflich als Veranstaltungstechniker unterwegs und in seiner Freizeit noch Teil des Hip-Hop-Künstlernetzwerks „True Rokin Soul“ ist. „Jeder von uns hat auch noch andere Projekte und kennt darüber wieder viele Leute, die etwas Tolles können. Die Musik bekommen wir beispielsweise von unserem Freund Thomas
‚The Plastic Man‘ Donohoe, einem MC aus New Jersey, der in Heidelberg wohnt.“

Stammestanz in Ludwigshafen
Hip-Hop ist der kleinste gemeinsame Nenner der Gruppe, in Ludwigshafen werden aber auch andere Tanzstile zum Einsatz kommen. „Man könnte es mit Urban Dance überschreiben“, meint Lasseur. „Die Choreografie gibt uns einen Rahmen und den füllen wir als individuelle Tänzerpersönlichkeiten“, ergänzt Frey. Es soll etwas sein, was überall funktioniert, aber dennoch auch die speziellen Ludwigshafener Vibes einfängt: „Wir treten mitten in der Stadt auf, da werden wir auch diesen besonderen industriellen Charakter spürbar machen“, verspricht Lasseur. Momentan sprudeln die Ideen. Über allem schwebt der Traum von der großen (Energie-)Welle. „Beim Tanzen geht es immer um Energie“, ist Jonas Frey überzeugt. „Die müssen wir oben halten. Nicht nur wir sollen sie spüren, sondern auch unser Publikum. Ich verstehe es auch als gemeinsamen Stammestanz.“
Auch Bernhard Bub, künstlerischer Leiter des antagon-Theaters, sieht Tanz als etwas ganz Ursprüngliches: „Mit dem ersten Schnaufer wollen die Menschen Emotion ausdrücken, in vielen Kulturen ist der Tanz ein ganz elementarer Gegenstand“, erklärt er. „Tanz und Theater gehören deshalb auf die Straße.“ Das Stück, mit dem das Frankfurter Ensemble das Straßentheaterfestival 2018 auf dem Ludwigshafener Rathausplatz eröffnen wird, hat aber seinen Ausgangpunkt erst einmal in der großen Entfremdung.

Bürotristesse und Ausbruchsfantasien
Die Darsteller tanzen ganz wörtlich auf den Tischen. Aber nicht ausgelassen, da es sich um Schreibtische handelt, um Arbeitsplätze. Mit größter Anspannung legen sich Männer und Frauen in strengen Anzügen darauf ab und fangen an, im Marschtakt zu zucken. „In unserem Stück ‚Package‘ geht es um den Büroalltag als Raum voller Konformität, in dem ein fast militärischer Rhythmus herrscht, alles durchgetaktet ist. Aber dennoch sind es Menschen, die da arbeiten. Diesen Zwiespalt fassen wir in Bilder“, erklärt Bub. Das Tanztheaterstück des japanischen Choreografen Shusaku Takeuchi ist ein Klassiker des Genres, das er mit der niederländischen Kompagnie „Shusaku Dormu Dance Theater“ entwickelte. Es war die erste westliche Tanztheater-Produktion, die 2001 offiziell auf dem Roten Platz in Moskau gezeigt wurde. Schon seit dem 25-jährigen Jubiläum im Jahr 2015 gehört es fest zum Repertoire des freien Tanz- und Performance-Theaters antagon theaterAKTion. „Shusaku Takeuchi und ich haben damals eine eigene Version entwickelt, die unsere antagon-Qualitäten miteinbezieht“, berichtet Bernhard Bub. Neben Contemporary Dance gibt es akrobatische Szenen wie einen Stelzenläufer und Elemente, die an die Extremsportart „Parkour“ angelehnt sind.

„Das Stück fängt da an, wo die Realität der Menschen ist, und von dort aus schaffen wir Durchlässe“, sagt Bub, der selbst als Perkussionist in der Liveband mitspielt. „Package“ zeigt collagenartig die Strenge und Eintönigkeit des Bürolebens und die Ausbruchsfantasien der Büroarbeitenden. „Unsere Stücke beziehen sich immer auf die Zeit, in der wir leben“, betont Bub. „‚Package‘ wurde zwar von einem Japaner choreografiert, aber passt hervorragend hierher. Die Deutschen sind ja traditionell auch so ein rechtwinkliges Administrationsvolk.“ Dieser Strenge setzen die Tänzer und Musiker von antagon kräftig Action entgegen, Sambarhythmen, Special Effects, Projektionen — und natürlich jede Menge Energie. ‹

Noch mehr Theater …

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die Spieler begründen den Charme dieses einzigartigen Walk Acts.

Das ganze Programm und alle Termine gibt’s unter
www.kulturbuero-lu.de
Bildnachweis:
Stefan Chytrek/Bearbeitung Raum Mannheim (Package); Barbara Walzer (Package, Selfiemotiv); Günter Krämmer (Frey); privat (Lasseur);Ömotions (Patisson); Böge (privat)

Internationales Straßentheater­festival Ludwigshafen

Das Straßentheaterfestival präsentiert jeden Sommer spektakuläres Open-Air-Theater aus ganz Europa und teilweise aus Übersee. An zwei Tagen und drei Abenden können die Zuschauer an verschiedenen Orten in der Ludwigshafener City hautnah die Vielfalt des Theaters unter freiem Himmel erleben. Das Spektrum reicht vom fantasievollen Walk-Act über Musik-, Tanz- und Figurentheater bis hin zur aufwendigen Platzinszenierung.
TerminDO 26. bis SO 29. Juli 2018
AdresseStadt Ludwigshafen – Kulturbüro // Bahnhofstraße 30 // 67059 Ludwigshafen // Telefon: 0621 504-2263 // E-Mail: kulturbuero@ludwigshafen.de
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