Haus am Wehrsteg

Ein Haus, das verbindet

Wie eine Insel taucht es am Ende des Wegs auf. Roter Ziegelstein, der in der Sonne leuchtet, umgeben von viel Grün. Nebenan fließt der Neckar, über den sich der Wehrsteg zieht. Ein Fußweg sowie der Neckartal-Radweg führen Ausflügler*innen hier vorbei. Das Haus am Wehrsteg ist ein einladendes Haus. Die Ausstellungen kosten keinen Eintritt, die Tür steht weit offen. Matthis Bacht, Künstler und Kunsterzieher, Gärtner und Pächter des Hauses, sitzt auf einer Bank, nickt den Besucher*innen zu und weist den Weg. Es soll ein Haus für alle sein: für Künstler*innen und Kulturliebhaber*innen. Für Menschen, die das Haus gezielt ansteuern, und für die, die zufällig vorbeikommen. Auch die Kunst, die hier zu sehen ist, folgt keiner Hierarchie. Renommierte Künstler*innen stellen ebenso aus wie Schulklassen.

Seit 2013 ist Matthis Bacht Pächter des Hauses am Wehrsteg in Heidelberg und hat es seitdem in einen Ort für Begegnungen verwandelt, mit Atelier, Ausstellungsbetrieb, Gastkünstler*innen und Jugendarbeit. Jeden Sommer kuratiert und organisiert er hier wechselnde Ausstellungen und Projekte. Neben ortsgebundenen Arbeiten spielt auch das Werk der Künstlerin Eva Vargas eine große Rolle, die hier von 1972 bis zu ihrem Tod 2010 lebte. Es wird in sogenannten Kapiteln wiederaufgenommen und stetig aktualisiert.

Die Geschichte des Hauses reicht noch weiter zurück. Geplant hat das Ziegelsteingebäude der renommierte Architekt Paul Bonatz, der auch den Stuttgarter Hauptbahnhof entwarf. In den 1920er-Jahren als Trafogebäude errichtet, wohnte später ein Wehrwärter darin, bis es Vargas bezog und in ihr Atelier verwandelte. Die Künstlerin arbeitete mit Musik und Text, Malerei und Aktion, mit Weggeworfenem und Angeschwemmtem. Die Stadt duldete Vargas „bis zum Zeitpunkt des Abrisses“, wie es im Pachtvertrag heißt. 38 Jahre lebte und arbeitete Vargas in dem kleinen Haus. Nach ihrem Tod stand es zunächst leer. Anfang 2013 suchte die Stadt dann einen Pächter oder eine Pächterin. Es sollte jemand sein, der oder die das Haus als Ort für Kunst begreift und die Erinnerung an Vargas lebendig hält. Matthis Bacht hatte Bildhauerei und Kunsterziehung an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und eine Zeitlang in Aachen gelebt — nun kehrte er in seine Heimatstadt zurück und bewarb sich um die Pacht.

Im Juni 2013 stand er dann zum ersten Mal als neuer Pächter vor dem Haus — und vor jeder Menge Arbeit. Was ist Kunst, was Gebrauchsgegenstand, was kann weg, was nicht? Was wächst im Garten? Wohin mit dem Siebenschläfer, der sich oben eingenistet hat? „Es hat erstmal ein halbes Jahr gedauert, mir einen Überblick zu verschaffen.“ Ein Jahr baute er um, öffnete das Haus innen und nach außen. Und er zähmte den Garten. Manchmal, erzählt Bacht, findet er bei Gartenarbeiten immer noch Überbleibsel der Werke von Eva Vargas, Teile von Puppen. „Als würde ich an einer archäologischen Fundstelle arbeiten.“

Um die Geschichte des Hauses dreht sich auch die aktuelle Ausstellung, die bis Mitte Juli zu sehen ist. In ihr wird die Geschichte und Ausrichtung des Hauses verhandelt — mit Neuproduktionen und alten Bekannten, Archivmaterial, Video-Installation, Zeichnung, Druck, Malerei und Fotografie — auch eine neues Kapitel zu Eva Vargas ist Teil der Ausstellung. Mit dabei sind ein gutes Dutzend Kunstschaffender, darunter Markus Kaesler, Cholud Kassem und Agnes Lux. „Für mich ist das Haus eine Lebensaufgabe“, sagt Bacht und meint damit beides: das Haus mit Kunst und Leben zu füllen — und seine Vergangenheit zu ergründen.

Haus am Wehrsteg
Ende der Neckarwiese am Wehrsteg, Heidelberg
www.hausamwehrsteg.info

Aktuelle Ausstellung: „Haus des Geistes oder Geisterhaus?“ bis 16.07.2023

Tipp! Ein ausführliches Porträt des Hauses am Wehrsteg finden Sie auf www.wosonst.eu, dem Reise- und Heimatmagazin Rhein-Neckar.

Haus am Wehrsteg

Das Haus am Wehrsteg ist ganz der zeitgenössischen Kunst und interdisziplinärer Arbeit gewidmet. Unter der Leitung eines Künstlers oder einer Künstlerin ist es schon seit Beginn der 1970er-Jahre ein echtes Künstlerhaus, heute mit Atelier, Ausstellungsbetrieb, Gastkünstler*innen-Programm und Jugendarbeit. Ortsgebundene Arbeit spielt bei Gastkünstler*innenaufenthalten eine übergeordnete Rolle. Das Werk der ehemaligen künstlerischen Bewohnerin Eva Vargas wird in sogenannten Kapiteln wieder aufgenommen und stetig aktualisiert.
AdresseHaus am Wehrsteg // verlängerte Uferstraße/Ende der Neckarwiese am Wehrsteg // 69120 Heidelberg // Ansprechpartner: Matthis Bacht // E-Mail: bacht(at)hausamwehrsteg.de
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