> Frau Dr. Lorenz, wie lässt sich Schweglers Werk in der Kunstgeschichte verorten?Schwegler selbst hat sein Tun nur zögernd Kunst genannt. Er war mit dem Kunstbegriff sehr vorsichtig und hat sich eher als jemand verstanden, der seine Einfälle an ein Publikum vermitteln und zum Allgemeingut machen wollte. Er ist aber dennoch aus unserer Sicht einer, der in den 1960er- und 1970er-Jahren an vorderster Front in der Kunstentwicklung eine Rolle gespielt hat, allerdings mit einem ganz eigenen, originären Ansatz. Man kann eine Nähe zur Konzeptkunst, zu Handlungsansätzen in der Skulptur, zur Erweiterung des Kunstbegriffs beobachten, vergleichbar etwa mit Joseph Beuys oder Franz Erhard Walther oder den Amerikanern.
Nach einer Ausbildung zum Schreiner hat er als junger Mann die Welt bereist. Spiegelt sich das auch in seiner Kunst wider?Absolut. Schwegler war ein extrem offener und den Menschen zugewandter Typ, der dadurch auch Menschen in seiner Umgebung für sich aufgeschlossen und sie animiert hat, ihm etwas zu vermitteln. Er hat auf den Alltag und auf Menschen gehört, hat sich Einsichten in andere Kulturen erobert. Er ist bis nach New York und Tokio gereist: eine bewusst geplante Bildungsfahrt durch die Welt.
Wie hat er die Reisen finanziert?Er ist mit 29 Mark losgezogen und hat jeweils in den Städten als Schreiner gearbeitet. Fritz Schwegler kommt aus einfachen Verhältnissen und hat in seinem Leben nie viel Geld gehabt.
Im Alter ist Schwegler wieder ganz in seinen Geburtsort Breech zurückgezogen. Sie haben ihn dort einmal besucht. War das ein besonderes Erlebnis?Ich hatte dort ein zu Herzen gehendes Erlebnis, das mir zeigte, wie er auf andere Menschen gewirkt hat. Wir haben eines seiner Sammlungshäuschen besucht. Er hatte ja in Milchhäuschen, Heuschobern, Trafostationen, Wassertürmen, also all diesen Kleinarchitekturen, die ihre Funktion verloren haben, seine Werkgruppen installiert. Plötzlich griff er in eine chinesische Vase und ich dachte zuerst, jetzt kommt die Schnapsflasche raus, aber es war ein altes Horn. Er fing ohne Vorankündigung an, für mich und meine Begleiterin ein Stück zu spielen. Das war eine so intensive poetische Stimmung, die mich nun auch in der Entscheidung bestärkt hat, sein Werk für die Öffentlichkeit mit Ausstellung und umfassender Publikation aufzuarbeiten.
Sie beschreiben Fritz Schwegler als offenen Menschen, gleichzeitig galt er aber auch als introvertiert. War das vielleicht ein Grund, warum er auf dem Kunstmarkt nicht so durchgestartet ist? Er war sowohl introvertiert als auch extrovertiert und hat damit beide Seiten in sich vereinigt. Er war introvertiert, indem er ganz bei sich war und seinen Einfällen wirklich vertraut hat. Das hat er auch seinen Schülern vermittelt: Vertraut euch selbst, euren Einfällen! Gegenüber dem Kunstmarkt hatte er eine ganz große Ferne. Er hat sich niemandem aufgedrängt und war letztlich auch nach Ausstellungserfolgen in den 1960/70er-Jahren, als er auf der legendären documenta von Harald Szeemann vertreten war, nicht gut verkäuflich. Er hat lieber seine eigene Welt auf- und ausgebaut. Das ist ein Grund, warum Schwegler über den Kunstmarkt nicht so bekannt wurde wie viele seiner Schüler. ‹
Fritz Schwegler hat als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie international anerkannte Künstler wie Thomas Schütte oder Gregor Schneider hervorgebracht. Sein eigener künstlerischer Kosmos gilt immer noch als Geheimtipp der bundesrepublikanischen Kunstgeschichte. Geboren 1935 in Breech bei Göppingen, machte er nach seiner Schulzeit eine Schreinerlehre und zog dann als Handwerksbursche durch die Welt. Später schuf er ein vielfältiges Werk, das in keine Schublade passt. Am bekanntesten sind seine Kleinskulpturen und Bronzeplastiken. Schwegler war aber auch Maler, Dichter, Zeichner, Sänger und Performancekünstler. Er produzierte fürs Fernsehen, obwohl er nie einen eigenen Fernseher besaß. Im Jahr 2014 starb er in seinem Geburtsort. Die Kunsthalle zeigt nun — in Zusammenarbeit mit der Hildegard und Fritz Schwegler Stiftung — mehr als 500 Werke aus seinem Nachlass: Holzmodelle, Bronzeplastiken, Audio- und Filmaufnahmen, Zeichnungen, Leinwände.Fritz Schwegler
11. November 2016 bis 08. Januar 2017
Kunsthalle Mannheim
Nach einer Ausbildung zum Schreiner hat er als junger Mann die Welt bereist. Spiegelt sich das auch in seiner Kunst wider?Absolut. Schwegler war ein extrem offener und den Menschen zugewandter Typ, der dadurch auch Menschen in seiner Umgebung für sich aufgeschlossen und sie animiert hat, ihm etwas zu vermitteln. Er hat auf den Alltag und auf Menschen gehört, hat sich Einsichten in andere Kulturen erobert. Er ist bis nach New York und Tokio gereist: eine bewusst geplante Bildungsfahrt durch die Welt.
Wie hat er die Reisen finanziert?Er ist mit 29 Mark losgezogen und hat jeweils in den Städten als Schreiner gearbeitet. Fritz Schwegler kommt aus einfachen Verhältnissen und hat in seinem Leben nie viel Geld gehabt.
Im Alter ist Schwegler wieder ganz in seinen Geburtsort Breech zurückgezogen. Sie haben ihn dort einmal besucht. War das ein besonderes Erlebnis?Ich hatte dort ein zu Herzen gehendes Erlebnis, das mir zeigte, wie er auf andere Menschen gewirkt hat. Wir haben eines seiner Sammlungshäuschen besucht. Er hatte ja in Milchhäuschen, Heuschobern, Trafostationen, Wassertürmen, also all diesen Kleinarchitekturen, die ihre Funktion verloren haben, seine Werkgruppen installiert. Plötzlich griff er in eine chinesische Vase und ich dachte zuerst, jetzt kommt die Schnapsflasche raus, aber es war ein altes Horn. Er fing ohne Vorankündigung an, für mich und meine Begleiterin ein Stück zu spielen. Das war eine so intensive poetische Stimmung, die mich nun auch in der Entscheidung bestärkt hat, sein Werk für die Öffentlichkeit mit Ausstellung und umfassender Publikation aufzuarbeiten.
Sie beschreiben Fritz Schwegler als offenen Menschen, gleichzeitig galt er aber auch als introvertiert. War das vielleicht ein Grund, warum er auf dem Kunstmarkt nicht so durchgestartet ist? Er war sowohl introvertiert als auch extrovertiert und hat damit beide Seiten in sich vereinigt. Er war introvertiert, indem er ganz bei sich war und seinen Einfällen wirklich vertraut hat. Das hat er auch seinen Schülern vermittelt: Vertraut euch selbst, euren Einfällen! Gegenüber dem Kunstmarkt hatte er eine ganz große Ferne. Er hat sich niemandem aufgedrängt und war letztlich auch nach Ausstellungserfolgen in den 1960/70er-Jahren, als er auf der legendären documenta von Harald Szeemann vertreten war, nicht gut verkäuflich. Er hat lieber seine eigene Welt auf- und ausgebaut. Das ist ein Grund, warum Schwegler über den Kunstmarkt nicht so bekannt wurde wie viele seiner Schüler. ‹
Fritz Schwegler hat als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie international anerkannte Künstler wie Thomas Schütte oder Gregor Schneider hervorgebracht. Sein eigener künstlerischer Kosmos gilt immer noch als Geheimtipp der bundesrepublikanischen Kunstgeschichte. Geboren 1935 in Breech bei Göppingen, machte er nach seiner Schulzeit eine Schreinerlehre und zog dann als Handwerksbursche durch die Welt. Später schuf er ein vielfältiges Werk, das in keine Schublade passt. Am bekanntesten sind seine Kleinskulpturen und Bronzeplastiken. Schwegler war aber auch Maler, Dichter, Zeichner, Sänger und Performancekünstler. Er produzierte fürs Fernsehen, obwohl er nie einen eigenen Fernseher besaß. Im Jahr 2014 starb er in seinem Geburtsort. Die Kunsthalle zeigt nun — in Zusammenarbeit mit der Hildegard und Fritz Schwegler Stiftung — mehr als 500 Werke aus seinem Nachlass: Holzmodelle, Bronzeplastiken, Audio- und Filmaufnahmen, Zeichnungen, Leinwände.Fritz Schwegler
11. November 2016 bis 08. Januar 2017
Kunsthalle Mannheim
Kunsthalle Mannheim
Die Kunsthalle Mannheim zählt mit ihren Spitzenwerken von Edouard Manet bis Francis Bacon und ihrem Skulpturenschwerpunkt zu den renommiertesten Sammlungen von deutscher und internationaler Kunst der Moderne und der Gegenwart. Hochkarätige Sonderschauen internationaler zeitgenössischer Kunst vervollständigen das Ausstellungsprogramm. Gezeigt werden sie im Kerngebäude, dem imposanten, frisch sanierten Jugendstilbau von Hermann Billing aus dem Jahre 1907. Bis 2017 entsteht außerdem ein zukunftsweisender Neubau, der die Ausstellungsfläche um rund 1.300 Quadratmetern erweitert.
TerminFR 11. November 2016 bis SO 08. Januar 2017
AdresseKunsthalle Mannheim // Friedrichplatz 4 // 68165 Mannheim // Tel. 0621 293 6413 // kunsthalle@mannheim.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr, Mittwoch 10–20 Uhr, 1. Mittwoch im Monat 18-22 Uhr (freier Eintritt)
Infoskuma.art