> Aus Belgien kommen Pommes und Pralinen, in seiner Hauptstadt sind die europäischen Institutionen beheimatet — und hier wohnten auch die Drahtzieher der terroristischen An- schläge von Paris. Das kleine Nachbarland ist voller Widersprüche, scheint seine durch die Sprachgrenze getrennten Regionen oftmals nur mühsam als Staat zusammenzuhalten und lädt damit ein, über die heutige und zukünftige Gesellschaft Europas nachzudenken — gerade vor dem Hintergrund der momentanen politischen Umwälzungen und gesamteuropäischen Fragen. Abenteuer TheaterDie von Ambivalenzen geprägte Situation in Belgien bietet gleichzeitig den Nährboden für die zurzeit vielleicht lebendigste Theaterszene Europas. Das Theatersystem unterscheidet sich stark vom deutschen: In Belgien gibt es neben einigen städtischen Theatern vor allem freie Produktionsstätten, Kulturzentren und Gruppen ohne eigenes Haus, die in unterschiedlichen Konstellationen zusammenarbeiten und sich gegenseitig befruchten. Nicht allein deshalb findet man in Belgien viele unterschiedliche Theaterhandschriften und Inszenierungen, bei denen die Grenzen zwischen Tanz, bildender Kunst und Theater oft verschwimmen.
So auch bei einem der Höhepunkte des diesjährigen Gastlandprogramms: Inspiriert von dem syrischen Poeten Abu l-’Ala al-Ma’arri (973–1057), der in seiner Lyrik einen zutiefst skeptischen Blick auf Dogmatismus und Fanatismus zum Ausdruck bringt, erzählen die Performer der international renommierten Gruppe Jan Lauwers & Needcompany in „Der blinde Dichter“ in musikalischen, poetischen und tänzerischen Porträts ihre individuellen Biografien und durchlaufen bei der Recherche in ihren Stammbäumen hunderte Jahre menschlicher Geschichte. Sie verhandeln dabei auch die Frage, wie Gemeinschaft funktionieren kann: zuallererst, indem wir uns als Menschen begegnen.
In diesem Sinn ist auch in diesem Jahr wieder ein spannender Austausch mit Theatermachern zu erwarten — nicht nur mit der berühmten Needcompany, sondern auch mit jungen oder in Deutschland noch wenig bekannten Talenten aus Belgien. Der diesjährige Scout für das Gastlandprogramm, Luk Van Den Dries, hat gemeinsam mit der Festivalleitung ein vielfältiges Programm zusammengestellt, das sowohl Inszenierungen aus dem niederländischsprachigen Flandern als auch aus dem französischsprachigen Wallonien umfasst. Luk Van Den Dries ist Dramaturg und Professor für Theaterwissenschaft an der Universität Antwerpen und einer der profiliertesten Kenner der Theaterlandschaft Belgiens. Er war unter anderem Verleger des wichtigsten belgischen Theatermagazins Etcetera, Leiter und Präsident der Jury des Flämischen-Niederländischen Theaterfestivals sowie Präsident des Künstlerischen Beirats Flanderns. Auch auf die von Luk Van Den Dries für den Internationalen Autorenwettbewerb des Heidelberger Stückemarkts nominierten flämischen und wallonischen Autoren darf man gespannt sein.
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Heidelberger Stückemarkt
Neben spannenden Produktionen aus einem Gastland Litauen bietet der Heidelberger Stückemarkt aktuelle Inszenierungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Eine große Bandbreite an künstlerischen Handschriften, die das zeitgenössische Theater prägen. Neue, noch nicht aufgeführte Theaterstücke, gelesen von Schauspielern des Theaters Heidelberg. Theaterautoren von morgen im Wettbewerb um den Autorenpreis. Künstlergespräche, Publikumsdiskussionen und Partys.
TerminFR 29. April bis SO 08. Mai 2016
AdresseTheater und Orchester Heidelberg // Theaterstraße 10 // 69117 Heidelberg
SpielorteTheater und Orchester Heidelberg
Ticketsheidelberg.de