› Natürlich geht es bei Enjoy Jazz ums Genießen. Ums Hören. Ums Entdecken. Um Konzerte, die andere Welten eröffnen oder Bekanntes neu erschließen. Um Künstler*innen aus allen Kontinenten, die ihre unterschiedlichen Ideen, Stärken, Traditionen mitbringen. Und es geht nicht zuletzt um ein Publikum, das sich verzaubern und begeistern lässt. Seit seiner Gründung im Jahr 1999 hat das Enjoy Jazz Festival so viele Bands und Solist*innen in die Region gebracht, dass es einfacher wäre, jene zu nennen, die noch nicht da waren. Auch 2021 hat das Festivalteam trotz der globalen Turbulenzen wieder ein Programm auf die Beine gestellt, das die enorme Breite des zeitgenössischen Jazz — und angrenzender Musikrichtungen — abbildet.Deutlich mehr als nur MusikDoch Enjoy Jazz war schon immer mehr als eine Abfolge von Konzerten. Enjoy Jazz hat von Anfang an Stellung bezogen, Haltung gezeigt und Diskussionsräume eröffnet. Ein Festival, das die Strömungen und Entwicklungen der Zeit aufnimmt, findet naturgemäß nicht im luftleeren Raum statt. Gerade der Jazz trug immer schon eine gesellschaftspolitische Dimension in sich. Deshalb geht es einerseits um den Spaß bei Enjoy Jazz — der Name sagt es ja bereits. Andererseits aber um mehr. Dieses Mehr findet sich nicht nur bei Konzerten und Künstler*innen, sondern auch in Schwerpunkten und Projekten, die gerade in diesem Jahr eine breite Ausrichtung haben und den Charakter des Festivals prägen.
„Reconnecting Europe“ — so ließe sich das Motto eines dieser Projekte auf den Punkt bringen, das eine Art Impfprogramm gegen Nationalismus und Isolationismus sein soll. Rechtspopulistische Bewegungen versuchen schon seit Jahren, den europäischen Gedanken zu unterlaufen. Risse sind entstanden, die sich durch die aktuelle Situation verstärkt haben. Die Förderung von Gemeinsamkeit in Diversität sei, so die Diagnose von Festivalleiter Rainer Kern, infolge des „neuen Abstands“ rückläufig: „Gewachsene Strukturen des inter- und intrakulturellen Austauschs wurden beschädigt. Diese Verbindungen müssen nun sukzessive wiederaufgebaut, ausgebaut und gestärkt werden.“ Die Veranstaltungsreihe unter dem Motto „In Diversität vereint: Zur Neuvernetzung Europas durch die Kunst“ will mit kuratierten Konzerten und einem Workshop ein Zeichen setzen.Inklusion und Ausschluss, Macht und OhnmachtEin anderer Schwerpunkt beschäftigt sich mit „Intersektionalität“ — ein Begriff, der aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse mitbestimmt und sich auch auf die Jazzszene anwenden lässt. „Intersektionalität“ bringt zum Ausdruck, dass Ungleichheit und Unterdrückung selten auf eine einzige Kategorie wie beispielsweise „das Geschlecht“ zurückgeführt werden können. Vielmehr greifen verschiedene Faktoren wie Ethnizität, Alter, Sexualität, Gesundheit, Kultur oder Klasse ineinander, verweben sich und lassen sich so kaum noch auflösen. Damit verbunden sind Fragen von Inklusion und Ausschluss, Macht und Ohnmacht. Mehr Frauen in den Jazz„Wir möchten das Thema sowohl grundsätzlich als auch unter Berücksichtigung der Situation von Jazzmusiker*innen betrachten“, heißt es in der Ankündigung des dazugehörigen Symposiums mit dem Titel „Macht und Identität — Vermessung der Ränder“. Denn: Der Frauenanteil im deutschen Jazz liegt bei 20 Prozent. Noch frappierender: Lediglich zwei Prozent der Jazz-Instrumental-Professuren sind mit Frauen besetzt. In einem Mix aus Kurzvorträgen, Diskussionen, interaktiven Elementen und Live-Musik sollen persönliche Alltagserfahrung und akademische Aufarbeitung kombiniert werden, und zwar am 17. Oktober im Nationaltheater Mannheim. Das Podium ist hochkarätig besetzt: Moderiert von der Journalistin und Autorin Maxi Broecking sprechen unter anderem Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, Fola Dada, Musikerin, Tänzerin und Professorin für Jazzgesang an der Hochschule Mannheim, Mirna Funk, Schriftstellerin und Journalistin, sowie Katharina Oguntoye, Aktivistin, Dichterin, Historikerin und zentrale Figur in der afrodeutschen Bewegung. Ein Zeichen gegen AntisemitismusAuch das bundesweit begangene Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird bei Enjoy Jazz 2021 mit Veranstaltungen begleitet — Lesungen, Konzerte, eine Tagung und eine Auftragskomposition feiern den Reichtum jüdischen Lebens in Deutschland und setzen zugleich ein Zeichen gegen den immer größer werdenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft: Kunst gegen Vorurteile und Ausgrenzung. Man sieht: Enjoy Jazz ist mehr als eine Abfolge einzelner Konzerte. Denn auch die Musik ereignet sich immer in politischen Kontexten. Und gerade der Jazz stand stets im Zentrum fortschrittlicher Bewegungen. ‹
Enjoy Jazz — 23. Festival für Jazz und Anderes
02. Oktober bis 13. November 2021
verscheidene Spielorte Heidelberg/Mannheim/Ludwigshafen
www.enjoyjazz.de
Enjoy Jazz — 23. Festival für Jazz und Anderes
02. Oktober bis 13. November 2021
verscheidene Spielorte Heidelberg/Mannheim/Ludwigshafen
www.enjoyjazz.de
Bildnachweis:
Bob Sweeney (Entanglements)Enjoy Jazz Festival
Seit seiner Premiere 1999 hat sich Enjoy Jazz zu einem international renommierten Festival und zum größten Jazzfestival Deutschlands entwickelt. Neben Legenden wie Ornette Coleman oder Wayne Shorter präsentiert das „Internationale Festival für Jazz und anderes“ immer auch die Größen der jüngeren Jazzgeneration und spannt den Bogen zu angrenzenden Genres wie Weltmusik, Elektronik, Hip-Hop und Klassik. Komplettiert werden die rund 70 Konzerte durch Workshops, Matineen, Partys und Vorträge.
TerminSA 02. Oktober bis SA 13. November 2021
AdresseEnjoy Jazz GmbH // Bergheimer Straße 153 // 69115 Heidelberg // Tel: 06221 5835850 // E-Mail: info@enjoyjazz.de
SpielorteVerschiedene Orte in und rund um Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen
Infoswww.enjoyjazz.de