› Rot, Gelb und Blau, strenge schwarze Linien — wenige Indizien reichen aus, um den Künstler zu identifizieren, von dem hier die Rede ist. Im Jahr 2022 wäre Piet Mondrian 150 Jahre alt geworden. Sein Einfluss ist auch heute noch ungebrochen. Er gilt als einer der Wegbereiter der abstrakten Kunst, doch damit nicht genug: Nicht nur die Bildende Kunst, sondern auch Architektur, Design, Mode und sogar Werbung beziehen sich auf den Begründer des Neoplastizismus und zitieren, variieren, adaptieren und karikieren seine künstlerischen Gestaltungen. Und das bis heute: Auf TikTok verzeichnet der Hashtag #mondrian aktuell über 25 Millionen Aufrufe. „Diesen vielfältigen Referenzen spüren wir mit ‚Re-Inventing Piet. Mondrian und die Folgen‘ nach“, verrät Kuratorin Astrid Ihle. „Anhand von Werken Mondrians, seiner Zeitgenoss*-innen und Referenzen nachfolgender Generationen bietet die Ausstellung erstmals einen Einblick in eine mehr als ein Jahrhundert andauernde Auseinandersetzung mit Mondrians Werk.“ Konzipiert wurde die Ausstellung vom Kunstmuseum Wolfsburg, das sie gemeinsam mit dem Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, das in seiner Sammlung über einige Originale des niederländischen Kunstrevolutionärs verfügt, realisiert hat.
Innerhalb weniger Jahre gelang es Piet Mondrian, sich von der figurativen Malerei zu lösen und einen richtungsweisenden abstrakten Malstil zu entwickeln, den er in seinen umfangreichen kunsttheoretischen Schriften als „Neue Gestaltung“ oder „Neo-Plastizismus“ bezeichnete. Während die frühen Werke des 1872 in Amersfoort, Niederlande, geborenen Künstlers noch vom Impressionismus und Symbolismus beeinflusst waren, nahm er über die Jahre zunehmend Abstand vom Figürlichen. Stattdessen war er mehr und mehr vom Potenzial der Vereinfachung und Reduktion künstlerischer Elemente auf ihre Grundformen überzeugt. Im Jahr 1917 gründete Mondrian zusammen mit Gleichgesinnten die Künstlervereinigung „De Stijl“, der unter anderem auch der Maler und Kunsttheoretiker Theo van Doesburg sowie der Architekt Gerrit Rietveld angehörten. Diese neue Ästhetik, die Mondrian mit dem Neo-Plastizismus in den 1920er-Jahren erreichte, war kein abstrahiertes Abbild der Welt. Es ging ihm vielmehr um die Gestaltung eines neuen Lebens, das schließlich zu einem besseren Menschen in einer besseren Zukunft führen sollte. Mit zunehmenden politischen und sozialen Turbulenzen in Europa zog Mondrian in verschiedene Städte wie Paris, London und New York, wo er 1944 starb.
Für die zeitgenössische Kunst ist das Crossover von Kunst, Mode, Design, Populärkultur und Werbung selbstverständlich. Vorangetrieben wurde diese Idee zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Künstlern wie etwa Pablo Picasso und Georges Braque. Mondrian, der 1912 nach Paris gegangen war, war ebenfalls an einer Verschmelzung von Kunst und Leben interessiert. „Die Menschen sehen im Allgemeinen im Kunstwerk zu sehr einen Luxusartikel, etwas Angenehmes, sogar einen Zierrat — etwas, was außerhalb des Lebens steht. Kunst und Leben sind aber eins, Kunst und Leben sind beide Ausdrucksformen der Wahrheit.“ Mondrian wurde auch nicht müde zu betonen, dass seine „Malerei der realen Abstraktion“ einen direkten Bezug zur Wirklichkeit hat: „Das ist insbesondere das Wesen der neuen Gestaltung in der Malerei. Sie ist eine Komposition farbiger Rechtecke, welche die tiefste Realität ausdrücken.“Mit diesen vermeintlich schlichten Kompositionen aus zunächst schwarzen Linien und farbigen Rechtecken auf weißem, hellblauem oder grauem Grund revolutionierte Mondrian die Kunstwelt. Und obwohl seine neoplastischen Werke auf der einen Seite für viele schwer zugänglich waren, wurde auf der anderen Seite keine andere künstlerische Position im 20. und 21. Jahrhundert so oft und so vielfältig zitiert, kopiert, variiert oder auch persifliert. Zur Popularisierung seines Werks und zum Einfluss in vielen Lebensbereichen trugen bereits in den 1960er-Jahren die berühmten Cocktailkleider von Yves Saint Laurent bei. Sie trugen Mondrians Ideen buchstäblich in die Öffentlichkeit. Heute ist nahezu kein Objekt vor seinen Werken sicher. Von der Kaffeetasse bis zu Fingernägeln — Mondrian bleibt en vogue. ‹Re-Inventing Piet. Mondrian und die Folgen
bis 21. Januar 2024
wilhelmhack.museum
bis 21. Januar 2024
wilhelmhack.museum
Bildnachweis:
Tim Eitel, Rot und Blau, 2002, Öl und Acryl auf Leinwand, Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, Foto: Uwe Walter, Berlin, Copyright: VG Bild-Kunst Bonn 2023Wilhelm-Hack-Museum
Wahrzeichen des Wilhelm-Hack-Museums ist seine Keramikfassade, die Joan Miró 1980 gestaltete. Heute gilt das Haus als das wichtigste Museum für die Kunst des 20. und 21.Jahrhunderts in Rheinland-Pfalz. Seine Schwerpunkte liegen auf der Klassischen Moderne, aber auch auf der konstruktiv-konkreten Kunst nach 1945. Profilierte Sonderausstellungen, Workshops und ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm machen das Museum zu einem kulturellen Zentrum von Ludwigshafen.
AdresseWilhelm-Hack-Museum // Berliner Straße 23 // 67059 Ludwigshafen // Telefon 0621 5043045 // E-Mail: hackmuseum@ludwigshafen.de
ÖffnungszeitenDienstag, Mittwoch & Freitag 11–18 Uhr // Donnerstag 11–20 Uhr // Samstag, Sonntag & Feiertage 10–18 Uhr