› Am Anfang ihrer Geschichte stand eine Sparmaßnahme: „Brigands noirs“, schwarze Briganten, wurden die Preußen genannt, die 1813/14 gegen die Korsen kämpften. Weil fast jeder von ihnen aus einem anderen Teil des Landes stammte und eine andere Uniform trug, färbte man sie ein: in Schwarz. Und verzierte die Sparmontur mit roten Vorstößen, Aufschlägen und goldenen Knöpfen. Die Symbolwirkung, die der Aufzug später bekam, war natürlich nicht geplant — wie so vieles nicht in der Geschichte. Aber kaum ein Jahr später, am 12. Juni 1815, gründeten Soldaten aus dem „Lützower Freikorps“ jene Ur-Burschenschaft, die später beim berühmten Wartburgfest ihre Fahne in den Wind halten sollte: in Schwarz, Rot und Gold.„Deutschlands WiedergeburtDiese und andere Geschichten lassen sich auf dem Hambacher Schloss entdecken. Dabei ist auch sie zu sehen, hinter Glas: die deutsche Trikolore mit der Aufschrift „Deutschlands Wiedergeburt“, die man am 27. Mai 1832 auf der höchsten Zinne des Nordturms gehisst hatte. Als wertvollstes Exponat der dortigen Dauerausstellung erzählt sie von der Rolle, die die Burschenschaften in der deutschen Geschichte spielten. Vom berühmten Hambacher Fest und warum die Nationalflagge seit jeher ein Zeichen für Demokratie, Freiheitsrechte und ein geeintes Deutschland ist — und weit mehr als ein bloßes Stück Stoff.Eine Gemeinschaftsarbeit von Neustadter FrauenWer die Fahne 1832 allerdings zusammennähte und zu einem Vorläufer unserer heutigen Nationalflagge machte, darüber wird nach wie vor gestritten: Der Neustadter Landwirt und Kaufmann Johann Philipp Abresch soll sie in Auftrag gegeben haben — bei seiner Frau. Der Autor Lutz Frisch, der ein maßgebliches Werk über das Hambacher Fest geschrieben hat, hält diese Version aber für wenig wahrscheinlich. Nach seinen Recherchen war die schwarz-rot-goldene Hauptfahne des Hambacher Festes eine Gemeinschaftsarbeit Neustadter Frauen. Sicher ist: Damals trugen zum ersten Mal hunderte Menschen die „Volksfarben“ auf Armbinden, Ansteckern, Kokarden oder Schleifen — unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrer sozialen Schicht.
Der Publizist Philipp Jakob Siebenpfeiffer, einer der Initiatoren des Hambacher Fests, schrieb in seiner vielgesungenen Hymne „Hinauf, Patrioten, zum Schloss“: „Die vielen Farben sind Deutschlands Not, vereinigte Kraft nur zeugt Größe: drum weg mit der Farben buntem Tand! Nur e i n e Farb’ und e i n Vaterland!“ Er meinte damit das Schwarz-Rot-Gold. Und August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der Dichter der deutschen Nationalhymne, formulierte es so: „Schwarz-Rot-Gold, der Väter Hoffen, sei uns Leitstern alle Zeit, in den Farben treu und offen, wolln wir stehn in Freud und Leid.“Verbotene FarbenKurz nach dem Hambacher Fest waren die Farben jedoch schon wieder verboten — wie noch so oft in der Geschichte: Am 5. Juli 1832 sanktionierte der Bundestag in Frankfurt am Main „das öffentliche Tragen von Abzeichen in Bändern, Cocarden und dergleichen, sey es von In- oder Ausländern, in andern Farben als jenen des Landes, dem der, welcher solche trägt, als Unterthan angehört“. Besonders unter Strafe gestellt wurde das Tragen von schwarz-rot-goldenen Farben, die als „ungesetzliches oder gar revolutionäre Zwecke andeutendes Abzeichen“ galten. Mehr noch: ein „Attentat gegen die Sicherheit und die Verfassung des Bundes“. 1850 empörte sich Bismarck bei einer Rede im Erfurter Parlament, dass Schwarz-Rot-Gold „nie die Farben des Deutschen Reichs gewesen sind, wohl aber seit zwei Jahren die Farben des Aufruhrs und der Barrikaden“. 1935 ließ Hitler den farbigen Dreiklang der Weimarer Republik durch die Hakenkreuzfahne als „alleinige Reichsflagge“ ersetzen. 1949 wurde das Schwarz-Rot-Gold wiedereingeführt, zehn Jahre später auch zur Grundlage der Fahne der DDR, die es zusätzlich mit Ährenkranz, Hammer und Zirkel versah. Seit 1990 steht es erneut für ein vereintes Deutschland, in dem man inzwischen gern wieder Flagge zeigt — in Sachen Weltoffenheit und Demokratie. ‹
Hambacher Schloss
Seit im Mai 1832 zum ersten Mal die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Kastanienberg bei Neustadt wehte, gilt das Hambacher Schloss als Wiege der deutschen Demokratie. Heute ist das Schloss eine nationale Gedenkstätte, die mit der Dauerausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ interessante Einblicke in die deutsche (Demokratie-)Geschichte bietet. Bei Veranstaltungsreihen wie den Hambacher Gesprächen, dem Hambacher Disput oder dem Demokratie-Forum Hambacher Schloss sind regelmäßig renommierte Gäste vor Ort, die aktuelle politische Themen beleuchten und diskutieren. Abgerundet wird das Programm durch Sonderausstellungen, Kulturevents (Kabarett, Kindertheater und Konzerte ) und Gastveranstaltungen wie dem Hambacher Fest-Bankett. 2015 wurde die Gedenkstätte Hambacher Schloss als erst zweite Institution in Deutschland mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.
AdresseStiftung Hambacher Schloss // 67434 Neustadt an der Weinstraße // Telefon: 06321 926290 // E-Mail: info@hambacher-schloss.de
Öffnungszeitentäglich von 10 bis 18 Uhr (April bis Oktober) und von 11 bis 17 Uhr (November bis März)
Ticketswww.adticket.de