› Mit den Mitteln der Kunst können weder der Meeresspiegel gesenkt, bedrohte Arten gerettet noch Abgaswerte reduziert werden. Dennoch ist Jan Dvořák zuversichtlich, dass Kunst, Theater und Musik durch Allegorie und Abstraktion einen immensen Einfluss auf unser Verhältnis zur Erde haben. Indem sie einen Möglichkeitsraum entstehen ließen, so der Leiter des Mannheimer Sommers, zeigten sie Wege aus der krisengeschüttelten Gegenwart. Kein Ort des JammernsDiese Gegenwart ist von düsteren Prognosen geprägt. „Es gibt den berühmten Satz, dass man sich den Untergang der Welt leichter vorstellen kann als den Untergang des Kapitalismus. Wir befinden uns gerade in einem utopiefreien Zeitalter, in dem wir uns die Zukunft nur schlechter als die Gegenwart vorstellen können“, bedauert Dvořák. Doch das Festival soll nicht ein Ort des Jammerns werden: „Der Mannheimer Sommer wird sich zwar auch mit dieser Misere befassen, aber einen Fokus auf die Schönheit einer künftigen Welt legen, die nicht auf Ausbeutung basiert.“ Der Vorteil: Anders als Wissenschaft und Politik muss sich die Kunst nicht mit der Umsetzung herumschlagen.Grund genug für das Team des Mannheimer Sommers, sich der Frage des Umgangs mit der Natur und der ökologischen Transformation zu widmen. Die Erde mutiert zum riesigen Raumschiff mit einer Mannschaft ohne Bedienungsanleitung, um es mit den Worten des US-Visionärs Buckminster Fuller zu formulieren. Das Festival spannt dabei einen zeitlichen Bogen von der Epoche der Aufklärung über den Naturbegriff der Mozart-Zeit bis zu den Utopien und Dystopien der Gegenwart. Manifeste der AufklärungDoch welche Position hat Mozart, der Pate des Mannheimer Sommers, bezogen? Zu seinen Lebzeiten konkurrierte der gefühlsbetonte Sturm und Drang mit dem rationalen Fortschrittsglauben der Aufklärung. Für Dvořák ist klar: „Auch wenn er als unintellektueller Mensch gilt, hat sich Mozart sehr mit Aufklärungsliteratur beschäftigt. Seine großen Opern wie Don Giovanni sind Manifeste der Aufklärungszeit, besonders in politischer Hinsicht.“
Im Schwetzinger Rokokotheater, neben dem Nationaltheater ein Spielort des Festivals, ist daher ein großes Idomeneo-Projekt geplant. Bildgewaltig mit Licht- und Schatteneffekten wird die israelische Performancegruppe Ariel Efraim Ashbel and friends ein Musiktheaterstück entwickeln, das hauptsächlich aus den Chorstellen der Oper besteht — in einer neuen Version von Komponist Ethan Braun aus den USA. Die Collage schildert unser Verhältnis zur Natur und fokussiert sich auf die Idomeneo-Szene, in der nach menschlichen Verfehlungen ein Monster im Meer geweckt wird, an Land kriecht und die Menschen bedroht. Eine Metapher, die für Dvořák auf die gegenwärtige Lage übertragbar ist: „Man hat das Gefühl, dass die Natur, die immer stumm dalag und sich hat ausbeuten lassen, plötzlich zurückschlägt.“ Neben diesem Projekt sind unter anderem die Uraufführung von „The Damned and the Saved“, einem Musiktheater über die Gefahren künstlicher Intelligenz von Malin Bång und Pat To Yan, sowie die Premiere der „Entführung aus dem Serail“ geplant. Letztere basiert auf einer neuen Textfassung von Luk Perceval und Aslı Erdogan. Bereits ab dem 10. April gibt zudem eine Veranstaltungsreihe mit Kammermusik und Vorträgen zur Ökologie einen Vorgeschmack auf den Mannheimer Sommer. ‹ Mannheimer Sommer
16. bis 26. Juni 2022
Nationaltheater Mannheim, Rokokotheater Schwetzingen
www.nationaltheater-mannheim.de
16. bis 26. Juni 2022
Nationaltheater Mannheim, Rokokotheater Schwetzingen
www.nationaltheater-mannheim.de
Bildnachweis:
Martin ArgyrogloMannheimer Sommer
Der Mannheimer Sommer möchte — in Fortsetzung des erfolgreichen „Mannheimer Mozartsommers“ — den Blick noch weiter öffnen möchte auf die Fülle dessen, was die europäische Kultur hervorgebracht hat — und weiterhin hervorbringt! Gastspiele aus dem erweiterten Musiktheaterbereich ergänzen diese große Eigenproduktion: Performance, Tanz, Neue Musik, inszenierte Konzerte. Unterschiedliche Stile sind gefragt: vom klassischen Lied über Weltmusik bis zum Pop kann alles zur Grundlage für neuartige Musiktheaterabende werden.
TerminDO 16. bis SO 26. Juni 2022
AdresseNationaltheater Mannheim // Goetheplatz // 68161 Mannheim //
Kartentelefon: 0621 1680-150 // E-Mail: nationaltheater.kasse@mannheim.de
Kartentelefon: 0621 1680-150 // E-Mail: nationaltheater.kasse@mannheim.de
SpielorteNationaltheater Mannheim & Schloss Schwetzingen