› Nicht Rihanna, Lady Gaga oder Prinz Harry sind auf Beat Streulis Fotografien zu entdecken, sondern unbekannte Helden des Alltags. Und dennoch wirken die Jogger, Studenten und Büroangestellten wie Stars. Das Sonnenlicht lässt ihre Haare und ihre Haut sanft schimmern. Sie sehen selbstversunken und entspannt aus. Der Schweizer Fotograf hat sie mit seinem Teleobjektiv auf der Straße eingefangen. Für diese Porträts, die so groß wie einst die Hauptwerke der Malerei sind, reist Streuli um den ganzen Globus. Er hat mittlerweile in vielen Metropolen und Großstädten fotografiert. Die Forderung der US-amerikanischen Pionierin Berenice Abbott, dass lebendige Fotografie ein Loblied auf das Leben singen soll, erfüllt er in jeder Hinsicht.
Streuli ist nur einer der namhaften Fotografen und experimentellen Künstler, die mit ihren Werken in der Sammlung des Finanzdienstleisters MLP vertreten sind. Die Fotokünstler Andreas Gursky und Candida Höfer gingen aus der berühmten Düsseldorfer „Becher-Schule“ mit ihrem dokumentarischen Ansatz hervor. Günther Förg, Susan Hefuna, Astrid Klein, Hanno Otten und Ulrike Rosenbach, eine der ersten Beuys-Schülerinnen, experimentieren mit Fotografie, Bildvorlagen oder Licht und sind ebenfalls hier versammelt — ein prominenter Ausschnitt des Who’s Who der zeitgenössischen Kunst.Mit der aktuellen Schau zeigt das Kurpfälzische Museum nach der Präsentation von Werken aus der Sammlung Dr. Rainer Wild im vergangenen Jahr zum zweiten Mal eine große Firmensammlung und besinnt sich dabei auch auf seine Wurzeln. „Schon immer hat das Kurpfälzische Museum vom bürgerlichen Engagement und den Donationen der hiesigen Bürger profitiert“, betont Direktor Professor Frieder Hepp. Ein Beispiel dafür ist der in Heidelberg geborene Kaufmann Ernst Posselt, der Anfang des 20. Jahrhunderts seine bedeutende Sammlung niederländischer Gemälde dem Haus übereignete.Der King und die RevolverheldinDie vielgestalte, mit viel Sachverstand komponierte MLP-Sammlung aus den Firmenräumen in Wiesloch steht unter dem Motto „Kunst des Denkens“. Für Hepp ein reizvolles Konzept: „Diesen inneren Prozess in Bildsprache umzusetzen, fasziniert mich.“ Besonders augenfällig schwingt dieser Gedanke in den Aufnahmen von Candida Höfer mit. Eines ihrer Lieblingsmotive sind öffentliche Bibliotheken. Auf diese Interieurs richtet sie einen registrierenden, scheinbar unbeteiligten Blick. Ganz anders agiert indes Ulrike Rosenbach, die sich in der Fotomontage „Art is a Criminal Action“ als Revolverheldin inszeniert. Die Künstlerin stellt sich in Warhols Siebdruck „Double Elvis“ neben den King of Rock‘n‘Roll und formuliert damit ein feministisches Statement.Trabantenstadt statt SchlossruineMit der Stadtansicht „Heidelberg Ost“ knüpft Andreas Gursky ebenfalls an eine Heidelberger Tradition an. Die Stadt und ihr Schloss standen in ihrer Geschichte schon für unzählige Veduten und Fotografien Pate. Gursky hat allerdings nicht die historischen Sehenswürdigkeiten als Motiv gewählt, sondern die in den Berg gehauene Trabantenstadt „Emmertsgrund“. Bei Nacht und aus der Ferne fotografiert, wirkt sie wie ein Meer aus tausenden von leuchtenden Punkten, als wären glühende Sternschnuppen vom Himmel gefallen.
Ebenfalls gezeigt werden die Großaufnahmen von Architekturdenkmälern der Moderne des 2013 verstorbenen Günther Förg. Astrid Klein ist mit der schattenhaften Reproduktion eines Autografen von Oscar Wilde an einen Freund vertreten, den der irische Schriftsteller in Geheimschrift verfasste. Die mit einer Lochkamera aufgenommenen Arbeiten von Susan Hefuna wirken durch den Einsatz der alten Technik, als handele es sich um Dokumente aus dem Nildelta, die in den Anfangszeiten der Fotografie entstanden, eine perfekte Täuschung.Wie Logenmeister lenken die Künstler der Ausstellung den Blick auf die Realität, lassen Versunkenes sprechen und verstehen sich darauf, die Fotografie mit ihrer unübertroffenen Fähigkeit zur Momentaufnahme auszudeuten. Mit ihren vielfach wandfüllenden Formaten erzwingen diese Werke gleichermaßen Distanz und Nähe. Wer lässt sich nicht gerne auf dieses Abenteuer ein? ‹„Weitsicht“: Förg - Gursky - Hefuna - Höfer - Klein - Otten - Rosenbach - Streuli
29. September 2016 bis 29. Januar 2017
Kurpfälzisches Museum, Heidelberg
29. September 2016 bis 29. Januar 2017
Kurpfälzisches Museum, Heidelberg
Kurpfälzisches Museum
Kunst und Kultur in der Heidelberger Altstadt bietet das Kurpfälzische Museum. Mit seinen vielfältigen Beständen und deren Schwerpunkten Archäologie, Gemälde und Grafiik, Kunsthandwerk und Stadtgeschichte lädt es zu einer faszinierenden Entdeckungsreise ein, von den ersten Siedlungsspuren im Rhein-Neckar-Raum bis zu Werken der Klassischen Moderne von Beckmann, Slevogt und Corinth. Die kostbaren Bestände des Kunsthandwerks — Silber, Porzellan und Möbel — können im historischen Palais Morass bewundert werden, der „Windsheimer Zwölfbotenaltar“ von Tilman Riemenschneider in einer Sonderpräsentation.
TerminDO 29. September 2016 bis SO 29. Januar 2017
AdresseKurpfälzisches Museum // Hauptstraße 97 // 69117 Heidelberg // Telefon: 06221 58–34020 // E-Mail: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr