› Das Sonnendeck liegt idyllisch im südwestlichen Teil des Schlossparks. Von dort schweift der Blick über das Schloss und das satte Grün des Odenwalds. In diesem Jahr entsteht hier ein ganz besonderer Spielort. „In die Mauer wird eine Guckkastenbühne mit viel Patina eingebaut, so, als ob hier schon seit Jahrhunderten Theater gespielt wird“, verrät Oberspielleiterin Brit Bartkowiak. Während der Heidelberger Schlossfestspiele gibt es dort ein illustres Programm. Auf der eigens dafür installierten Tribüne hätten in normalen Zeiten bis zu 200 Besucher*innen Platz, doch unter den gegenwärtigen Pandemie-Bedingungen gilt es, Sicherheitsabstände zu wahren. Die Zahl ist aus diesem Grund auf 80 beschränkt. Ein Zeichen der SolidaritätDie neu geschaffene Bühne ist Schauplatz für eine ganz besondere Premiere. Zum ersten Mal arbeitet das Festival mit der freien Szene aus Heidelberg und Umgebung zusammen. Das Stadttheater will damit ein Zeichen der Solidarität setzen. Wie schon mit dem Video-Projekt „Solo Fantastico“ und den Soundinstallationen von „Pssst“ haben selbstständige Künstler*innen die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen — und gleichzeitig ihr Konto aufzubessern.„In Corona-Zeiten ist es uns wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem sich die Freien zeigen können“, betont Bartkowiak. „Sie sind noch schutzloser als wir in den Institutionen.“ Bis Ende April konnten sich Interessierte mit ihrem Projekt bewerben. Die Oberspielleiterin freut sich schon auf das vielfältige Programm. Bedingung war, dass die Darbietungen 30 oder 60 Minuten dauern und nicht mehr als fünf Personen auf der Bühne stehen. Möglich ist alles — von Rock- oder Jazzkonzerten über Kabarett und kleinere Stücke bis hin zu Collagen. Plattform für ProjekteNicht nur freischaffende Künstler*innen, auch die Ensemblemitglieder des Heidelberger Theaters leiden unter der gegenwärtigen Situation. Immerhin ist ihr Haus seit vielen Monaten geschlossen. „Es gibt Kolleginnen und Kollegen wie die Mitglieder des Chors, die in dieser Spielzeit noch kein einziges Mal auftreten durften“, berichtet Bartkowiak. Die Sehnsucht, wieder Bühnenluft zu schnuppern, ist riesengroß. Daher dient das Sonnendeck auch als Plattform für kleinere Ensemble-Projekte.
So studiert Intendant Holger Schultze mit den Chorsänger*innen eine Revue ein. Schauplatz ist ein von drei Damen geführter Imbissstand auf dem Schloss. Dort kommen Tourist*innen aus aller Welt vorbei und singen über das Reisen, ihr Heim- oder Fernweh sowie über das Essen und Trinken. Sehr persönliche Beiträge sind es, die die Opernsänger*innen beisteuern. Die Heidelberger Oper ist bekanntlich international besetzt und wird daher mit dem Liederabend „Songs my mother taught me“ musikalisch um den Globus reisen. Fragen wie „Wo fühlst du dich zu Hause?“ und „Was bedeutet für dich Heimat?“ stehen dabei im Mittelpunkt. Als Streicherquintett oder Blechbläserquartett betreten Teile des Orchesters die Bühne auf dem Sonnendeck. Nähe und DistanzAuch das Heidelberger Tanzensemble ist mit dabei. „Zusammen“, ein zweiteiliger Abend mit Duetten des Heidelberger Spartenleiters Iván Pérez, war ursprünglich als Indoor-Projekt geplant. Jetzt steht die Premiere unter freiem Himmel bevor. Die Choreografie thematisiert Paarbeziehungen, in denen man in unseren unsicheren Zeiten einerseits Nähe sucht und andererseits körperliche und emotionale Grenzen setzt. Ein feministischer Abend mit Disney-PrinzessinnenMit Schlössern verbinden wir seit Kindertagen wunderschöne Prinzessinnen und schaurige Geister — Motive, die die Schauspieler*innen des Heidelberger Theaters in ihre Late-Night-Vorstellungen einbauen. „Wir haben das Ensemble gefragt: Was würdet ihr machen, wenn ihr auf dem Schloss Themen anpacken könntet, die euch am Herzen liegen?“, erläutert Bartkowiak den Ausgangspunkt. Auf diese Weise ist unter anderem ein Disney-Prinzessinnen-Abend entstanden — ein feministischer Diskurs über die Rolle von Königstöchtern beim US-Filmkonzern. Außerdem plant das Schauspiel einen Lyrik-Abend mit Werken von John Donne, einem Zeitgenossen Shakespeares. Weitere Programmpunkte sind ein Monolog aus „Dr. Faustus“ sowie eine Pumuckl-Version für Erwachsene. Die vielen Facetten und Projekte auf dem Sonnendeck zeugen von der großen Lust der Künstler*innen, wieder öffentlich aufzutreten. Übrigens ist der Wunsch nach Theater beim Publikum ebenfalls enorm. Die Karten für das Hauptprogramm der Schlossfestspiele waren nach dem Start des Vorverkaufs innerhalb kürzester Zeit vergriffen. ‹
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Susanne ReichardtHeidelberger Schlossfestspiele
Die weltbekannte und einzigartige Heidelberger Schlossruine bildet auch in dieser Sommersaison die Kulisse für die Schlossfestspiele. Im Schlosshof, im Dicken Turm und im Englischen Bau erwartet die Besucher ein abwechslungsreiches Programm bestehend aus Musical, Schauspiel, Konzert und Jungem Theater.
TerminSO 13. Juni bis SO 01. August 2021
AdresseTheater & Orchester der Stadt Heidelberg // Theaterstraße 10 // 69117 Heidelberg // Kartentelefon: 06221 58-20000 // E-Mail: tickets@theater.heidelberg.de
SpielorteSchloss Heidelberg