zeitraumexit

Zwischen Ich und Wir

› „Männer nehm’n in den Arm, Männer geben Geborgenheit, Männer weinen heimlich ...“ — vor fast 40 Jahren hat der ironische Song über die gelegentlich überforderten Geschlechtsgenossen Herbert Grönemeyer zum anerkannten Männer-Versteher gemacht. Damals herrschte noch ein relativ breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass ein Mann stark sein und Frauen beschützen muss, auch wenn emanzipatorische Vorreiterinnen wie Alice Schwarzer und Simone de Beauvoir diese vermeintlichen Gewissheiten längst negiert hatten. Seit den 1990er-Jahren gehen die Gender Studies noch wesentlich weiter als die beiden Ikonen des Feminismus: Sie verurteilen normative Geschlechtszuweisungen von außen, die mit der Geburt beginnen. Menschen sollen selbst bestimmen können, ob sie sich als männlich, weiblich oder ein fluides Wesen definieren.

„Wie geht das neue WIR?“

Diesem komplexen Geflecht aus Genderkategorien, Identität und Selbstermächtigung widmet sich zeitraumexit mit künstlerischen Beiträgen, Diskussionsformaten und Workshops. Dabei soll es schwerpunktmäßig um die Variationen von Männlichkeit, Weiblichkeit und Queerness gehen. Das Genderprojekt ist Teil des von der BASF geförderten Programms zur Frage „Wie geht das neue WIR?“. „Zwischen dem Wir und dem Individuum kommt es in der Genderdiskussion zu einer neuen Konstellation“, betont Frank Degler, Leiter von zeitraumexit und Kurator des Themenbereichs „Männlichkeiten“, auf den zeitraumexit im Oktober und im November den Fokus lenkt. „Das Individuum hat zwar die freie Wahl, als was es sich identifiziert, aber es identifiziert sich immer mit einer Gruppe.“
  • zeitraumexit mannheim Heinrich Horwitz amazone rising
    Nicht binär – Die Berliner Künstler*in Heinrich Horwitz ist bei zeitraumexit zu Gast.
Unter dem Obergriff „Männlichkeiten“ richtet Degler den Blick auf ein weites Spektrum — angefangen bei nichtbinären Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen, bis hin zu neurechten Männerbünden und ihren Ritualen. Zu Ersterem passt das Gastspiel der Künstler*in Heinrich Horwitz. Weder Mann noch Frau, weder Schauspieler noch Schauspielerin, versteht sich Horwitz als nichtbinäre Persönlichkeit und empfindet es als einen Akt der Gewalt, andere Menschen mit einem Geschlecht zu belegen. In Mannheim präsentiert die Künstler*in die Performance „AMAZONE RISING“, die in Berlin auf dem Alexanderplatz uraufgeführt wurde. Horwitz inszeniert sich dabei als Kriegerprinz*essin.

Die Kunst der Kotekas

Unter dem Titel „Koteka Impressions“ hat der Finne Kenneth Bamberg in der Mannheimer Galerie Port 25 bereits seine skurrilen Fotografien ausgestellt. Darauf zeigt er nackte Männer, die überdimensional lange Penishüllen tragen. Diese Kotekas gehören in einigen Gegenden Melanesiens, Afrikas und Südamerikas zur Tradition. Für seine Reihe hat der Künstler Männer aus seiner Heimat aufgefordert, solche Penisfutterale zu gestalten und sich damit fotografieren zu lassen. In einem Workshop von zeitraumexit hat das Publikum nun die Gelegenheit, unter Anleitung von Bamberg ebenfalls solche Objekte anzufertigen.

Geplant ist zudem ein Liederabend von Max(ine) Aschenbrenner. Humorvoll befasst er sich mit Männlichkeitsgesten, analysiert Queerness und Schwulsein. Dabei verbindet er Identitätspolitik mit klassischen sozialistischen Theorien, stellt die Selbstbezogenheit der solidarischen Internationalität gegenüber. Im Dezember dreht sich im Mannheimer Künstler*innenhaus alles um das Thema „Weiblichkeit“. Zu Beginn des Jahres 2023 geht es dann um die bunten Facetten von Queerness. ‹


wir* — beyond m/w/d
Oktober 2022 bis Januar 2023
zeitraumexit, Mannheim
www.zeitraumexit.de

Bildnachweis:
Tucké Royale

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zeitraumexit ist ein Ort der Öffnung und gibt der Neugier und dem interessierten Hinterfragen Raum. Im Fokus stehen das aktuelle Geschehen, aktuelle Tendenzen und Strömungen in der Gesellschaft und wie Künstler mit dieser komplexen Welt umgehen. Dabei geht es sicher nicht um Antworten oder Wahrheiten, sondern vielmehr die Suche und das gemeinsame Befragen. Dabei lässt sich zeitraumexit nicht auf eine bestimmte Kunstform festlegen.Vielmehr stehen die Möglichkeiten im Mittelpunkt, die aktuelle Künste jenseits des Mainstreams anbieten, um Prozesse und Phänomene unserer Gesellschaft zu erforschen. Genau diese Freiheit ermöglicht es, ein Programm zu zeigen, das eine Auseinandersetzung von Kunst und Gesellschaft, deren Wechselwirkungen, Abhängigkeiten und Möglichkeiten wagt.
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