Mannheimer Sommer

„Ein Fest ist gelebte Utopie“

Herr Dvořák, die aktuelle Situation führt ja momentan eher zu Depressionen. Dennoch soll das Feiern beim Mannheimer Sommer Programm sein. Wie ist es zu dieser Entscheidung gekommen?
Wir wollten einen Gegenakzent setzen. Die derzeitige Krisenstimmung, die ich auch stark empfinde, darf nicht dazu führen, dass man vergisst, worum es eigentlich geht: um Freude, um Verbindung, um gutes Leben. Die „Feier“ verstehen wir politisch: Ein Fest ist gelebte Utopie für eine Nacht. Wir tragen sie als Appell zurück in den Alltag. Anders wäre unerklärlich, warum zu allen Zeiten und in allen Ländern Rituale und Feiern zum Kern von Kultur gehören.

Bedeutet dies auch, dass Sie in diesem Jahr keine digitalen Angebote machen?
Wir werden auch digitale Angebote machen. Doch es ist schon so, dass wir uns sehr auf den persönlichen Kontakt freuen! Theater ist das gemeinsame Erleben. Dazu möchten wir alle einladen.

Warum ist Ihnen der direkte Kontakt so wichtig?
Direkter Kontakt zwischen Menschen scheint tatsächlich durch Digitalisierung und Ängste auf dem Rückzug zu sein, doch das tut der sozialen Tierart „Mensch“ nicht gut. Es gibt kein besseres Mittel gegen das Gefühl von Sinnlosigkeit und Einsamkeit, als gemeinsam zu genießen, zu diskutieren, zu feiern. Dafür wollen wir Anlässe schaffen.

Welche Gefahren sehen Sie im Rückzug?
Die Gefahr ist offensichtlich. Es gibt viele Leute, die sich der Auseinandersetzung mit anderen nicht mehr stellen — und sich abschotten. Im Netz lassen sie sich von auf sie zugeschnittenen Infohäppchen berieseln. Kennen Sie das nicht, dass Sie plötzlich von unterschiedlichsten Menschen ein einheitliches Statement zu einer bestimmten Frage gesagt bekommen? Ich ahne dann, dass wieder irgendetwas viral gegangen ist. Die politische Beeinflussung und Lagerbildung ist mit den Händen zu greifen. Aber Demokratie basiert darauf, dass man unterschiedlicher Meinung ist und sich trotzdem respektiert. Und vielleicht dieselbe Musik hört oder im selben Theaterstück sitzt. Plurale Gemeinschaften zu schaffen, ist für mich das politische und künstlerische Thema der Stunde.

Können Sie besondere Programmpunkte zum Thema „Fest“ nennen?
Davon gibt es einige. Wir feiern ja selbst gerne … (lacht) Auch in unserer Festivalpremiere „Don Giovanni“ wird eigentlich unablässig gefeiert — es braucht eine ganze Oper, um den titelgebenden Schurken zu stellen, seine Party zu beenden und ihn in die Hölle zu schicken. Davon ausgehend werden wir zum Beispiel eine eigene Produktion zeigen, in der Mozarts Musik für ein kraftvolles, gemeinsames Tanzritual genutzt wird. Oder einen inszenierten Maskenball veranstalten. Außerdem werden wir in mehreren Konzerten untersuchen, wie sich klassische Orchesterbesetzungen zum Feiern eignen — die beliebte „Orchesterkaraoke“ ist da nur das Paradestück. Mit einem Wort: Es wird diesmal sehr sinnlich, körperlich, sommerlich!

Der Schwetzinger Schlossgarten steht für sich schon für sinnlichen Überschwang. Sind dort besondere Aktionen geplant?
Dieser Schlossgarten ist ein Phänomen. Man kommt dort hin, abgehetzt, zerstreut, missgelaunt. Dann betritt man den Park und alles ändert sich. Man spürt körperlich, wie Symmetrie und Schönheit einen aufrichten. Insofern werden wir überall im Schlossgarten Konzerte und Performances anbieten, Audiowalks und Klanginstallationen. Der Park ist ein fantastischer Gastgeber!

Welche weiteren Veranstaltungsorte wird es geben?
Wir sind im Schlosstheater, in den Zirkelbauten, in den Tempeln des Parks. Aber wir haben auch einen Fuß in Mannheim: Die Gewinnerin des Kompositionswettbewerbes vom Mannheimer Sommer 2020, die Argentinierin Cecilia Arditto, wird ihre Kammeroper „Der Fremde“ nach Albert Camus im Studio Werkhaus uraufführen. Das wird ein eigener kleiner, hochspannender Themenschwerpunkt …


Mannheimer Sommer
Internationales Festival für Musik und Theater von Mozart bis heute
27. Juni bis 07. Juli 2024
Schwetzinger Schloss und Schlossgarten, Studio Werkhaus Mannheim
www.nationaltheater-mannheim.de
Bildnachweis:
Christian Kleiner

Mannheimer Sommer

Der Mannheimer Sommer möchte — in Fortsetzung des erfolgreichen „Mannheimer Mozartsommers“ — den Blick noch weiter öffnen möchte auf die Fülle dessen, was die europäische Kultur hervorgebracht hat — und weiterhin hervorbringt! Gastspiele aus dem erweiterten Musiktheaterbereich ergänzen diese große Eigenproduktion: Performance, Tanz, Neue Musik, inszenierte Konzerte. Unterschiedliche Stile sind gefragt: vom klassischen Lied über Weltmusik bis zum Pop kann alles zur Grundlage für neuartige Musiktheaterabende werden.
TerminDO 27. Juni bis SO 07. Juli 2024
AdresseNationaltheater Mannheim // Goetheplatz // 68161 Mannheim //
Kartentelefon: 0621 1680-150 // E-Mail: nationaltheater.kasse@mannheim.de
SpielorteNationaltheater Mannheim & Schloss Schwetzingen
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