Kurpfälzisches Museum Heidelberg

Stell dir vor

› Imagine — Stell dir vor, John Lennon wäre am 8. Dezember 1980 nicht von einem verwirrten Mann namens Mark David Chapman erschossen worden. Das ehrwürdige Nobelpreiskomitee hätte 2016 möglicherweise zwei Pop-Stars bedacht. Neben Bob Dylan wäre auch John Lennon nach Stockholm eingeladen worden — für seine Friedensmission. Denn eines ist sicher: Nur wenige haben die Botschaft von „Peace and Love“ so überzeugend verkörpert wie er.

Als eigenwilligen Akt des Protests inszenierte er sich sogar in der Jacke eines angeblichen Vietnam-Veteranen. Das Beutestück lässt sich jetzt in der Ausstellung „Imagine John Lennon“ begutachten. Gleichzeitig wird ein kleiner Schwindel enthüllt. „Die Aufnäher verraten, dass dessen früherer Besitzer nicht im Vietnamkrieg, sondern im Koreakrieg gedient haben muss“, erklärt Kurator Jürgen Doppelstein, der diese Schau ursprünglich für das Ernst-Barlach-Museum in Hamburg konzipiert hat.
Der Ausstellungsmacher hat sich an die Fersen von John Winston Lennon, geboren am 9. Oktober 1940 in Liverpool, geheftet und stellt die Frage, ob sich (Universal-)Künstler und Mythos überhaupt noch trennen lassen. Letzterer rankt sich bereits um den wilden jungen Mann mit der komischen Frisur, als er Anfang der 1960er-Jahre in schummerigen Clubs Gitarre spielt und zusammen mit Paul, George und Pete, der später durch Ringo ersetzt wird, „Yeah Yeah Yeah“ singt.

In 14 Kapiteln beschreibt die Ausstellung das vielseitige musikalische und künstlerische Talent Lennons, das sich schon in jungen Jahren zeigt. Der kleine John lernt nicht nur verschiedene Musikinstrumente, er beeindruckt seine Umgebung auch durch Parodien, Nonsens-Texte, Karikaturen, Gedichte und Kurzgeschichten. Seine Kinderzeichnungen präsentiert er auf dem Umschlag einer Langspielplatte und bittet darum, sie sorgfältig aufzuheben, denn eines Tages werde er berühmt sein.

Vom Rock ’n’ Roll gepackt

Tatsächlich erfüllt sich diese Prophezeiung schneller als gedacht: Nach einem Kunststudium von 1957 bis 1960 packt Lennon der Rock ’n’ Roll. Ende der 1950er-Jahre gehen aus einer Reihe von Vorläufergruppen die „Silver Beatles“ hervor. Der häufig auch spielerische Humor des intelligenten und informierten Gymnasiasten prägt die Musik der Gruppe. Zusammen mit Paul McCartney bildet er über zehn Jahre die bekannteste und fruchtbarste Komponistenpartnerschaft der Popmusik und den Kern der inzwischen als „Beatles“ weltberühmten Gruppe.

Ein wichtiger Wegbegleiter in dieser Zeit ist die Epiphone Casino. Lennon kauft sich die E-Gitarre im Frühjahr 1966 und spielt sie auch beim letzten Live-Auftritt der Beatles 1969 in London — auf dem Dach des Gebäudes ihres eigenen Mischkonzerns Apple Corps. Das Original-Instrument gehört Lennons Witwe Yoko Ono und befindet sich als Leihgabe im John-Lennon-Museum in Tokio. Daher ist nicht sie, sondern die aktuelle Casino von Epiphone im Kurpfälzischen Museum zu sehen.
Die Etappen vom überschwänglichen Pop der frühen Jahre bis zu den späteren Friedenshymnen rekonstruiert „Imagine John Lennon“ mehr als 36 Jahre nach dessen Tod detailgenau. Dabei werden Lennons Offenheit, seine Unbeugsamkeit und sein besonderes politisches Sendungsbewusstsein deutlich. Sowohl mit den Beatles als auch später als Solist und zusammen mit Yoko Ono verändert er die Popkultur, indem er Musik mit Kunst und Politik verbindet.

Wie gerne er dabei provozierte, zeigt auch die Bag-One-Folge, die er seiner Frau, der japanischen Avantgardekünstlerin Yoko Ono, als Hochzeitsgeschenk zeichnete
und die jetzt in Heidelberg zu sehen ist. Wegen erotischer Motive musste deren öffentliche Präsentation mehrmals vorzeitig abgebrochen werden. Lennon stellt in dieser Reihe auch Szenen der Heirat mit Ono auf Gibraltar und eine anschließende Aktion in Amsterdam dar: Im noblen Hilton in der niederländischen Metropole hält das frisch vermählte Paar eine Woche lang Hof: weiß gekleidet in einem weiß bezogenen Bett. Das Happening geht als „Bed-in“ in die Pop-Geschichte ein. Unter dem Motto „Hair Peace. Bed Peace“ geben Lennon und Ono vom Bett aus Interviews, um ein Zeichen für den Frieden zu setzen.

Drei Sekunden Stille

Nach Drogenentzug und Urschreitherapie beziehen John Lennon und Yoko Ono im April 1973 ein Appartement im Dakota Building in der 72. Straße in New York. Dort rufen sie den fiktiven Staat „NUTOPIA“ aus, ein Land, das weder Grenzen noch Pässe kennt. Die Nationalhymne „NUTOPIAs“ besteht aus drei Sekunden Stille und ist auf dem Lennon-Album „Mind Games“ zu hören. Genau vor jenem Dakota Building zückt Mark David Chapman in den späten Abendstunden des 8. Dezember 1980 seine Pistole und erschießt den Menschen, der wie kein Zweiter die Popgeschichte geprägt hat. Stunden zuvor hatte Lennon seinem Mörder noch sein aktuelles Album „Double Fantasy“ signiert. Dieser letzten Station im Leben von John Lennon widmet die Ausstellung ein ganzes Kapitel. ‹


Imagine John Lennon
16. März bis 25. Juni 2017
Kurpfälzisches Museum, Heidelberg
Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
www.museum-heidelberg.de

Kurpfälzisches Museum

Kunst und Kultur in der Heidelberger Altstadt bietet das Kurpfälzische Museum. Mit seinen vielfältigen Beständen und deren Schwerpunkten Archäologie, Gemälde und Grafiik, Kunsthandwerk und Stadtgeschichte lädt es zu einer faszinierenden Entdeckungsreise ein, von den ersten Siedlungsspuren im Rhein-Neckar-Raum bis zu Werken der Klassischen Moderne von Beckmann, Slevogt und Corinth. Die kostbaren Bestände des Kunsthandwerks — Silber, Porzellan und Möbel — können im historischen Palais Morass bewundert werden, der „Windsheimer Zwölfbotenaltar“ von Tilman Riemenschneider in einer Sonderpräsentation.
TerminDO 16. März bis SO 25. Juni 2017
AdresseKurpfälzisches Museum // Hauptstraße 97 // 69117 Heidelberg // Telefon: 06221 58–34020 // E-Mail: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
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