› Eine lange Tafel, darauf dampfende Töpfe, Teigschüsseln, Pfannen und andere Küchenutensilien. Gleich wird geschnippelt, geknetet und geschält. Dass es sich um kein öffentliches Kochstudio handelt, klärt sich schnell auf. Die Akteure in lockerer Freizeitkleidung kochen, reden, lachen und trinken nicht nur, sondern sie tanzen und hüpfen auch oder drehen sich gekonnt um die eigene Achse. „Beytna“, was auf Libanesisch „eine Einladung nach Hause“ heißt, ist ein heiterer Abend, bei dem der Beiruter Choreograf Omar Rajeh, der Belgier Koen Augustijnen, der Afrikaner Anani Sanouvi und der Japaner Hiroaki Umeda einander erklären, was zeitgenössischer Tanz für sie bedeutet.
Möglich wurde das Projekt unter anderem durch die Festspiele Ludwigshafen, die als Koproduzenten fungieren und es erstmals in Deutschland zeigen. „Die Aufgabe eines Festivals ist es auch, Besonderes zu unterstützen“, betont Kurator Honne Dohrmann. Der Experte hat als Leiter von Festivals in Hamburg, Bremen und Oldenburg viel Erfahrung gesammelt und ist derzeit Direktor der Tanzsparte des Staatstheaters Mainz. Er weiß, dass Omar Rajeh in seinem Zentrum für zeitgenössischen Tanz im Libanon mit wenigen Mitteln improvisieren muss. In der arabischen Welt sind die Auftrittsmöglichkeiten rar, sodass sich deren Künstler ästhetische Impulse aus dem Westen holen, etwa aus der belgischen Szene um Alain Platel oder Anne Teresa De Keersmaeker.Folklore, Capoeira, Hip-Hop und ArtistikDiese Tanztechniken verbinden sie häufig mit lokalen Themen und Traditionen wie in „Badke“, das ebenfalls in Ludwigshafen zu sehen ist. Der Titel spielt auf „Dabke“ an, einen palästinensischen Volkstanz. Choreografen des Ensembles „Les Ballets C de la B“ haben mit Tänzerinnen und Tänzern aus Palästina diese Show entwickelt, die Folklore mit Capoeira, Hip-Hop, Zirkusartistik und vielen anderen Elementen kombiniert.Die israelische Tanzszene ist für ihre extreme Körperlichkeit bekannt — auch aus den Stücken der gefeierten Choreografin Sharon Eyal spricht die pure Energie, die „stärker als ein Tsunami ist“, wie die israelische Tageszeitung „Haaretz“ über ihr aktuelles, in Ludwigshafen gastierendes Stück „OCD Love“ geschrieben hat. OCD steht für „obsessive-compulse-disorder“, also Zwangsstörung, und handelt von der Unmöglichkeit zu lieben. Diese Gemütslage kulminiert bei Eyal in abrupten und repetitiven Bewegungen zu Sounds, in denen sich epische Klangwogen und harter Techno vermischen. Ihr Partner, mit dem sie die international gefragte Kompagnie L-E-V gegründet hat, ist Gai Behar, ein früherer Veranstalter von Underground-Events, Raves und Partys. „Vom Ballett befreit strahlen Eyals Tänzer eine große Emotionalität aus“, sagt Dohrmann.Mozart mit HummusFaszinierende Geschichten erzählen, emotional berühren und mit dem Publikum in Kontakt treten — diese Aspekte sind dem Kurator wichtig. „Ich finde Tanzproduktionen interessant, die über die reine Ästhetik hinaus auch inhaltlich etwas erzählen.“ Eine solche soziale Choreografie ist die Performance von Hillel Kogan aus Tel Aviv, der wie Sharon Eyal aus dem Umfeld der israelischen Tanzikone Ohad Naharin kommt. Warum ist es für den linksliberalen, aufgeklärten Kogan so schwierig, den (Tanz)-Raum mit einem Araber zu teilen? In der Choreografie „We Love Arabs“ wagt er ein Duett mit dem Kollegen Adi Boutrous, einem arabischen Christen. Die Produktion ist eine humorvoll-provokative Annäherung an das brisante Thema. Zum Schluss teilen sich Tänzer und Publikum zu Mozart-Klängen Brot und Hummus, jene orientalische Spezialität, die sowohl Israeli als auch Araber lieben. Schon wieder eint das Essen.
Das tänzerische Erbe der Großeltern erweckt indes die südkoreanische Choreografin Eun-Me Ahn zu neuem Leben. Für „Dancing Grandmothers“ reiste sie durch ihre Heimat und bat Seniorinnen, vor der Kamera wie früher zu tanzen. Auf der Grundlage der Videos entwickelte sie mit ihrer Compagnie ein Stück. Der Clou: Eun-Me Ahn konnte
die Rentnerinnen dazu überreden, mit auf Europa-Tournee zu gehen. In Frankreich landete die Produktion Riesenerfolge, in Ludwigshafen gibt es nun die Deutschland-Premiere.Neben experimentellen Performance-Projekten hat „Mighty Moves“ große Tanzabende zu bieten — wie ein Gastspiel von Israel Galván, dem Dekonstrukteur und Neuerfinder des Flamencos, oder auch die Choreografien des Aterballetto Reggio Emilia, einem führenden italienischen Ensemble. Beide haben bereits in Ludwigshafen gastiert. Auch das lässt sich als Brückenschlag zum Publikum verstehen — ein wichtiges Anliegen von „Mighty Moves“. ‹
die Rentnerinnen dazu überreden, mit auf Europa-Tournee zu gehen. In Frankreich landete die Produktion Riesenerfolge, in Ludwigshafen gibt es nun die Deutschland-Premiere.Neben experimentellen Performance-Projekten hat „Mighty Moves“ große Tanzabende zu bieten — wie ein Gastspiel von Israel Galván, dem Dekonstrukteur und Neuerfinder des Flamencos, oder auch die Choreografien des Aterballetto Reggio Emilia, einem führenden italienischen Ensemble. Beide haben bereits in Ludwigshafen gastiert. Auch das lässt sich als Brückenschlag zum Publikum verstehen — ein wichtiges Anliegen von „Mighty Moves“. ‹
Festspiele Ludwigshafen
Die Festspiele Ludwigshafen sind eine feste Größe im Programm des Theaters im Pfalzbau. Jedes Jahr im Herbst präsentieren sie Schauspiel- und Tanzaufführungen auf höchstem Niveau. Neben einem hochkarätigen Tanzprogramm, das von einem externen Kurator oder einer Kuratorin ausgewählt wird, steht bei den Festspielen auch alljährlich eine renommierte deutschsprachige Bühne im Fokus, die sich mit mehreren Gastspielen in Ludwigshafen präsentiert. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem das Wiener Burgtheater, die Münchener Kammerspiele oder das Deutsche Schauspielhaus Hamburg mit ihren Inszenierungen zu Gast.
TerminFR 14. Oktober bis SO 04. Dezember 2016
AdressePfalzbau Bühnen // Berliner Straße 30 // 67059 Ludwigshafen // Kartentelefon: 0621 5042558 // E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de
SpielortePfalzbau Bühnen