› Die sieben Darsteller tragen helle Langhaar-Perücken, die aussehen wie voluminöse Schneeberge. Die Bewegungen der Akteure folgen scheinbar religiösen Riten. Mit solch assoziativen Bildern setzt der junge Regisseur Ersan Mondtag den Roman „Schnee“ von Nobelpreisträger Orhan Pamuk auf der Bühne des Thalia Theaters um. Doch die Inszenierung in Gestalt eines postmodernen Mysterienspiels erzählt den Roman nicht einfach nach. Die Geschichte des Dichters Ka, der für eine Reportage über Selbstmorde kopftuchtragender Frauen ins ostanatolische Kars zurückkehrt, bricht Mondtag in Themenkomplexe auf. Mit dieser Bühnenadaption eröffnen die diesjährigen Festspiele Ludwigshafen und zugleich das Themenwochenende „Offene Welt“.
„Schnee“ ist eine von sechs Produktionen des renommierten Hamburger Theaters, die in Ludwigshafen zu erleben sein werden. Die Werkschauen sind ein neues Element der Festspiele, das der Intendant der Pfalzbau Bühnen, Tilman Gersch, in der vergangenen Saison etabliert hat. „Durch die geballte Ladung außergewöhnlicher Inszenierungen mit demselben Ensemble wollen wir unserem Publikum ein Gefühl von Kontinuität vermitteln“, betont Gersch. „Die Besucher der Festspiele haben Gelegenheit, die aktuellen Produktionen eines der renommiertesten deutschsprachigen Theater kennenzulernen.“ Versuchslabor des deutschen TheatersMit seinem innovativen Ansatz gilt das Thalia Theater als Versuchslabor des deutschen Theaters. Dieses Versprechen löst auch Jette Steckel ein. Sie gehört zu den gefragtesten Nachwuchsregisseurinnen in Deutschland. Mit ihrer ungewöhnlichen Interpretation von Shakespeares „Romeo und Julia“ hat sie auch den Nerv des jungen Theaterpublikums getroffen. Ihren Schauspielern stellt die Newcomerin vierzig Jugendliche und zwei Musiker zur Seite. Dafür erhielt Jette Steckel 2015 den Theaterpreis „FAUST“. Der Hausregisseur des Thalia Theaters Antú Romero Nunes gastiert bei den Festspielen mit der „Dreigroschenoper“. Das populäre Stück des Übervaters Bertolt Brecht beackert er mit dessen eigenen Mitteln — mit Distanzierung und Ironie. Alle Darsteller treten mit Arbeitsanzug und Schiebermütze auf, also im typischen Brecht-Outfit. Ein besonderes Highlight dürfte das Gastspiel von „Faust 1“ in der Regie des Erneuerers Nicolas Stemann sein. Die Inszenierung wurde zum Berliner Theatertreffen und zum Festival d’Avignon eingeladen — mehr Ehrungen sind kaum möglich. Gespannt kann man auch auf Samuel Becketts Klassiker „Warten auf Godot“ sein, dem Stefan Pucher ein zeitgemäßes Update verpasste. „Ein schöner Theaterglücksschmerz“Ebenfalls zu sehen ist in Ludwigshafen „Späte Nachbarn“, bei dem der lettische Regisseur Alvis Hermanis zwei Episoden des großen jiddischen Geschichtenerzählers und Nobelpreisträgers Isaac B. Singer auf die Bühne bringt. „Ein schöner Theaterglücksschmerz, der sich im Zuschauerkopf festsetzt“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung über die Inszenierung, die auch die Kriterien von Intendant Gersch für die Werkschau erfüllt: „Alle eingeladenen Inszenierungen sind ein klarer Kommentar zu unserer Zeit.“
‹
Festspiele Ludwigshafen
Die Festspiele Ludwigshafen sind eine feste Größe im Programm des Theaters im Pfalzbau. Jedes Jahr im Herbst präsentieren sie Schauspiel- und Tanzaufführungen auf höchstem Niveau. Neben einem hochkarätigen Tanzprogramm, das von einem externen Kurator oder einer Kuratorin ausgewählt wird, steht bei den Festspielen auch alljährlich eine renommierte deutschsprachige Bühne im Fokus, die sich mit mehreren Gastspielen in Ludwigshafen präsentiert. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem das Wiener Burgtheater, die Münchener Kammerspiele oder das Deutsche Schauspielhaus Hamburg mit ihren Inszenierungen zu Gast.
TerminFR 14. Oktober bis SO 04. Dezember 2016
AdressePfalzbau Bühnen // Berliner Straße 30 // 67059 Ludwigshafen // Kartentelefon: 0621 5042558 // E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de
SpielortePfalzbau Bühnen