Wilhelm-Hack-Museum

Mensch und Tier

› „Sie werden weinen. Sie werden sich fragen, ob gegrillter Oktopus in Ihrem Leben noch einen Platz hat. Sie werden zweifeln, ob Menschen wirklich schlauer sind als achtarmige Tintenfische, die mit jedem Tentakel denken und fühlen. Und eventuell werden Sie sogar erwägen, Ihr eigenes Leben und Ihren Blick auf die Natur zu verändern“, schrieb die ZEIT-Autorin Dagny Lüdemann über den Überraschungs-Netflix-Hit „Mein Lehrer, der Krake“. Der Film, in dem sich der südafrikanische Filmemacher Craig Foster mit einem Kraken anfreundet, gewann 2021 sogar den Oscar für den besten Dokumentarfilm. Um diesen Perspektivwechsel, um eine grundsätzliche Neujustierung von Mensch-Tier-Beziehungen geht es auch den Macher*innen der Gruppenausstellung „Denken wie ein Oktopus, oder: Tentakuläres Begreifen“.

Ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe mit anderen Lebewesen dieser Erde nimmt die Schau in der Rudolf-Scharpf-Galerie auf künstlerische Weise in den Blick. „Lange Zeit grenzte sich der Mensch von Tieren ab, da angeblich nur Menschen abstrakt denken und sprechen können. Aber viele wissenschaftliche Studien beweisen längst das Gegenteil und zeigen, dass die meisten Tiere über komplexe Sprachstrukturen verfügen“, erklärt Kuratorin Julia Katharina Thiemann. Auch in der Ludwigshafener Schau wird der Oktopus eine wichtige Rolle spielen, denn dieser ist Sinnbild des diskursiven Wandels. „Sein Gehirn ist nicht nur im Kopf, sondern auch in seinen acht Armen verortet und somit sind Denken und Fühlen, Begreifen und Analysieren stärker verknüpft als in unserem Cartesianischen Weltbild“, so Thiemann. Zentrale Fragen, denen die Ausstellung in diesem Zusammenhang nachgehen möchte, lauten: Sind die Sprachen von Tieren tatsächlich so anders als menschliche Sprachen, die wir auch erst erlernen müssen? Mit wem reden wir heutzutage eigentlich wie und worüber? Wer wird überhaupt gehört und wer hat ein Mitspracherecht?
  • Verstehst du mich? – Der schwedische Künstler Erik Bünger hinterfragt mit einem Video der mit Gebärden kommunizierenden Gorilladame Koko unser Verständnis von Sprache. Erik Bünger: Nature See You, 2020, Filmstill
  • Was sagt der Hund? Krõõt Juurak and Alex Bailey: Performances for Pets, Kunstmuseum Ravensburg, Fotograf (c) Wynrich Zlomke
Ausgehend von Theorien der Philosophin Donna J. Haraway betrachten die von BASF Tor 4 geförderte Ausstellung und die dazugehörige Publikation den Wandel im Verhältnis zwischen Mensch und Tier in zahlreichen Arbeiten internationaler Künstler*innen. So performt das Künstlerduo Krõõt Juurak und Alex Bailey speziell für Hunde, um ihnen Aufmerksamkeit für ihre tägliche Care-Arbeit zurückzugeben. Der Schwede Erik Bünger hinterfragt unser Verständnis von Sprache, indem er ein Video der mit Gebärden kommunizierenden Gorilladame Koko künstlerisch analysiert. Und David Horvitz lädt dazu ein, mit Krähen ins Gespräch zu kommen. „Auf vielfältigen Ebenen werden der Paradigmenwechsel im Tier-Mensch-Verhältnis reflektiert und Fragen nach unserem Zusammenleben im Post-Anthropozän mit künstlerischen Arbeiten in den Raum gestellt“, verrät Thiemann. Humorvoll, sinnlich und tiefgreifend werden wissenschaftliche Erkenntnisse mit geisteswissenschaftlichen Haltungen verbunden und in Beziehung zu künstlerischen Arbeiten gesetzt, die für ein respektvolles Miteinander plädieren und Tiere als denkende, fühlende und mit uns sprechende Gefährt*innen begreifen. ‹

Denken wie ein Oktopus, oder: Tentakuläres Begreifen
bis 9. Januar 2022
Rudolf-Scharpf-Galerie, Hemshofstraße 54, Ludwigshafen
Freitag bis Sonntag & Feiertage 11–18 Uhr
www.wilhelmhack.museum
Bildnachweis:
Monira Al Qadiri: Divine Memory, 2019, Filmstill

Wilhelm-Hack-Museum

Wahrzeichen des Wilhelm-Hack-Museums ist seine Keramikfassade, die Joan Miró 1980 gestaltete. Heute gilt das Haus als das wichtigste Museum für die Kunst des 20. und 21.Jahrhunderts in Rheinland-Pfalz. Seine Schwerpunkte liegen auf der Klassischen Moderne, aber auch auf der konstruktiv-konkreten Kunst nach 1945. Profilierte Sonderausstellungen, Workshops und ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm machen das Museum zu einem kulturellen Zentrum von Ludwigshafen.
AdresseWilhelm-Hack-Museum // Berliner Straße 23 // 67059 Ludwigshafen // Telefon 0621 5043045 // E-Mail: hackmuseum@ludwigshafen.de
ÖffnungszeitenDienstag, Mittwoch & Freitag 11–18 Uhr // Donnerstag 11–20 Uhr // Samstag, Sonntag & Feiertage 10–18 Uhr
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