› Frau Marinić, Sie haben das Interkulturelle Zentrum (IZ) in Heidelberg aufgebaut und zehn Jahre geleitet. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, diese Arbeit hinter sich zu lassen und zu den Heidelberger Literaturtagen zu wechseln?
Es fiel mir nicht schwer, weil ich das IZ an einen Punkt gebracht habe, an dem es sich in Heidelberg etabliert hat. In der Corona-Zeit wurde mir klar, dass ich selber nochmal etwas anderes machen möchte. Und dass es die Literaturtage sind, freut mich sehr, weil ich dadurch Heidelberg verbunden bleibe und die Literatur wieder im Fokus steht.Wie sind Sie selbst mit den Literaturtagen in Berührung gekommen?
Das war Zufall. Zeruja Shalev musste 2001 ihre Lesung absagen, und ich wurde gefragt, ob ich mit meinem Erstlingsband „Eigentlich ein Heiratsantrag“ einspringen würde. Es herrschte diese außergewöhnliche, sonntägliche Lesezelt-Atmosphäre, auch durch das schöne Reden und Rauschen im Anschluss — es war ein besonderer Tag für mich.Sie haben als Autorin literarischer Texte angefangen, in den letzten Jahren aber mehr als Essayistin und politische Kommentatorin gewirkt. Inwieweit wird sich diese Seite nun auch bei den Literaturtagen abbilden?
Fiktion verlangt ein anderes Abtauchen, das war beim Aufbau eines Zentrums für eine Stadt mit so vielen zivilgesellschaftlichen Vereinen schwierig. Aber ich habe nie aufgehört, literarisch zu schreiben und insbesondere Gegenwartsliteratur zu lesen. Grundsätzlich sehe ich keine Konkurrenz zwischen Literatur und Politik. Es sind zwei sehr unterschiedliche Welten, die aber im Dialog stehen. Literatur wähle ich danach aus, ob die Geschichten gut erzählt, die Figuren komplex sind und der Stil überzeugend ist. Wer etwa einen Roman aus dem Iran liest, selbst wenn der eine Liebesgeschichte erzählt, denkt die politischen Bedingungen meist mit. Für ein Festival ist diese Art der Nähe zu Ereignissen der Gegenwart natürlich wichtig.„Literatur wähle ich danach aus,
Welche Neuerungen dürfen die Besucher*innen erwarten?
Ich wollte die Chance nutzen, das Festival, das ja nächstes Jahr 30. Geburtstag feiert, zu erneuern, ihm ein neues Gesicht geben, ein neues Corporate Design, einen anderen Auftritt. Wir als Festivalteam wollen spielerisch in die Zukunft gehen. Daher die Umbenennung in feeLit — Internationales Literaturfestival Heidelberg. Ich konnte die Uni Heidelberg als Kooperationspartnerin gewinnen. Das Zelt auf dem Uniplatz bleibt zwar Dreh- und Angelpunkt, es gibt nun aber nun auch die Möglichkeit, größere Lesungen in den Räumen der Universität zu veranstalten. Ebenfalls neu: eine lange Nacht der Heidelberger Autorinnen und Autoren, ein Lesemarathon, bei dem sich die regionale Szene präsentiert. Mein Wunsch ist es, dem Publikum von mittags bis nachts spannende Literatur zu bieten, in der Hoffnung, dass die Literaturtage wirklich als zusammenhängendes Festival wahrgenommen werden, bei dem man jeden Tag dabei sein möchte. Probieren Sie auch andere Formate aus?
Es wird etwa eine Aufzeichnung eines beliebten Podcasts geben, mit einem Autor als Gast beim Moderatorenduo. Daneben aber selbstverständlich viele klassische Lesungen. Ich schreibe — anders als manche Kulturmanager — das traditionelle Lesungsformat nicht ab. Oft ist beim Publikum ein großes Bedürfnis zu spüren, Autor*innen und deren Bücher in konzentrierter Form zu erleben. Eine Lesung ist eine Möglichkeit, sich intensiv auf einen Text und damit auf sich selbst und Unbekanntes einzulassen. Mein Wunsch ist, dass die Autor*innen durch ihre Bücher in einen Dialog treten mit dem Publikum und dass sich die verschiedenen Lesungen im Kopf verbinden. Durch das Erleben der Vielfalt der literarischen Werke verändert sich der Blick auf die Welt. Nicht zuletzt dadurch wird Lesen auch zum politischen Akt.„Eine Lesung ist eine Möglichkeit,
Das klingt ehrgeizig.
Das hoffe ich (lacht). Je besser es mir als Kuratorin gelingt, zu zeigen, wie spannend, wie reizvoll, wie lustvoll und gegenwärtig der Umgang mit Literatur ist, desto eher kann dieser Funke auf unterschiedliche Publikumsgruppen, auf unterschiedliche Milieus überspringen. Ich wünsche mir sehr, den Kreis der Gäste und Zuhörer*innen auszuweiten — regional, aber auch international, nicht zuletzt durch die Auswahl der Autor*innen. So wird dieses Jahr, nur ein Beispiel, die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe zu Gast sein und aus ihrem literarischen Werk lesen.Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich darauf, dass die Stadt fünf Tage aus der Literatur heraus leuchtet, dass die Schriftsteller*innen auf ein literaturhungriges und -durstiges Publikum treffen, dass wir auf dem Uniplatz in ein angeregtes Gespräch kommen über Bücher, dass unser Publikum berührt und die Autor*innen erfüllt sind. Bei mir herrscht gerade ein angenehmes Fieber, ein aufregendes, leidenschaftliches Fiebern für die Literatur. ‹
feeLit — Internationales Literaturfestival Heidelberg
28. Juni bis 02. Juli 2023
Spiegelzelt auf dem Uniplatz und Universität
www.feelit.de
Es fiel mir nicht schwer, weil ich das IZ an einen Punkt gebracht habe, an dem es sich in Heidelberg etabliert hat. In der Corona-Zeit wurde mir klar, dass ich selber nochmal etwas anderes machen möchte. Und dass es die Literaturtage sind, freut mich sehr, weil ich dadurch Heidelberg verbunden bleibe und die Literatur wieder im Fokus steht.Wie sind Sie selbst mit den Literaturtagen in Berührung gekommen?
Das war Zufall. Zeruja Shalev musste 2001 ihre Lesung absagen, und ich wurde gefragt, ob ich mit meinem Erstlingsband „Eigentlich ein Heiratsantrag“ einspringen würde. Es herrschte diese außergewöhnliche, sonntägliche Lesezelt-Atmosphäre, auch durch das schöne Reden und Rauschen im Anschluss — es war ein besonderer Tag für mich.Sie haben als Autorin literarischer Texte angefangen, in den letzten Jahren aber mehr als Essayistin und politische Kommentatorin gewirkt. Inwieweit wird sich diese Seite nun auch bei den Literaturtagen abbilden?
Fiktion verlangt ein anderes Abtauchen, das war beim Aufbau eines Zentrums für eine Stadt mit so vielen zivilgesellschaftlichen Vereinen schwierig. Aber ich habe nie aufgehört, literarisch zu schreiben und insbesondere Gegenwartsliteratur zu lesen. Grundsätzlich sehe ich keine Konkurrenz zwischen Literatur und Politik. Es sind zwei sehr unterschiedliche Welten, die aber im Dialog stehen. Literatur wähle ich danach aus, ob die Geschichten gut erzählt, die Figuren komplex sind und der Stil überzeugend ist. Wer etwa einen Roman aus dem Iran liest, selbst wenn der eine Liebesgeschichte erzählt, denkt die politischen Bedingungen meist mit. Für ein Festival ist diese Art der Nähe zu Ereignissen der Gegenwart natürlich wichtig.
„Literatur wähle ich danach aus,
ob die Geschichten gut erzählt,
die Figuren komplex sind
und der Stil überzeugend ist.“
Ich wollte die Chance nutzen, das Festival, das ja nächstes Jahr 30. Geburtstag feiert, zu erneuern, ihm ein neues Gesicht geben, ein neues Corporate Design, einen anderen Auftritt. Wir als Festivalteam wollen spielerisch in die Zukunft gehen. Daher die Umbenennung in feeLit — Internationales Literaturfestival Heidelberg. Ich konnte die Uni Heidelberg als Kooperationspartnerin gewinnen. Das Zelt auf dem Uniplatz bleibt zwar Dreh- und Angelpunkt, es gibt nun aber nun auch die Möglichkeit, größere Lesungen in den Räumen der Universität zu veranstalten. Ebenfalls neu: eine lange Nacht der Heidelberger Autorinnen und Autoren, ein Lesemarathon, bei dem sich die regionale Szene präsentiert. Mein Wunsch ist es, dem Publikum von mittags bis nachts spannende Literatur zu bieten, in der Hoffnung, dass die Literaturtage wirklich als zusammenhängendes Festival wahrgenommen werden, bei dem man jeden Tag dabei sein möchte. Probieren Sie auch andere Formate aus?
Es wird etwa eine Aufzeichnung eines beliebten Podcasts geben, mit einem Autor als Gast beim Moderatorenduo. Daneben aber selbstverständlich viele klassische Lesungen. Ich schreibe — anders als manche Kulturmanager — das traditionelle Lesungsformat nicht ab. Oft ist beim Publikum ein großes Bedürfnis zu spüren, Autor*innen und deren Bücher in konzentrierter Form zu erleben. Eine Lesung ist eine Möglichkeit, sich intensiv auf einen Text und damit auf sich selbst und Unbekanntes einzulassen. Mein Wunsch ist, dass die Autor*innen durch ihre Bücher in einen Dialog treten mit dem Publikum und dass sich die verschiedenen Lesungen im Kopf verbinden. Durch das Erleben der Vielfalt der literarischen Werke verändert sich der Blick auf die Welt. Nicht zuletzt dadurch wird Lesen auch zum politischen Akt.
„Eine Lesung ist eine Möglichkeit,
sich intensiv auf einen Text und damit auf sich selbst
und Unbekanntes einzulassen.“
Das hoffe ich (lacht). Je besser es mir als Kuratorin gelingt, zu zeigen, wie spannend, wie reizvoll, wie lustvoll und gegenwärtig der Umgang mit Literatur ist, desto eher kann dieser Funke auf unterschiedliche Publikumsgruppen, auf unterschiedliche Milieus überspringen. Ich wünsche mir sehr, den Kreis der Gäste und Zuhörer*innen auszuweiten — regional, aber auch international, nicht zuletzt durch die Auswahl der Autor*innen. So wird dieses Jahr, nur ein Beispiel, die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga aus Simbabwe zu Gast sein und aus ihrem literarischen Werk lesen.Worauf freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich darauf, dass die Stadt fünf Tage aus der Literatur heraus leuchtet, dass die Schriftsteller*innen auf ein literaturhungriges und -durstiges Publikum treffen, dass wir auf dem Uniplatz in ein angeregtes Gespräch kommen über Bücher, dass unser Publikum berührt und die Autor*innen erfüllt sind. Bei mir herrscht gerade ein angenehmes Fieber, ein aufregendes, leidenschaftliches Fiebern für die Literatur. ‹
feeLit — Internationales Literaturfestival Heidelberg
28. Juni bis 02. Juli 2023
Spiegelzelt auf dem Uniplatz und Universität
www.feelit.de
Bildnachweis:
Lena GiovanazzifeeLit – Internationales Literaturfestival Heidelberg
Das Internationale Literaturfestival Heidelberg ist ein unverzichtbarer Bestandteil der UNESCO-Literaturstadt Heidelberg. Das Festival, das seit 1994 stattfindet, bietet eine Vielfalt an literarischen Zugängen und Formaten. Neben Lesungen von deutschsprachigen und internationalen Autoren werden Autorengespräche, performative Formate, Ausstellungen, Musikveranstaltungen und Workshops angeboten. Verlage, Buchhandlungen, Büchereien präsentieren Autoren und Neuerscheinungen.
TerminMI 28. Juni bis SO 02. Juli 2023
AdresseStadt Heidelberg // Marktplatz 10 // 69117 Heidelberg //Telefon: +49 (0)6221 5834859 // E-Mail: feeLit@Heidelberg.de
SpielorteSpiegelzelt auf dem Uniplatz und Universität
Infosfeelit.de
Ticketstickets.feelit.de