Frau Herrmann, als wissenschaftliche Sammlungsleiterin des Forums Internationale Photographie (FIP) sind Sie bereits seit 2015 mit dem Thema Fotografie in den REM betraut. Nun haben Sie zudem die Leitung von ZEPHYR übernommen. Inwiefern unterscheiden sich diese Aufgaben ?
Beide Bereiche haben eigene, unterschiedliche Profile. Mit dem FIP kümmern wir uns mit den Sammlungen der Reisefotografie der Reiss-Geschwister, der Helmut-Gernsheim-Sammlung und dem Robert-Häusser-Archiv um die historische Fotografie und die der klassischen Moderne. ZEPHYR widmet sich ausschließlich der zeitgenössischen Fotografie.

Was ist so spannend an zeitgenössischer Fotografie?
Wir alle sind ständig von Fotografie umgeben, jeder von uns hat auf dem Smartphone Tausende von Bildern. Fotografie ist DAS Medium unserer Zeit. Ich bin immer wieder von ihrer Wirkmächtigkeit beeindruckt. Bei ZEPHYR haben wir die Möglichkeit, die Vielfalt des Mediums zu zeigen, was seit Bestehen der Galerie mit ganz unterschiedlichen Künstler*innen schon eindrucksvoll getan wurde.

Für die erste von Ihnen kuratierte ZEPHYR-Ausstellung haben Sie sich mit Jean-Michel Landon einen recht unbekannten Fotografen ausgesucht. Wie kam es dazu?
Ich bin durch einen Insider-Tipp auf Landon gestoßen und war sofort fasziniert, als ich mir seine Arbeiten angeschaut habe. Er ist Autodidakt und eigentlich Sozialarbeiter. In der Werkserie, die wir zeigen, hat er in der Tradition der „photographie humaniste“ das Leben in den Pariser Banlieues porträtiert, in denen er selber aufgewachsen ist und immer noch wohnt. Die Arbeiten zeugen von seiner großen Nähe und Empathie zu den Menschen, die dort leben, und bieten einen vielschichtigen Blick auf die Viertel, die sonst sehr stereotyp als Problembezirke stigmatisiert werden. Landon passt sehr gut zu ZEPHYR, da sozialkritische Arbeiten hier schon immer einen festen Platz haben.

Was ist Ihnen wichtig für Ihre Arbeit?
Ich finde es wichtig, die Region als Standort für Fotografie weiterhin zu stärken, und freue mich besonders auf die Kooperation mit der Biennale für aktuelle Fotografie im kommenden Jahr. Perspektivisch bieten die neuen Räume im „Museum Peter & Traudl Engelhornhaus“ besondere Möglichkeiten der Ausstellungspräsentation. Was die Größe der Werke, aber auch die großzügige Hängung „klassischer Formate“ betrifft, können wir in ganz neue Richtungen denken. Manche Arbeiten funktionieren speziell in der Reduktion. Ich habe keine Angst vor leeren Wänden, wenn es die Wirkung der Kunstwerke unterstützt.

Ausstellung: Jean-Michel Landon — La vie des blocs
24.09.2023 bis 04.02.2024
ZEPHYR — Raum für Fotografie, Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
zephyr-mannheim.com