Wilhelm-Hack-Museum

Die Anfänge der Abstraktion

Frau Schallenberg, der Orphismus gilt als weniger bekannte Kunstströmung — was können wir darunter verstehen?
Apollinaire beschreibt den Orphismus im Herbst 1912 erstmals in einer Rede, die er in der Pariser Galerie La Boétie hält. Er berichtet damit über eine von ihm beobachtete Tendenz in der Kunst — eine Loslösung von gegenständlichen Darstellungen hin zu einer abstrakten, „reinen“ Malerei. Nachdem Apollinaire diesen Begriff zunächst für Pariser Künstlerkreise stark macht, die in der Folge des Kubismus stehen, bringt er damit auch Werke anderer Avantgardezirkel in Zusammenhang. So ist der Orphismus kein einheitlicher Stil, sondern eine Tendenz zur Abstraktion, die aus kubistischen, futuristischen und expressionistischen Ansätzen heraus entsteht.

Wer sind bekannte Vertreter?
Viele bekannte Künstlerinnen und Künstler wie Robert Delaunay, Sonia Delaunay, Paul Klee, August Macke, Franz Marc und Marc Chagall lassen sich in bestimmten Schaffensphasen dem Orphismus zuordnen. So fungiert die Kunstströmung als Keimzelle für die spätere Entwicklung einer gegenstandslosen modernen Malerei. Viele der zum Orphismus zählenden Künstlerinnen und Künstler bewegen sich nach dem Krieg zwar in andere Richtungen, für die Abstraktion war der künstlerische Wagemut jener Jahre dennoch von zentraler Bedeutung.

Noch vor Apollinaire findet sich der Name Delaunay im Titel der Ausstellung. Welche Rolle nimmt Robert Delaunay im Orphismus ein?
Apollinaire ließ sich bei der Entwicklung des Begriffs „Orphismus“ insbesondere von den Werken Delaunays inspirieren. Schon früh wies dieser der Farbe eine zentrale, konstruktive Rolle zu. Das Aufsplittern und Zusammenführen von Licht und Farbe, wie es sich in Delaunays Fensterbildern findet, ist bei vielen Werken im Umfeld des Orphismus ein zentraler Aspekt. Mit „Formes Circulaires, Soleil No. 1“ zerlegt Delaunay das Sonnenlicht prismatisch in seine einzelnen Farbbestandteile. Das zeigt auch, wie analytisch er bei seinen Kompositionen vorging. Das Werk stammt aus unserer eigenen Sammlung und war für mich einer der Ausgangspunkte für die Ausstellung.
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    Die Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum zeigt frühe abstrakte Werke unter anderem von August Macke (Farbige Formenkomposition, 1914) …
  • … Francis Picabia (L'Arbre rouge, um 1912) …
  • … Franz Marc (Kleine Komposition IV, 1914) …
  • … oder Robert Delaunay (Formes circulaires - Soleil No. 1, 1913).
Was erwartet die Besucher der Ausstellung?
Mit Unterstützung unseres Hauptsponsors BASF SE zeigen wir zahlreiche Leihgaben aus renommierten öffentlichen und privaten Sammlungen Europas. Es ist uns gelungen, Werke nach Ludwigshafen zu holen, die nur selten reisen dürfen oder lange nicht öffentlich präsentiert wurden, wie zum Beispiel Robert Delaunays „Disque“ aus der Esther Grether Familiensammlung. Diese Werke werden durch hochkarätige Stücke aus unserer eigenen Sammlung ergänzt. Die Ausstellung ist in fünf Räume unterteilt, die verschiedene Facetten der orphistischen Ästhetik in den Blick nehmen wie etwa das Licht, die Farbe und die Simultanität. Die offene Architektur des Museums und das Ineinandergreifen der Räume machen es möglich, die verschiedenen Themen nicht in strenger Abfolge zu präsentieren, sondern Parallelen und Querverbindungen zu zeigen.

Der Begriff „Orphismus“ leitet sich von der griechischen Sagengestalt Orpheus ab. Was hat es damit auf sich?
Orpheus ist vor allem durch sein Lyra-Spiel bekannt, das dem Mythos zufolge wilde Tiere zähmen und selbst Steinen Leben einhauchen konnte. Mit seinem Spiel brachte Orpheus Harmonie und Schönheit in die Unordnung der Welt. Vor dem Hintergrund der Dynamisierungs- und Fragmentierungsprozesse der Moderne gewann der Mythos im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert an Bedeutung. Orpheus wird zu einem Künstler-Ideal, das vielfach in den Künsten aufgegriffen wird.

Die Rolle des Lichts wird auch im Begleitprogramm der Ausstellung thematisiert. Was können wir uns darunter vorstellen?
Es gibt ein künstlerisches Projekt zum Mitmachen, die Lichtoper, die in zwei Akten während der Laufzeit der Ausstellung aufgeführt wird. Der erste Akt, in dem die Ausstellungsräume mit Lichtperformances bespielt wurden, fand im Dezember statt. So konnten die Besucher die Präsentation auf eine ganz neue, besondere Art erleben. Die Aufführung des zweiten Akts ist am 02. März. Mit dem Lichtlabor gibt es auch ein spannendes Programm für Schulen und Kindertagesstätten. Auf diese Art ist das Licht nicht nur zentraler Bestandteil unserer Ausstellung, sondern wird weit in die Stadt und die Region getragen. ‹


Stimme des Lichts — Delaunay, Apollinaire und der Orphismus
bis 02. April 2018
Dienstag, Mittwoch und Freitag 11–18 Uhr, Donnerstag 11–20 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertage 10–18 Uhr
www.wilhelmhack.museum

Wilhelm-Hack-Museum

Wahrzeichen des Wilhelm-Hack-Museums ist seine Keramikfassade, die Joan Miró 1980 gestaltete. Heute gilt das Haus als das wichtigste Museum für die Kunst des 20. und 21.Jahrhunderts in Rheinland-Pfalz. Seine Schwerpunkte liegen auf der Klassischen Moderne, aber auch auf der konstruktiv-konkreten Kunst nach 1945. Profilierte Sonderausstellungen, Workshops und ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm machen das Museum zu einem kulturellen Zentrum von Ludwigshafen.
AdresseWilhelm-Hack-Museum // Berliner Straße 23 // 67059 Ludwigshafen // Telefon 0621 5043045 // E-Mail: hackmuseum@ludwigshafen.de
ÖffnungszeitenDienstag, Mittwoch & Freitag 11–18 Uhr // Donnerstag 11–20 Uhr // Samstag, Sonntag & Feiertage 10–18 Uhr
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