Junges NTM

Nie erwachsen werden

Sesamstraße und Kinderläden, Scoutranzen und Mengenlehre — die Siebzigerjahre waren auch für Kinder ein Jahrzehnt des großen Umbruchs. Bedingt durch die 68er-Bewegung kamen ganz neue pädagogische Konzepte zum Einsatz, die Kinder nicht nur als passive Erziehungsobjekte sahen, sondern sie als aktive gesellschaftliche Wesen ernstnahmen. So ist es kein Zufall, dass in diesen Jahren auch der Grundstein für eine lebendige Kinder- und Jugendtheaterszene gelegt wurde.

Das Schnawwl setzt Zeichen

Ganz vorne mit dabei war das Nationaltheater Mannheim, das 1979 mit der Gründung des „Schnawwl“ zumindest in Baden-Württemberg Zeichen setzte. „Das Land hat damals die Stadt- und Staatstheater finanziell unterstützt. So sind einige Kinder- und Jugendtheater gegründet worden, von denen wir das erste waren“, erläutert die heutige Intendantin Ulrike Stöck. Die ersten beiden Jahre musste das Schnawwl ohne eigene Spielstätte auskommen, bevor es 1981 im Turm der Alten Feuerwache sein Zuhause fand, wo es bis heute residiert — inklusive aller Büros und Werkstätten.

Die Sparte ist an sich noch sehr jung. Das Berliner Grips-Theater, das schon 1966 entstand, gilt als die Mutter aller Kinder- und Jugendtheater. Bis dahin wurde die Zielgruppe vor allem mit Märchen beglückt. Das sollte sich ändern: Die politisch engagierten Geburtshelfer wollten Theater zeigen, das von der realen Welt der Kinder handelte. Frühe Stücke wie „Was heißt hier Liebe“ erfüllten den Aufklärungs- und Erziehungsgedanken. Vom reinen Gebrauchstheater haben sich die heutigen Macher verabschiedet. Klassisches Märchentheater ist selbstverständlich weiterhin verpönt, doch neben den gesellschaftlichen und politischen Aspekten spielen Kunst und Poesie eine große Rolle.

Ein Haus für alle Sparten

Bei all diesen Entwicklungen wirkte Mannheim stets in der ersten Reihe mit. Als das Interesse an den Allerkleinsten aufkam, beteiligte sich die damalige Leiterin Andrea Gronemeyer 2005 an einem Forschungsprojekt zum Thema Kunst für Kinder in der vornarrativen Phase, das heißt im Alter zwischen sechs Monaten und vier Jahren. In Mannheim sind seither viele Mitmachprojekte entstanden. Die Bühne wandelte sich vom reinen Sprechtheater zu einem Mehrspartenhaus, in dem auch Musiktheater, Tanz und Performance einen Platz fanden. Ein Grund, warum man 2015 das Schnawwl, das Dialektwort für Schnabel, in Junges Nationaltheater umbenannte.

Zum Jubiläum richtet Stöck den Blick nach vorne. „Wenn wir für die Kinder in dieser Stadt relevant sein wollen, müssen wir uns immer wieder hinterfragen“, lautet ihr Credo. Deshalb tourt ihr Team drei Wochen vor dem Geburtstagsfest mit einem Wohnwagen durch die Stadtteile. Im Happyland, so der Name des Projekts, wollen die Theaterleute mit Kindern und Jugendlichen ins Gespräch kommen. Es geht dabei um Rassismus und die Frage, wie das Theater damit umgehen soll. Auf Diversität legt die Spartenchefin ein besonderes Augenmerk. „Das ist die Realität in Mannheim. Wenn eine Klasse mit 20 Schülern kommt, werden dort zwölf Sprachen gesprochen.“ Während der Geburtstagsfeier diskutieren Experten und Kinder die Ergebnisse von Happyland.

40 Jahre Junges Nationaltheater Mannheim — Wir feiern Geburtstag
10.–29.09.2019
www.40jntm.de
Bildnachweis:
Christian Kleiner

Junges NTM

Das Junge NTM macht seit 40 Jahren Theater für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Wie scheinbar selbstverständlich treffen sich hier Menschen unterschiedlichster Bildungsvoraussetzungen, familiärer Hintergründe, kultureller Erfahrungen und mit körperlichen und geistigen Förderbedarfen.
AdresseJunges Nationaltheater (Saal Junges NTM/Studio Feuerwache) // Brückenstr. 2 // Alte Feuerwache am Alten Messplatz // 68167 Mannheim // Kartentelefon: 0621 1680 302
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