› Bevor im September mit „Re-inventing Piet. Mondrian und die Folgen“ die nächste große Sonderausstellung im Wilhelm-Hack-Museum startet, können sich die Besucher*innen bereits mit der aktuellen Sammlungspräsentation thematisch auf den niederländischen Großmeister einstimmen. Schätze des Hauses sind ab sofort unter dem Titel „Zeiten des Aufbruchs“ (neu) zu entdecken und zeigen die künstlerischen Strömungen, die sich parallel zu Mondrian und de Stijl in ganz Europa entwickelten. Dafür hat Kuratorin Anne Bossok rund 60 Werke von mehr als 50 Künstler*innen zusammengestellt, darunter Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc, August Macke, Robert Delaunay, Fernand Léger, Kasímir Malewitsch, Ljubow Popowa und El Lissitzky. „Die thematisierte Epoche ist geprägt von politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen und radikalen Veränderungen in der künstlerischen Gestaltung“, erklärt Bossok. „Man wollte die Welt nicht nur abbilden und interpretieren, sondern auch verändern und gestalten.“All die Kunstströmungen, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts formierten, hatten gemein, dass sie sich gegen die traditionellen Sichtweisen auf die Welt wandten. Künstler wie Pablo Picasso und Georges Braque entwickelten mit dem Kubismus ein neues Verständnis von Raum und Form. Künstler*innen konzentrierten sich auf die Verwendung geometrischer und unregelmäßiger abstrakter Formen, um die Welt zu betrachten. Dies führte zu einem neuen Verständnis der Dreidimensionalität. In den folgenden 1910er-Jahren entwickelte sich der Kubismus weiter, Künstler wie Albert Gleizes, Jean Metzinger oder Fernand Léger begannen die kubistische Sichtweise in ihre Arbeit zu integrieren und zu variieren. Diese neue Ästhetik beeinflusste in den späten 1920er- und frühen 1930er-Jahren Künstler*innen wie Piet Mondrian, Josef Albers, Robert und Sonia Delaunay oder Wassily Kandinsky ganz wesentlich.
Ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand in Deutschland der Expressionismus, als Strömung, die sich gegen die traditionellen Sichtweisen auf die Welt wandte. Er war eine Reaktion auf die rasche Industrialisierung und Urbanisierung, die bei manchen Künstler*innen und Intellektuellen Faszination, bei anderen Entfremdung und Desillusionierung hervorriefen. Die Künstler*innen versuchten, ihre innersten Gefühle auszudrücken, wobei sie oft intensiv leuchtende Farben verwendeten und räumliche oder anatomische Korrektheit zugunsten von emotionaler Intensität hintanstellten. Dabei entdeckten einige Expressionist*innen auch Kunst aus Afrika und der Südsee. „In der Ausstellung stellen wir die Werke der Sammlung darum Exponaten afrikanischer Holzskulpturen aus einer Privatsammlung gegenüber, um die Inspirationsquellen zu verdeutlichen“, erläutert Bossok. Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bildet die russische Avantgarde: Von etwa 1905 bis in die 1920er-Jahre spielte sie eine entscheidende Rolle im Prozess der kulturellen und gesellschaftlichen Erneuerung vor und nach der Oktoberrevolution 1917. Das Streben nach einer kollektiven und universellen Bildsprache war einerseits von einer romantisch-mythischen, andererseits von einer technikbegeisterten Haltung getragen, die mit Utopien einer neuen Welt einherging. Die Idee war die Verschmelzung von Kunst und Leben. So waren viele der künstlerischen Konstruktionen und Kompositionen gar nicht abstrakt, sondern als Visionen für Architekturen oder Raumgestaltungen gedacht. In diesem Kontext standen die russischen Künstler*innen in regem Austausch mit den verschiedenen avantgardistischen Kunstströmungen Westeuropas. „Generell waren alle Bewegungen eng miteinander verzahnt“, erklärt Kuratorin Bossok. „Diese Zusammenhänge wollen wir mit der Präsentation verdeutlichen und dies führt uns direkt zu Mondrian und de Stijl.“ ‹Zeiten des Aufbruchs
bis 04. Februar 2024
Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
www.wilhelmhack.museum
bis 04. Februar 2024
Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen
www.wilhelmhack.museum
Bildnachweis:
Willi Baumeister, Kegelspiel und Schaukel III, 1955, Öl auf Hartfaserplatte, 65 x 81 cm, Wilhelm-Hack-Museum, Stadt Ludwigshafen am RheinWilhelm-Hack-Museum
Wahrzeichen des Wilhelm-Hack-Museums ist seine Keramikfassade, die Joan Miró 1980 gestaltete. Heute gilt das Haus als das wichtigste Museum für die Kunst des 20. und 21.Jahrhunderts in Rheinland-Pfalz. Seine Schwerpunkte liegen auf der Klassischen Moderne, aber auch auf der konstruktiv-konkreten Kunst nach 1945. Profilierte Sonderausstellungen, Workshops und ein breit gefächertes Veranstaltungsprogramm machen das Museum zu einem kulturellen Zentrum von Ludwigshafen.
AdresseWilhelm-Hack-Museum // Berliner Straße 23 // 67059 Ludwigshafen // Telefon 0621 5043045 // E-Mail: hackmuseum@ludwigshafen.de
ÖffnungszeitenDienstag, Mittwoch & Freitag 11–18 Uhr // Donnerstag 11–20 Uhr // Samstag, Sonntag & Feiertage 10–18 Uhr