› Ginge es uns besser, wenn wir noch heute im Paradies leben würden? Wenn unsere Vorfahren sich weiter hätten führen und nicht verführen lassen? Tatsächlich endet die erste Verführungsgeschichte der Menschheitsgeschichte in der Bibel mit nichts weniger als einem Deal. Hier die naive, ewige Glückseligkeit, dort Bewusstsein, Freiheit. Und der Tod. Der ist aber nicht nur bittere Dreingabe, sondern auch das Tor zur Selbsterkenntnis, denn erst die Begrenztheit unseres Daseins macht uns zu Fragenden. Wer wollen wir sein, wie wollen wir leben, was ist wichtig, was gut, was böse? Adam und Eva als Komödie1972 hat der Schriftsteller Peter Hacks aus der Geschichte von Adam und Eva eine Komödie gemacht — und ein Plädoyer für die menschliche Freiheit. Wer die Grenzgänge des Komponisten und Posaunisten Mike Svoboda zwischen Ernst und Unterhaltung kennt, wird seine Begeisterung für Hacks’ Schauspiel sofort verstehen. Und ein passenderes Auftakt-Werk als Svobodas neues Musiktheater „Adam und Eva“ hätten die Schwetzinger SWR Festspiele 2025 tatsächlich nicht finden können. „Verführung“ ist das Motto, unter das Cornelia Bend als neue künstlerische Leiterin ihren ersten Festspieljahrgang gestellt hat. Svobodas Stück bewegt sich virtuos zwischen „U-Musik“ und „E-Musik“, zwischen Neuer Musik, Jazz und Performance. Das Auftragswerk der Schwetzinger SWR Festspiele entstand in Zusammenarbeit mit dem Theater Linz und dem hr-Sinfonieorchester.Zwischen den StühlenSchillernd beginnt also dieser Festivaljahrgang, der zu vielem verführen will: zu Musik, Tanz, Literatur, Kulinarik. Die Oper sorgt für den tragenden Brückenschlag zwischen Alt und Neu. Wie es in Schwetzingen seit jeher üblich ist, steht „Adam und Eva“ eine Wiederentdeckung an der Seite: Johann Christian Bachs „Amor vincitore“. Dieses Werk des jüngsten Bach-Sohns hat der Kurfürst Carl Theodor 1774 als deutsche Erstaufführung in seiner Schwetzinger Sommerresidenz gleich nach der Uraufführung in London erlebt. Nun kommt das Stück zweieinhalb Jahrhunderte später wieder zurück ins Rokokotheater. In „Amor vincitore“ geht es um Nähe und Ferne, Isolation und Gemeinschaft — und um einen kritischen Blick auf historische und aktuelle Rollenbilder. Auch dieses Stück sitzt gattungsmäßig zwischen den Stühlen — hier zwischen Oper und Kantate –, und das junge Regieteam verstärkt diese Zwittergestalt durch zeitgenössische Klänge des Komponisten Patrick Schäfer. Mit dabei sind die Sopran-Stars Julia Lezhneva und Maayan Licht und das Ensemble Il Gusto Barocco unter Jörg Halubek.
Alte Geschichten erzählen viel über das Verführungspotenzial von Klängen — man denke nur an Gestalten aus der griechischen Mythologie, die Sirenen, Pan oder Orpheus, oder auch an den Rattenfänger von Hameln. In die Nachfolge dieser Figuren begeben sich zuallererst die drei Residenzkünstler*innen und die beiden Residenz-Ensembles des Festspieljahrgangs 2025. Die junge, aber schon international gefeierte Cellistin Raphaela Gromes stellt sich gleich in fünf Konzerten vor, der Tenor Julian Prégardien untersucht in einem Doppelabend Goethes Verhältnis zu den Frauen und Mike Svoboda kann man an zwei kurzweiligen Abenden auch als Posaunisten erleben — sowie als Kommentator der Musik Richard Wagners. Hinzu kommen das Quintett Spark, das sich wegen seines kreativen Stilmixes selbst als klassische Band bezeichnet, und das Oboenensemble La Petite Écurie, das auf rasante Weise französische Hofmusik des 17. und 18. Jahrhunderts ins Heute transportiert. Das Jahr der StimmeIm weiteren Konzertprogramm mischen sich Prominenz und hochbegabter Nachwuchs. Neben dem Klavierduo aller Klavierduos, Tal & Groethuysen, werden die Brüder Lucas und Arthur Jussen ihre 20 flinken Finger an 88 Klaviertasten zusammenbringen, das junge Pariser Quatuor Tchalik steht neben den historisch informiert aufspielenden Streichern des britischen Consone Quartet. Zu hören sind außerdem die Blockflöten-Ensembles Vivid Consort und Wildes Holz, das SIGNUM saxophone quartet, das junge Klaviertrio E. T. A., das Franz Ensemble und die Sänger*innen des britischen Marian Consort. Etliche von ihnen werden erstmals im Schwetzinger Schloss auftreten. Das Jahr der Stimme feiern die Festspiele außerdem mit Auftritten von Dorothee Mields, Miriam Feuersinger, Julia Lezhneva, Julian Prégardien, Clare Wilkinson und Valer Sabadus. Und für frischen Wind sorgen junge Preisträger*innen des ARD-Wettbewerbs ebenso wie die Orchesterakademie des SWR Symphonieorchesters. In allen Konzerten ist viel Unbekanntes zu entdecken: selten Gespieltes, neu Entdecktes, ungewöhnlich Bearbeitetes. Große Werke schrumpfen zum Taschenformat, kleine Besetzungen wirken sinfonisch, Altbekanntes wird neu beleuchtet und kombiniert: Auch das ist Schwetzinger Verführungskunst. Martina Gedeck und Katja RiemannGleich zwei Tanzabende bereichern das Programm: Friedemann Vogel präsentiert seine berührende Kleist-Fantasie „Die Seele am Faden“, bei Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ gibt’s Barockmusik vom Concert de la Loge mit artistischem Breakdance der Compagnie Käfig. Und zur Musik gesellt sich auch die Literatur. Martina Gedeck beleuchtet gemeinsam mit dem Schumann Quartett die komplexen Beziehungen zwischen den Schumanns, Brahms und Mendelssohn. Und die Schauspielerin Katja Riemann weitet gemeinsam mit der Geigerin Franziska Hölscher und der Pianistin Marianna Shirinyan den Blick des Festivalmottos. Unter dem Titel „Miteinander und füreinander“ schlägt die Doppelveranstaltung einen Bogen von Camille Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“ über die biblische Hiob-Geschichte (beides zu Texten von Roger Willemsen) hin zu aktuellen Ereignissen und zur Verführungskraft gefährlicher Ideologien. Dieses literarisch-musikalische Programm feiert in Schwetzingen 2025 seine Premiere, es ist ein Herzensanliegen der drei Künstlerinnen und berührt den Kern dessen, was die Schwetzinger SWR Festspiele sein wollen. „Ein Festival heute“, sagt Cornelia Bend, „muss auch politisch sein.“ Oder, um auf Adam und Eva zurückzukommen: Die Unsterblichkeit haben wir verloren, dafür die Freiheit gewonnen. Und den Geist, um immer wieder neu zu fragen: Wer wollen wir sein, wie wollen wir leben? ‹
Schwetzinger SWR Festspiele 2025 — Motto „Verführung“
01. bis 31. Mai 2025
www.schwetzinger-swr-festspiele.de
Tipp! Alle Konzerte zum Nachhören auf www.swrkultur.de
Schwetzinger SWR Festspiele 2025 — Motto „Verführung“
01. bis 31. Mai 2025
www.schwetzinger-swr-festspiele.de
Tipp! Alle Konzerte zum Nachhören auf www.swrkultur.de
Bildnachweis:
Mike Svoboda und Anne-May Krüger, Foto: Reza KavianiSchwetzinger SWR Festspiele
Die Schwetzinger SWR Festspiele sind seit 1952 ein internationales Festival der klassischen Musik. Jährlich präsentieren sie im Frühjahr in den historischen Räumlichkeiten des Schwetzinger Schlosses über 50 Konzerte. Ihre Veranstaltungen werden vom Rundfunk begleitet und weltweit gesendet. Neben zahlreichen Konzerten umfasst das Programm auch Oper und Musiktheater, Klanginstallationen und viele SWR Kultur Sendungen vor Ort. Im Auftrag der Festspiele entsteht jedes Jahr eine Musiktheaterproduktion, mit deren Uraufführung die Saison festlich eröffnet wird.
TerminDO 01. bis SA 31. Mai 2025
AdresseSchwetzinger SWR Festspiele gGmbH // Hans-Bredow-Straße // 76530 Baden-Baden //Kartentelefon: 07221 300200
SpielorteSchwetzinger Schloss, Dom zu Speyer und Dreifaltigkeitskirche, Speyer
Ticketsswrservice.de