Gut möglich, dass man beim Cappuccino in der Mannheimer Gastro-Institution „Adria“ neben einer der derzeit besten Schlagzeugerinnen der Welt sitzt. Erkennen werden sie jedoch die wenigsten. Denn während Anika Nilles die Cover der wichtigsten internationalen Schlagzeugmagazine ziert, hat sie in ihrer Wahlheimat Mannheim zuletzt noch nicht einmal ein Konzert gespielt. Frenetische LobeshymnenAngefangen hat ihre erstaunliche Karriere mit einem YouTube-Video. 2013, als Studentin an der Popakademie, lud Nilles eine Performance ihres Songs „Wild Boy“ hoch. Bald hatte der Clip mehr als eine Million Zugriffe — und es folgten drei Jahre, in denen sie zwischen Workshop-Einladungen in den USA, China oder England und frenetischen Lobeshymnen oft kaum noch wusste, wo ihr der Kopf stand. Dabei war lange überhaupt nicht abzusehen gewesen, dass Nilles die Musik zu ihrem Beruf machen würde. Erst 2010, mit 26 Jahren, schrieb sich die gebürtige Aschaffenburgerin an der Popakademie ein. Für Nilles war der für Popmusikkreise späte Einstieg dagegen so etwas wie ein Weckruf. „Davor habe ich nie wirklich geübt, sondern nur gespielt“, sagt sie. „Aber plötzlich waren da Jüngere, die viel besser waren als ich. Diese Blöße wollte ich mir nicht geben.“„Man muss sich das hart erarbeiten“Man könnte angesichts dieser Karriere von der Prophetin im eigenen Land sprechen oder das Bild vom YouTube-Star bemühen. Falsch ist das nicht — und doch steckt hinter ihrem Erfolg eine klassische Geschichte von Talent, Ehrgeiz und Disziplin. „Man muss sich das hart erarbeiten“, sagt Nilles. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Frauen in der männerdominierten Schlagzeugszene immer noch einen Tick besser sein müssen, um die verdiente Anerkennung zu erhalten. Nilles hat diese Phase zwar mittlerweile meilenweit hinter sich gelassen, das Bewusstsein dafür ist aber geblieben. Allein schon, weil auf ihren Workshops immer wieder Mädchen ihren Rat suchen. Heute wird Nilles weltweit für ihren glasklaren, songdienlichen und dennoch komplexen Stil gefeiert. Mehrere Monate im Jahr ist sie auf dem Globus für Auftritte und ihre Meisterklassen unterwegs. Warum das so ist, kann man auf den beiden Alben mit ihrer Band „Nevell“ hören. Die jüngste Platte, „For a Colorful Soul“, hat es in die Top-Positionen der amerikanischen iTunes-Jazzcharts geschafft. Da sollte doch auch ein Mannheimer Konzert bald drin sein.Infos, Termine und Hörproben unter www.anikanilles.com
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Jules BartoloméLocal Heroes
In der Serie „Local Heroes“ präsentiert das KULTURMAGAZIN Macherinnen und Macher, die das Kulturleben bereichern und die Kulturregion Rhein-Neckar voranbringen.