zeitraumexit

Let’s Have a Care Revolution

› Wer bestimmt eigentlich die Themen? 2020 ist es ein Virus, das die Debatten befeuert. So ist die Pflege als Beruf und als zwischenmenschliche, aber auch gesellschaftliche Aufgabe kurzzeitig in den Fokus gerückt. Dabei übersieht man leicht, dass Pflegen und Erhalten schon immer den Großteil unseres Lebens ausmachen. Sie sind es, die den Laden am Laufen halten. Wir sehen uns selbst zwar gerne als mutige Macher*innen und geniale Erfinder*innen, in Wahrheit verbringen wir aber die meiste Zeit damit, Dinge wieder in Ordnung zu bringen.

„After the revolution, who is going to pick up the garbage on Monday morning?“, fragte die US-amerikanische Künstlerin Mierle Laderman Ukeles am Ende der revolutionären 60er-Jahre. Da war die junge Künstlerin gerade Mutter geworden und musste erleben, wie ihre Karriere hinter Bergen von Windeln und ungewaschener Wäsche verschwand. Wie so viele Frauen hat auch Laderman Ukeles keinerlei Anerkennung dafür erhalten. Bis sie die Pflege zur Kunst erklärte und die „Maintenance Art“ erfand.

Gesundheitspolitik und Gendergerechtigkeit

Damit nach Corona nicht alles so weiterläuft wie davor, widmet das internationale Produktionshaus zeitraumexit, das 2021 seinen 20. Geburtstag feiert, ein ganzes Jahr den Themen Pflege und Körperbewusstsein. Das Programm spannt den Bogen von der Gesundheitspolitik über Gendergerechtigkeit und Ökologie bis zu einer anderen Form von Kunstschaffen. Denn Achtsamkeit gegenüber dem Körper und den eigenen Bedürfnissen und eine ökologisch und sozial nachhaltige Gesellschaft gehören untrennbar zusammen.

Gesundheit ist in Deutschland auch eine Frage der sozialen Schicht, und Achtsamkeit als Lifestyle muss man sich erst mal leisten können. Deswegen sind politische Forderungen, wie die Absenkung der Steuer auf Tampons, Binden und andere Hygieneprodukte, für Frauen so wichtig. Und deswegen ist es so wichtig, Kultur, Arbeit, Medizin und Genderpolitik zusammen zu denken und in Dialog zu bringen, um einen Bewusstseinswandel herbeizuführen, eine Care-Revolution. Dass die Kunst ein Ort sein kann, um neue Verbindungen zu knüpfen und Dialoge über soziale und kulturelle Grenzen hinweg zu eröffnen, hat zeitraumexit in seiner Geschichte immer wieder gezeigt.

Tabus und Wahrheiten des weiblichen Körpers

2021 hat sich die Mannheimer Bloggerin Kate Weyerer (Foto) vorgenommen, mit einem Festival feministische Autorinnen, Genderaktivistinnen und Künstlerinnen nach Mannheim zu holen, um gemeinsam mit dem weiblichen und männlichen Publikum über Tabus und Wahrheiten des weiblichen Körpers zu streiten, aber auch gemeinsam zu feiern und sich zu vernetzen. Ihr Festival „Bodyleaks“, das 2021 zum ersten Mal stattfindet, widmet sich ganz dem Thema Körper und Geschlecht und beginnt bereits im Winter 2020 mit einer Warm-up-Reihe.

Care City und Maintenance Art

Das alle zwei Jahre stattfindende Live-Art-Festival „Wunder der Prärie“ setzt später im Jahr auf das Thema „Care City“ und nimmt sich dafür die „Maintenance Art“ von Mierle Laderman Ukeles zum Vorbild. Als eines der wichtigsten Festivals der europäischen Freien Szene holt „Wunder der Prärie“ die inzwischen 81-jährige feministische Performancekünstlerin in die Metropolregion und vernetzt sich dafür mit mehreren Partnern. Künstlerinnen wie Olivia Hyunsin Kim, die Gruppe Swoosh Lieu, Claire Cunningham oder Vanessa Stern sind eingeladen, neue Arbeiten für das Festival zu entwickeln oder Gastspiele zu präsentieren. Vor allem aber will zeitraumexit in seinem 20. Jahr Künstler*innen und Publikum einladen, über den Umgang mit den eigenen Ressourcen und eine nachhaltigere Art des Kulturkonsums nach der Pandemie nachzudenken. ‹


BodyLeaks — Festival for Female Empowerment & Interconnection
24. April bis 08. Mai 2021
zeitraumexit, Mannheim
www.zeitraumexit.de und www.muschileaks.de
Bildnachweis:
Foto – Melissa Holstein

zeitraumexit

zeitraumexit ist ein Ort der Öffnung und gibt der Neugier und dem interessierten Hinterfragen Raum. Im Fokus stehen das aktuelle Geschehen, aktuelle Tendenzen und Strömungen in der Gesellschaft und wie Künstler mit dieser komplexen Welt umgehen. Dabei geht es sicher nicht um Antworten oder Wahrheiten, sondern vielmehr die Suche und das gemeinsame Befragen. Dabei lässt sich zeitraumexit nicht auf eine bestimmte Kunstform festlegen.Vielmehr stehen die Möglichkeiten im Mittelpunkt, die aktuelle Künste jenseits des Mainstreams anbieten, um Prozesse und Phänomene unserer Gesellschaft zu erforschen. Genau diese Freiheit ermöglicht es, ein Programm zu zeigen, das eine Auseinandersetzung von Kunst und Gesellschaft, deren Wechselwirkungen, Abhängigkeiten und Möglichkeiten wagt.
AdresseHafenstraße 68–72 // 68159 Mannheim/Jungbusch
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