› Herr Ostermaier, kann man sich „GOLD. Der Film der Nibelungen“ als Komödie vorstellen? Auch das Mitwirken von Uwe Ochsenknecht könnte diese Vermutung stützen.
GOLD ist eine Komödie, wenn auch eine auf der Rasierklinge. Eine Komödie erzählt ja von unseren tiefsten Wünschen, Sehnsüchten, Traum- und geträumten Selbstbildern und eben jener Distanz und jenem Widerspruch zur Realität, der zum Lachen ist. Eine Komödie macht nicht lächerlich, sie befreit das Lachen in ein Verstehen. Wo könnte man das besser zeigen als in der absurd zugespitzten Ausnahmesituation während Dreharbeiten und wenn der Stoff der Träume die Nibelungen sind. Uwe Ochsenknecht ist naturgemäß die Idealbesetzung, aber er wäre es für mich auch in einer Tragödie gewesen.
Auf den ersten Blick scheint es sich um ein Film- im-Film-Theaterstück zu handeln. Werden das Medium Film und der Filmbetrieb thematisiert?
Es ist ein Film, der wie ein Theaterstück gedreht wird. Wir werden neben den wundervollen Schauspielern auf verschiedenen Bühnen auch vorproduzierte Videoeinspielungen, Live-Aufnahmen und Live-Übertragungen sehen. Thematisiert werden der Film und das Theater, aber vor allem, mit welchen Mitteln man dem Stoff — also dem der Nibelungen — Herr wird oder ob sie in jedem Falle stärker sind und sich einem letzten Zugriff entziehen. Das hat wiederum komisches Potenzial. Das Nibelungenlied als Drehbuch ist für Sie die Zentralachse des Abends. Dabei bricht aber immer wieder das Unterbewusstsein der Figuren auf. Geht es dabei um individuelle und persönliche Spuren oder die kollektive Wirkung der Nibelungen als Nationalepos?
Es geht um das Spurensuchen nach den Nibelungen in der Gegenwart und die Spurenelemente der Nibelungen in uns. Unsere Sehnsüchte, unsere Wünsche sind von der Ästhetik des Films bestimmt. Er ist zusammen mit dem Fernsehen und dem Streaming das Leitmedium unserer Zeit und produziert permanent die Leitmotive unserer Gesellschaft.
Nico Hofmann, der Intendant der Nibelungen Festspiele, sieht Ihr Stück als Sittengemälde unserer Zeit. Eine Auseinandersetzung zwischen den Selbstsüchtigen und den Utopisten. Können Sie diese beiden Pole noch genauer beschreiben?
Unsere Gesellschaft ist gefangen in einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, in der Andy Warhols Popversprechung, dass jeder einmal 15 Minuten berühmt sein werde, fast kindisch wirkt, nachdem sich alle permanent in Szene setzen, sich und einander filmen, alles ausstellen, online stellen, es geradezu eine Selfie-Zwanghaftigkeit gibt. Und auf der anderen Seite ist es jene Sehnsucht nach einer Politisierung, danach, sich zu engagieren, zu gestalten, gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und über den Teller- oder Smartphonerand hinauszuschauen.Das klingt nach einem anspruchsvollen Projekt: äußere Handlung, Thematisierung der Rezeption und Gemälde der Gegenwart. Wie bekommt man da die Leichtigkeit für eine so große Bühne?
Es ist alles viel leichter, fließender, unterhaltender als es sich, wenn man davon erzählt, anfühlen mag. Das Stück ist sehr situativ, hat ganz klare Szenen und Konflikte, die Schauspieler stehen im Zentrum. Wer tiefer schürfen mag, kann es, wer das nicht will, wird sich einfach nur an der Spannung der Handlung, der Komik und der Kunst der Schauspieler erfreuen können, wenn auch vielleicht manchmal der am besten lacht, der als Letzter lacht.
Sie arbeiten in Worms mit vielen Filmprofis. Was für ein Gefühl ist das für einen Theaterautor?
Die meisten Schauspieler kenne ich aus Theaterkontexten oder wenn nicht, weiß ich von ihren Leidenschaften fürs Theater oder das Theaterspielen. Am Theater ist der Autor eine der zentralen Figuren, der Text ist heilig, die Ehrfurcht oft groß. Im Film, vor allem in Deutschland, wird der Drehbuchautor vom Dichter zum Dienstleister. Es wäre eine eigene Geschichte wert, was da alles passiert, wenn verschiedene Haltungen, Gewohnheiten, Stile aufeinanderprallen. Der Film ist in vielem angenehm professionell und pragmatisch, die Theaterarbeit oft begeisternd textverliebt. Beiden sind das Suchen, die Neugierde, die Leidenschaft gemein. Sie waren in den letzten Jahren oft in der Region, etwa als Hausautor am Mannheimer Nationaltheater. Fühlen Sie sich hier schon ein wenig heimisch?
Ich liebe diese Region, sie ist unglaublich inspirierend durch ihre Vielseitigkeit und Vielstimmigkeit, durch die Widersprüche, aber vor allem durch die Begeisterungsfähigkeit der Menschen. Das Jahr in Mannheim war für mich als Theaterautor absolut prägend und ich habe immer noch Gänsehaut, wenn ich das Nationaltheater sehe, und mehr noch, wenn ich es betrete. ‹
GOLD ist eine Komödie, wenn auch eine auf der Rasierklinge. Eine Komödie erzählt ja von unseren tiefsten Wünschen, Sehnsüchten, Traum- und geträumten Selbstbildern und eben jener Distanz und jenem Widerspruch zur Realität, der zum Lachen ist. Eine Komödie macht nicht lächerlich, sie befreit das Lachen in ein Verstehen. Wo könnte man das besser zeigen als in der absurd zugespitzten Ausnahmesituation während Dreharbeiten und wenn der Stoff der Träume die Nibelungen sind. Uwe Ochsenknecht ist naturgemäß die Idealbesetzung, aber er wäre es für mich auch in einer Tragödie gewesen.
Es ist ein Film, der wie ein Theaterstück gedreht wird. Wir werden neben den wundervollen Schauspielern auf verschiedenen Bühnen auch vorproduzierte Videoeinspielungen, Live-Aufnahmen und Live-Übertragungen sehen. Thematisiert werden der Film und das Theater, aber vor allem, mit welchen Mitteln man dem Stoff — also dem der Nibelungen — Herr wird oder ob sie in jedem Falle stärker sind und sich einem letzten Zugriff entziehen. Das hat wiederum komisches Potenzial. Das Nibelungenlied als Drehbuch ist für Sie die Zentralachse des Abends. Dabei bricht aber immer wieder das Unterbewusstsein der Figuren auf. Geht es dabei um individuelle und persönliche Spuren oder die kollektive Wirkung der Nibelungen als Nationalepos?
Es geht um das Spurensuchen nach den Nibelungen in der Gegenwart und die Spurenelemente der Nibelungen in uns. Unsere Sehnsüchte, unsere Wünsche sind von der Ästhetik des Films bestimmt. Er ist zusammen mit dem Fernsehen und dem Streaming das Leitmedium unserer Zeit und produziert permanent die Leitmotive unserer Gesellschaft.
Unsere Gesellschaft ist gefangen in einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, in der Andy Warhols Popversprechung, dass jeder einmal 15 Minuten berühmt sein werde, fast kindisch wirkt, nachdem sich alle permanent in Szene setzen, sich und einander filmen, alles ausstellen, online stellen, es geradezu eine Selfie-Zwanghaftigkeit gibt. Und auf der anderen Seite ist es jene Sehnsucht nach einer Politisierung, danach, sich zu engagieren, zu gestalten, gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen und über den Teller- oder Smartphonerand hinauszuschauen.Das klingt nach einem anspruchsvollen Projekt: äußere Handlung, Thematisierung der Rezeption und Gemälde der Gegenwart. Wie bekommt man da die Leichtigkeit für eine so große Bühne?
Es ist alles viel leichter, fließender, unterhaltender als es sich, wenn man davon erzählt, anfühlen mag. Das Stück ist sehr situativ, hat ganz klare Szenen und Konflikte, die Schauspieler stehen im Zentrum. Wer tiefer schürfen mag, kann es, wer das nicht will, wird sich einfach nur an der Spannung der Handlung, der Komik und der Kunst der Schauspieler erfreuen können, wenn auch vielleicht manchmal der am besten lacht, der als Letzter lacht.
Die meisten Schauspieler kenne ich aus Theaterkontexten oder wenn nicht, weiß ich von ihren Leidenschaften fürs Theater oder das Theaterspielen. Am Theater ist der Autor eine der zentralen Figuren, der Text ist heilig, die Ehrfurcht oft groß. Im Film, vor allem in Deutschland, wird der Drehbuchautor vom Dichter zum Dienstleister. Es wäre eine eigene Geschichte wert, was da alles passiert, wenn verschiedene Haltungen, Gewohnheiten, Stile aufeinanderprallen. Der Film ist in vielem angenehm professionell und pragmatisch, die Theaterarbeit oft begeisternd textverliebt. Beiden sind das Suchen, die Neugierde, die Leidenschaft gemein. Sie waren in den letzten Jahren oft in der Region, etwa als Hausautor am Mannheimer Nationaltheater. Fühlen Sie sich hier schon ein wenig heimisch?
Ich liebe diese Region, sie ist unglaublich inspirierend durch ihre Vielseitigkeit und Vielstimmigkeit, durch die Widersprüche, aber vor allem durch die Begeisterungsfähigkeit der Menschen. Das Jahr in Mannheim war für mich als Theaterautor absolut prägend und ich habe immer noch Gänsehaut, wenn ich das Nationaltheater sehe, und mehr noch, wenn ich es betrete. ‹
Nibelungen-Festspiele
Seit 2002 finden die Nibelungen-Festspiele jährlich im Sommer als Open-Air-Theaterereignis vor dem Dom statt. Die Festspiele erreichen jährlich ein großes Publikum und bescheren der Stadt am Rhein eine hohe Aufmerksamkeit. Aber nicht nur die Aufführungen vor der Domkulisse machen die Festspiele zu einem einmaligen Kulturereignis: Auch das hochwertige Rahmenprogramm sowie der Heylshofpark, der zu Deutschlands schönsten Theaterfoyers zählt, lockt jedes Mal zahlreiche Besucher.
TerminFR 15. bis SO 31. Juli 2016
AdresseNibelungen-Festspiele Worms // Von-Steuben-Straße 5 // 67549 Worms
SpielorteKaiserdom, Worms
Ticketswww.nibelungenfestspiele.de