Ein launischer Tag Ende April. Obwohl es nieselt, ist einiges los in der Kurfürstenanlage in Heidelberg. Auf einer der Wiesen zwischen Hauptbahnhof und Römerkreis hat der Verein gegen Müdigkeit einen Kiosk und eine Tischtennisplatte aufgebaut. Es gibt alkoholfreie Getränke, warme Suppe und Musik. Grüppchenweise sitzen Menschen auf Bierbänken und Stühlen zusammen. Die Tischtennisplatte ist ständig belegt, weiter hinten probieren sich einige Männer nicht unbedingt elegant, aber mit jeder Menge Spaß an Gummitwist. Willkommen im Bella Park!Willkommen im Bella Park! So nennt der Verein gegen Müdigkeit die Wiese, die offiziell gar keinen Namen hat. Für die Stadt ist es schlicht eine Grünfläche, für die Polizei der Rattenpark, für die Presse ein Kriminalitäts-Hotspot oder gleich eine „No-go-Area“. Die meisten Menschen laufen außen herum oder fahren mit der Straßenbahn daran vorbei. „Selbst viele Leute, die in Heidelberg geboren sind, waren noch nie hier“, sagt Jasper Schmidt vom Verein. „Hier halten sich eigentlich nur die Menschen auf, die sonst keinen Ort haben, um sich zu treffen.“ Viele sind wohnungslos, wurden erst aus der Altstadt, dann aus der Schwanenteichanlage vertrieben. Und spielen nun hier Gummitwist. „Babbeln, bis die Bubble platzt“Einbeziehen, nicht ausgrenzen — das ist der Ansatz der Künstler*innen, die hinter dem Verein stehen. Ute Seitz und Shooresh Fezoni haben ihn 2021 gegründet, mitten in der Corona-Zeit. Als Begegnungen zur Mangelware wurden, sich viele Menschen zurückzogen. Sie wollten das ändern. „Babbeln, bis die Bubble platzt“ hieß eines der ersten Projekte des Vereins. Eine mobile Radiosendung zum Mitmachen. Das „Radio E“ machte Station auf dem Emmertsgrund oder am Alter in Mannheim. „Anfangs haben wir noch Themen vorgegeben“, erzählt Fezoni. „Dann haben wir gemerkt, dass die Menschen selbst die Themen setzen. Eines der wichtigsten war, dass in der Stadt Begegnungsräume fehlen.“Unterstützung aus dem OrdnungsamtIn der Workshop-Reihe „1+1=3“ diskutierte der Verein mit ganz unterschiedlichen Menschen, wie der öffentliche Raum zu einem Ort für mehr Miteinander werden kann. Dass die Kurfürsten-Anlage das Potenzial dazu hat, war den Vereinsaktivist*innen schnell klar. Sie wollten es heben — gemeinsam mit den bisherigen Nutzer*innen. „Als Erstes haben wir das Gespräch gesucht“, berichtet Fezoni. „Wir haben erzählt, was wir vorhaben, und gefragt, ob das in Ordnung ist.“ Mittlerweile kann der Verein auf viele helfende Hände zählen, sobald der Kiosk aufmacht. Im Bella Park gebe es nur zwei Regeln, erklärt Schmidt: „Wir begegnen uns mit Respekt und in einem Umkreis von 50 Metern um den Kiosk darf niemand harten Alkohol trinken.“ Das Miteinander funktioniert so gut, dass der Verein inzwischen sogar Unterstützer im Ordnungsamt hat. „Wenn wir hier sind, gibt es deutlich weniger Konflikte und Polizeieinsätze“, sagt Schmidt. Geht es nach dem Verein gegen Müdigkeit, soll Bella Park in den nächsten Jahren weiter wachsen und die Kurfürsten-Anlage ein Ort werden, an dem alle zusammenkommen: Ankommende, Einheimische, Wohnungslose, Nachbar*innen und geflüchtete Menschen. Ein buntes, lebendiges Tor zur Innenstadt. Kiosk im Bella Park, geöffnet immer nachmittags von Donnerstag bis Samstag
Infos: www.instagram.com/gegenmuedigkeit
Infos: www.instagram.com/gegenmuedigkeit
Verein gegen Müdigkeit
Offline machen, statt online jammern — das ist das Motto des Vereins gegen Müdigkeit. Der Verein organisieret Nachbarschaftsradios, Workshops, Hörkinos oder Konzerte — und gestaltet so die Stadt als Ort der Begegnung, des Miteinanders und des Austauschs. Zu den Projekten gehören bislang das offene und mobile Radio E, die Workshop-Reihe 1+1=3 sowie das Gesellschaftskiosk BELLA PARK in der Heidelberger Kurfürstenanlage.
AdresseVerein gegen Müdigkeit e.V. // Schillerstraße 4 // 69115 Heidelberg // E-Mail verein(at)gegenmuedigkeit.org
Infosgegenmuedigkeit.org