Internationales Straßentheaterfestival

Rolle rheinwärts

Die Ludwigshafener Innenstadt steht Kopf, es wird getanzt, jongliert, musiziert, experimentiert. Artist*innen, Musiker*innen, Theaterleute — genauer über 70 Künstler*innen und 15 Gruppen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Finnland, Spanien, Italien, Chile und Deutschland — bespielen die Innenstadt und verwandeln sie in DIE große Freilichtbühne der Metropolregion. Alles kostenlos, alles für alle zugänglich. Die Rede ist natürlich vom Internationalen Straßentheaterfestival.

Dieses findet in diesem Jahr bereits zum 23. Mal statt, der Tradition treu bleibend am letzten Juli-Wochenende. Alles beim Alten bleibt dennoch nicht, denn die diesjährige Ausgabe sorgt für frischen Wind: „Die Sommer werden immer heißer und darum rücken wir das Festivalgeschehen nach einem gelungenen Testlauf im vergangenen Jahr noch stärker an das Rheinufer“, erklärt Monika Schill, Leiterin des Internationalen Straßentheaterfestivals. Neben dem Festivalzentrum vor dem dasHaus und dem Platz der Deutschen Einheit mit den Rheintreppen wird in diesem Jahr auch die Rheinuferpromenade bis zur Konrad-Adenauer-Brücke als Spielfläche genutzt. „Damit möchten wir für Publikum und Künstler*innen mit einer frischen Brise bei wahrscheinlich hochsommerlichen Temperaturen für etwas Erleichterung sorgen“, erklärt Schill. „Außerdem ist der Rhein eine schöne Kulisse und passt zum diesjährigen Grundgedanken der Verbindung und Vernetzung, dem Zusammenspiel der Elemente und des Im-Fluss-Seins.“

Diesen Ideen wird mit den zwei Walking-Acts „Fresh Air“ und „We are all Astronauts“ Rechnung getragen, die die Spielorte verbinden und mit denen sich das Publikum gemeinsam zwischen den Locations bewegen kann. Bei „We are all Astronauts“ vom Theater Gajes aus den Niederlanden geht es auf verrückte Weltraummission, einer gigantischen Rakete folgend bewegen sich Darstellende und Publikum von einer Station zur nächsten entlang der Uferpromenade und schlagen sich gemeinsam zum Raketen-Startplatz am Berliner Platz durch.

Akrobatik in vielen Formen

Netz und Vernetzung sind während des Festivals an zwei anderen Stellen ganz konkret sichtbar. Kinder können am Tag beim „Playscape Deluxe“ an der Uferpromenade nördlich der Konrad-Adenauer-Brücke auf mit Netzen überspannten Riesenbällen umherklettern, spielen und hüpfen. Und zu später Stunde lockt ein Highlight des diesjährigen Festivals ebenfalls buchstäblich ins Netz: Die Gruppe MARAÑA lässt freitags und samstags ihren „Organismo“ auf dem Karl-Kornmann-Platz wachsen. Das Bühnenbild ist ein von der chilenischen Regisseurin Paula Riquelme Orbenes eigens gehäkeltes Gebilde aus Wolle — irgendwo angesiedelt zwischen Korallenriff und psychedelischem Fiebertraum. Die Darstellenden bespielen die farbenprächtigen Wollinstallationen und verleihen ihnen ein wildes Eigenleben. Der Organismo verwandelt sich, aus Öffnungen kommen lebende Körperteile, die sich umschlingen, berühren und erforschen. Der Auftritt ist ein Erlebnis für alle Sinne. Zusammen mit Live-Musik und einem besonderen Licht-Konzept taucht man ein in eine Welt, die nicht von dieser zu sein scheint. „Die Performance braucht die Dunkelheit, um richtig wirken zu können, deshalb bildet sie jeweils nach 22 Uhr den Abschluss der ersten beiden Festivaltage“, erläutert Monika Schill.
  • Mit dem Fahrrad-Ballett der Gruppe La Bande à Tyrex eröffnet das diesjährige Festival.
  • „Maraña“, spanisch für Gewirr oder Dickicht, nennt sich die Gruppe rund um die chilenische Choreografin, Textilkünstlerin und Regisseurin Paula Riquelme Orbenes, die im Juli beim Internationalen Straßen­theaterfestival in Ludwigshafen mit ihrem Stück "Organismo" gastiert. Foto: magmastudio 33
Ganz anders, weit weg von Trance und Traum, ist der Eröffnungsact des diesjährigen Festivals. Hier ist höchste Konzentration angesagt und die volle Präsenz im Moment: „Ein musikalisches Fahrrad-Ballett der Gruppe La Bande à Tyrex aus Frankreich wird am frühen Freitagabend auf dem Platz der Deutschen Einheit das Festival offiziell eröffnen“, verrät Schill. Neun Akrobat*innen schwingen sich auf die Fahrräder und verbinden halsbrecherische Artistik mit Live-Musik, die mal auf einem Rad balancierend, mal auf dem Lenker stehend gespielt wird.

Ebenfalls aus Frankreich kommt das Collectif Malunés, das das Stück „We Agree to Disagree“ im Gepäck hat. An der Uferpromenade geht es für die Artist*innen hoch hinaus. Beim Auftritt ist das Publikum aufgefordert, das akrobatische Geschehen mitzubestimmen. Die Show ist eine Reflexion über das Wesen der Demokratie und ihre positiven wie negativen Seiten. Themen wie Scheitern und Sicherheit, Solidarität und die Kunst des gemeinsamen Schaffens, Austausch und Risikobereitschaft stehen im Mittelpunkt der Improvisation.

Apropos Mitmachen, die Besucher*innen dürfen bei dieser Festival-Ausgabe über ihren Programmliebling abstimmen. Am Sonntag wird als krönender Abschluss der Straßenludwig, eine Skulptur des Künstlers Immanuel Eiselstein verliehen. „Das Publikum hat bei der Kür auf jeden Fall die Qual der Wahl. Es wird komisch, artistisch, feministisch, tänzerisch und außerdem gibt es in diesem Jahr ganz viel Livemusik“, freut sich Monika Schill. Es geht also turbulent zu in diesem Jahr in Ludwigshafen, und wer den Puls zwischendurch beruhigen will, kann mit einem kühlen Getränk im Festivalzentrum auf dem Karl-Kornmann-Platz oder auf der Uferpromenade mit Blick auf den Fluss kurz durchatmen und das Erlebte wirken lassen. ‹

Internationales Straßentheaterfestival
26. bis 28. Juli 2024
Festivalzentrum Karl-Kornmann-Platz,
Platz der Deutschen Einheit, Uferpromenade Rhein von der Rhein-Galerie bis zur Konrad-
Adenauer-Brücke, Berliner Platz
dashaus-lu.de

„Ein wenig wie Filmmusik“

  • Diversitätsagent an der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz André Uelner.

Das Ensemble Colourage tritt beim diesjährigen Straßentheaterfestival auf. André Uelner, Agent für Diversitätsentwicklung an der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, hat die Gruppe vor rund vier Jahren ins Leben gerufen und gibt einen Ausblick auf den Auftritt im Juli.


Herr Uelner, was genau ist das Ensemble Colourage?
Das Ensemble Colourage sind acht Musiker*innen der Staatsphilharmonie, der Popakademie Baden-Württemberg und der Orientalischen Musikakademie Mannheim, die sich zusammengeschlossen haben, um die Musik des Vorderen Orients und westlich geprägte Musik miteinander zu verbinden. Die Gruppe gibt es nun bereits seit mehr als vier Jahren und es ist schön zu sehen, wie die Musiker*innen es schaffen, in den unterschiedlichsten Kontexten die Menschen mit ihrer Musik zu berühren — sei es bei der BUGA 23, beim Konzert mit unserem Orchester im Rosengarten oder in einer Geflüchtetenunterkunft.

Im Juli tritt das Ensemble auf dem Internationalen Straßentheaterfestival auf. Wie kam es dazu?
Ich bin ein großer Fan des Straßentheaterfestivals und es gab schon lange Überlegungen, mit dem Ensemble dort mitzumachen. Dieses Jahr wird es nun Wirklichkeit. Im Stadtraum aufzutreten, ist die reinste Form, mit dem Publikum in Verbindung zu treten. Es ist wichtig, von Anfang an eine intensive Verbindung aufzubauen und die Leute mitzunehmen. Aber wie bereits erwähnt, die Musik ist sehr zugänglich. Mich erinnert sie ein wenig an Filmmusik, weil sie sehr schnell Bilder in einem hervorruft. Einerseits ist sie sehr rhythmisch, andererseits auch poetisch und humorvoll. Außerdem tun unsere Musiker*innen ihr Übriges dazu, dass die Besucher*innen möglichst gut mitgenommen werden, denn sie komponieren alle Stücke selbst und haben während der Auftritte immer noch kleine Hintergrundgeschichten im Gepäck.

Können Sie schon verraten, was die Besucher*innen des Straßentheaterfestivals erwartet?
Der Auftritt wird für uns ein kleines Experiment. Denn das Ensemble tritt gemeinsam mit einer Tänzerin und einem Tänzer auf. VunkyLao kommt aus dem Bereich Street Dance und Sarah Herr aus dem Contemporary Dance. Zusammen mit den Musiker*innen entwickeln die beiden eine Performance. Da der Auftritt am Rheinufer sein wird, wird er sich in irgendeiner Form darauf beziehen. Es wird um Verbindung gehen, zwischen Mannheim und Ludwigshafen, zwischen unterschiedlichen Kulturen und Musikstilen. Ich kann nur allen ans Herz legen, sich auf dieses Kunsterlebnis einzulassen und diesen Mix unterschiedlichster Stile aus unserer so vielfältigen Region mitzuerleben. ‹
  • Das Ensemble Colourage. Foto: Christian Kleiner
Ensemble Colourage, 26. & 27. Juli 2024, jeweils 20.45 Uhr,
Platz der Deutschen Einheit, Ludwigshafen
Bildnachweis:
yourphotostory.dk

Internationales Straßentheater­festival Ludwigshafen

Das Straßentheaterfestival präsentiert jeden Sommer spektakuläres Open-Air-Theater aus ganz Europa und teilweise aus Übersee. An zwei Tagen und drei Abenden können die Zuschauer an verschiedenen Orten in der Ludwigshafener City hautnah die Vielfalt des Theaters unter freiem Himmel erleben. Das Spektrum reicht vom fantasievollen Walk-Act über Musik-, Tanz- und Figurentheater bis hin zur aufwendigen Platzinszenierung.
TerminFR 26. bis SO 28. Juli 2024
AdresseStadt Ludwigshafen – Kulturbüro // Bahnhofstraße 30 // 67059 Ludwigshafen // Telefon: 0621 504-2263 // E-Mail: kulturbuero@ludwigshafen.de
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    Gregarious — Alter Schwede! Mit trockenem Humor geht es in „Gregarious“ um die menschlichen Abgründe im Sport und das Pendeln zwischen Wettbewerb und Teamgeist, Rivalität und Kameradschaft. Hier treffen zwei Akrobaten in sportlichen und absurden Wettbewerben aufeinander und präsentieren Slapstick auf höchstem Niveau. Da geht es per Schleuderbrett in ungeahnte Höhen. Die Soon Circus Company sind der Schwede Nilas Kronlid und der Katalane Manel Rosés, sie kennen sich von der Zirkusschule in Stockholm.
    26. Juli, 19.45 Uhr, 27. Juli, 16 Uhr & 28. Juli 2024, 15.15 Uhr, Platz der Deutschen Einheit
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    Woman — Frauenpower! Die Gruppe „Paradox-Sal“ besteht aus 16 Frauen und wurde 2012 von Ousmane Sy gegründet, einer Symbolfigur der House- und Hip-Hop-Kultur in Frankreich. In ihrem neuen Stück „Woman“ möchte die Gruppe anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens die Frauen feiern, die sie waren, die sie sind und die sie morgen sein wollen. Es ist auch eine Ode an alle Frauen, die in den letzten Jahren ihren Weg gekreuzt haben. 26. & 27. Juli, jeweils 21.20 Uhr, 28. Juli 2024, 15.15 Uhr, Karl-Kornmann-Platz
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