Theaterfestival Schwindelfrei

Was treibt euch um?

› Angefangen hat alles bei den Schillertagen im Jahr 2009. Damals hatte Susanne Brauer vom Kulturamt Mannheim die Schillertage-Macher*innen davon überzeugt, der lokalen freien Theaterszene im Rahmen des Festivals eine Bühne zu geben. Das Projekt war so erfolgreich, dass das Mannheimer Kulturamt beschloss, die Idee weiterzuführen und das Format als eigenständiges Festival zu etablieren: die Geburtsstunde von Schwindelfrei. 2010 feierte das Festival Premiere und findet seitdem alle zwei Jahre statt, finanziert aus dem städtischen Kulturetat.

In diesem Jahr nun steht die neunte Ausgabe an. „Schwindelfrei ist für uns ein sehr wirkungsvolles Instrument, um die regionale freie Theaterszene zu entwickeln und fördern“, erklärt Nicole Libnau vom Kulturamt Mannheim, die das Festival seit 2014 leitet. „Gleichzeitig bietet das Festival eine Plattform, auf der sich die freie Szene dem Publikum präsentieren kann.“ Und genauso wie sich die Bedürfnisse und Herangehensweisen der freien Szene verändert haben, hat das Festival über die Jahre sein Konzept weiterentwickelt. 2012 folgte dann der nächste Streich: Unter dem Motto „Plündert die Brachen!“ bespielte Schwindelfrei das Gelände der Turley Barracks, das gerade erst von der US-Armee aufgegeben worden war — und avancierte so zu einem echten kulturellen Pionierprojekt.

Residenzen regionaler und internationaler Künstler*innen

2014, als Libnau mit der neuen Kuratorin Sophia Stepf das Festival übernahm, erfolgte dann ein erstes Reset. „Wir haben das Festival damals neu gedacht“, erzählt Libnau. „Da es sich als Plattform für die freie Szene etabliert hatte, haben wir das Thema Austausch und Vernetzung der freien Szene gestärkt und das Festival weiter geöffnet.“ Weg von fertigen Produktionen und hin zu Residenzen regionaler und internationaler Künstler*innen, die Produktionen entwickelten und aufführten. Für das Publikum ein weiterer Anreiz, denn nun konnte es zusätzlich zur regionalen Szene auch Künstler*innen aus Indien, Tansania oder Australien erleben. Seit 2020, dem Corona-Jahr, das Schwindelfrei überraschend gut überstand, präsentiert das Festival nun eine Mischung aus regionalen und überregionalen Produktionen sowie Residenzen. „2020 war sicherlich die größte Herausforderung“, erinnert sich Libnau.

Auch das Jahr 2022, bei dem der heutige Kurator Dirk Förster erstmals federführend war, stand unter dem Eindruck der Pandemie. Neben Residenzen, die als krisentaugliches Format den Kern des Festivals bilden, gab es Wiederaufnahmen von Produktionen, die aus Residenzen entstanden waren, Tanzfilme, die in der Corona-Zeit produziert wurden, sowie die Residenz einer Prager Künstlerin. Letztere war auch der Auftakt für eine Erweiterung. „Schwindelfrei ist inzwischen auch in den Jahren aktiv, in denen kein Festival stattfindet“, berichtet Libnau. „Der kontinuierliche Austausch von Residenzen ist heute fester Bestandteil unserer Programmarbeit.“

Nürnberg, München und Mannheim

Inzwischen besteht ein regelmäßiger Austausch mit Prag, bei dem wechselseitig Künstler*innen der jeweils anderen Stadt Projekte entwickeln. 2023 wurden die regionalen Künstlerinnen Martina Martin und Lisa Bless zu einer Sommerresidenz nach Prag eingeladen. Nun ist erneut eine Prager Produktion bei Schwindelfrei 2024 zu sehen. Außerdem gibt es seit 2022 ein Tanznetzwerk mit den lokalen Szenen aus Bayern und Baden-Württemberg. Das Netzwerkbündnis lädt Tanzschaffende nach Nürnberg, München und Mannheim zu einem Residenzaustausch ein. So konnten sich die Mannheimer Choreograf*innen Jonas Frey und Miriam Markl einem Münchner Publikum vorstellen und mit der dortigen Szene vernetzen. In diesem Winter werden zum zweiten Mal Austauschresidenzen stattfinden, erweitert um Partner aus Freiburg. „Für die regionale freie Szene sind das ganz besondere Möglichkeiten, wenn sie auch außerhalb von Mannheim und der Region ihre Arbeiten präsentieren, andere Szenen kennenlernen, ihr Publikum erweitern und neue Kontakte aufbauen können“, resümiert Libnau.

Verzweiflung und Utopien

„Expressing the urgent — was treibt euch um?“ war die Frage, die Schwindelfrei für diese Ausgabe an die Künstler*innen stellte. Ihre Antworten berichten von Verzweiflung und Widerstand, setzen sich Widersprüchen aus und entwerfen Utopien. Drei Gruppen aus der Region arbeiten bereits drei Wochen vor dem Festival in einer Residenzphase an selbst gewählten Themen. Nonverbale Kommunikationsformen („Stille Tänze“ von Cedric Bauer) sind ebenso Gegenstand wie der Krieg in der Ukraine („Slava“ von SoBo Productions) oder architektonische Utopien („Kapitel 1: Collini-Center“ der Agentur für Neue Utopien). Erstmals bietet das Festival zudem eine vom European Festivals Fund for Emerging Artists geförderte, europäische Residenz an, gemeinsam mit dem KoresponDance Festival aus Prag und NuDanceFest aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Mit „ihopeiwill“ von threeiscompany & Jaro Viňarský wird das Ergebnis im Rahmen von Schwindelfrei präsentiert.

Als Publikumsfestival möchte Schwindelfrei auch in diesem Jahr die Begegnung feiern. Nicht zuletzt deswegen ist das Festival erneut eine Expedition in die Freie Theaterszene der Region, die man nicht verpassen sollte. ‹

Schwindelfrei Festival
11. bis 14. Juli 2024
EinTanzHaus, Theater Felina-Areal, Theaterhaus G7, zeitraumexit, Galerie Maquis Mami Wata, Unterer Luisenpark
www.schwindelfrei-festival.de



Nicht verpassen!

Radical Cheerleading

Die in München lebende Choreografin und Performerin Zufit Simon zeigt zur Eröffnung von Schwindelfrei ein Stück über Tanz als Protestform: „Power for the people / use your body / use your voice / make a choice“.
11. Juli 2024, 20 Uhr, EinTanzHaus

Kapitel 1: Collini Center

Die Mannheimer Agentur für neue Utopien blickt auf den Ruinen vergangener Visionen in die Zukunft.
11. Juli 2024, 18 Uhr, zeitraumexit
12. Juli 2024, 19 Uhr, zeitraumexi
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Under My Gaze

Die in Berlin lebende, australische Choreografin, Performerin und Forscherin Renae Shadler setzt sich mit dem Klimawandel auseinander: Ein luftgefülltes Objekt beginnt zu fliegen, sobald die Sonne es aufgeheizt hat.
13. & 14. Juli 2024, jeweils 16 Uhr, Unterer Luisenpark, Mannheim

Tornado Watch

Bei der Performance von Katharina Joy Book & Eszter Koncz verfolgt das Publikum Experimente zu extremen Wetterphänomenen.
13. Juli 2024, 20 Uhr, Theater Felina-Areal
14. Juli 2024, 18 Uhr, Theater Felina-Areal

  • theaterfestival schwindelfrei mannheim embers

Embers | today is yesterday and tomorrow in another place

— Die Heidelberger Tänzerin und Choreografin Lisa Bless wirft einen Blick in eine nicht allzu ferne Zukunft, in der Wasserknappheit herrscht — Apokalypse im Tanz. 
14. Juli 2024, 19.30 Uhr, EinTanzHaus
Bildnachweis:
Renae Shadler (Under MyGaze)

Schwindelfrei Festival

Das Schwindelfrei Festival versteht sich als Treffpunkt und Plattform der freien Darstellenden Künste aus Mannheim und der Metropolregion Rhein-Neckar. Mit dem Schwindelfrei Festival präsentiert das Kulturamt Mannheim alle zwei Jahre aktuelle künstlerische Arbeitsweisen und Ausdrucksformen der regionalen Freien Szene. Schwindelfrei öffnet Räume für künstlerische Prozesse, initiiert einen Austausch zwischen den lokalen und überregionalen Szenen, sucht Verbindungen in die Nachbarschaften und zum Mannheimer Publikum.Der thematische Bogen sowie die Auswahl der Künstler*innen-Gruppen liegt in der Verantwortung einer*eines Festival-Kurator*in / Kurator*innen-Teams. Das Festival arbeitet partnerschaftlich mit den Häusern der freien Szene Mannheims zusammen.
TerminDO 11. bis SO 14. Juli 2024
AdresseTHEATERFESTIVAL SCHWINDELFREI // Veranstalter: Stadt Mannheim / Kulturamt // E 4, 6 // 68159 Mannheim //Tel.: 0621 293-3800 // E-Mail: kulturamt.schwindelfrei(at)mannheim.de
SpielorteEinTanzHaus, Theater Felina-Areal, Theaterhaus G7, zeitraumexit, Galerie Maquis Mami Wata, Unterer Luisenpark
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