Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz

Fenster zur Frühzeit

> Hatte man sie umgebracht? Aber wie — mit Gift? Oder waren sie aus Überzeugung gestorben, für ein Ritual? Fest steht: Ludger Schulte bekam ihre Knochen gleich kistenweise ins Haus. Überreste von Menschen, die Archäologen in Herxheim ausgegraben hatten. In der Landesarchäologie in Speyer sichtete er das, was von ihnen übrig geblieben war — und grübelte über ihr Schicksal. War das damals, in den 90er-Jahren, der spektakulärste Fund seiner Laufbahn? „Nein“, sagt der Restaurator des „Archäologischen Schaufensters“ in Speyer, „aber der rätselhafteste.“ Seit 30 Jahren ist es für ihn immer wieder aufs Neue interessant, was ihm die Archäologen aus der gesamten Pfalz bringen: Menschenknochen aus der Jungsteinzeit, wie damals aus Herxheim. Eine Reibschale aus Schifferstadt, auf der römische Köche Soßen anrichteten. Und manchmal Silber und Gold.

Wirbel um den Rülzheimer Schatz

So geschehen beim „Rülzheimer Schatz“, dessen Finder erst kürzlich in Frankenthal zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Ein 24-Jähriger hatte in einem Waldstück in der Südpfalz hunderte Silber- und Goldgegenstände aus dem fünften Jahrhundert mit einem Metallsuchgerät entdeckt — und den Fund zunächst den Behörden verschwiegen. „Er hat durch unsachgemäße Lagerung unglaublichen Schaden angerichtet und die Ausgrabung nicht dokumentiert“, sagt Ulrich Himmelmann, der die Außenstelle der rheinland-pfälzischen Landesarchäologie in Speyer leitet. Mit Stahlwolle polierte der Mann alle Hinweise auf die Herkunft des Schatzes weg. Und lieferte ihn erst ab, nachdem ein Anwalt ihm dazu geraten hatte.
  • speyer archäologisches schaufenster rülzheimer schatz
    Das Archäologi­sche Schaufenster in Speyer präsentiert Funde aus der Pfalz.
Archäologie zum Anfassen

In einer Schauwerkstatt in der Speyerer Gilgenstraße erklärt Ludger Schulte den Besuchern daher, wie man richtig mit Funden umgeht. Und dann, welche Geschichten sie erzählen können. „Ich finde immer etwas Besonderes“, sagt der Restaurator. Vielleicht vor allem an den Dingen, die erst einmal unspektakulär wirken: ein Stück Lehm, das man neben einem Haus aus der Bronzezeit fand — mit dem Handabdruck des Menschen, der die Fassade verputzt hatte. Manchmal löst Schulte aus Erdklumpen winzige Gefäße. Oder er setzt aus Scherben kostbare Gläser zusammen. „Das Puzzle beginnt erst, sobald alle Einzelteile konserviert sind.“ Wie das geht, zeigt er in der Speyerer Schauwerkstatt, in der er etwa einen Wärmeschrank nutzt, um Kunststoffe als Kleber auszuhärten. Neuerdings gibt es im „Schaufenster“ aber auch Archäologie zum Anfassen oder besser: zum Essen. Künftig soll es auf Anfrage möglich sein, wie die Römer zu speisen. Dann kommen Thunfischpasten, Hähnchengerichte oder Desserts aus Mandelgrieß auf den Tisch.

Natürlich ist es kein Zufall, dass das „Schaufenster“ in Speyer steht: Die Stadtgeschichte geht bis in die Steinzeit zurück. Auf dem Vorplatz steht unter anderem das Modell eines fränkischen Hügelgrabs. Im oberen Stockwerk zeigt Jens Gutperle den Rumpf eines Skeletts auf einem Foto: Vor wenigen Monaten hatte der Grabungsleiter wenige Gehminuten entfernt ein römisches Gräberfeld entdeckt, am Ort der Grabung soll das Diakonissenkrankenhaus erweitert werden. „Wir legen immer nur dann etwas frei, wenn es bedroht ist“, erklärt Ulrich Himmelmann. „Lustgrabungen“ wären undenkbar, zu viel ist allein durch anstehende Bauarbeiten zu sichern.
  • pfalz archäologie ausgrabung leodegar kirche
    Die Experten der Landesarchäologie in Speyer sind für alle Ausgrabungen in der Pfalz zuständig, wie hier in der im 13. Jahrhundert erbauten St.-Leodegar-Kirche in der Südpfalz.
  • speyer archäologisches schaufenster römer mahl
    Guten Appetit: Künftig soll es auf Anfrage möglich sein, im Archäologischen Schaufenster wie zur Römerzeit zu tafeln.
Auf den richtigen Umgang mit Funden kommt es an

Dabei zeigt eine schöne Ausstellung mit Aufnahmen aus der Luftbildarchäologie, was es in der Pfalz noch zu entdecken gäbe: römische Villen oder jungsteinzeitliche Wohnhäuser, deren Umrisse sich etwa durch die Bodenveränderungen in Getreidefeldern abzeichnen. „Sondengänger“ wie der Finder des „Rülzheimer Schatzes“ sind eine Gefahr, aber auch eine große Hilfe. „Wichtig ist, dass sie Experten dazuholen, sobald sie etwas Wichtiges finden, und mit den Fundstellen und -stücken sachgemäß umgehen“, sagt Himmelmann. Daher veranstaltet er für Laien einmal im Jahr eine Tagung, bei der es um den richtigen Umgang mit Funden geht.

Der „Rülzheimer Schatz“ soll übrigens 2017 in einer Landesschau in Mainz gezeigt werden, die 70 Jahre in der Landesarchäologie aufarbeitet, und danach dauerhaft ins Historische Museum der Pfalz ziehen. Auch das „Schaufenster“ in Speyer wird sich daran beteiligen. Das Geheimnis um die Menschenknochen in Herxheim allerdings ist noch immer ungelöst.<

Archäologisches Schaufenster Speyer
Gilgenstraße 13, 67346 Speyer
Dienstag bis Sonntag 11–17 Uhr
Eintritt frei
www.archaeologie-speyer.de

Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz

Unter dem Motto „Wir machen Geschichte lebendig!“ erforschen, sichern, sammeln und vermitteln die sechs Direktionen unter dem Dach der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) das Kulturelle Erbe des Bundeslandes. Ihren Sitz hat die Obere Landesbehörde, die direkt dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur nachgeordnet ist, in der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Zu den Liegenschaften und Denkmälern, für die die GDKE in der Metropolregion Rhein-Neckar zuständig ist, gehören das Schloss Villa Ludwigshöhe in Edenkoben, die Reichsburg Trifels in Annweiler und die Hardenburg in Bad Dürkheim. In Speyer ist eine Außenstelle der Landesarchäologie beheimatet, die unter anderem das „Archäologische Schaufenster“ betreibt.
AdresseGeneraldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz // Festung Ehrenbreitstein // 56077 Koblenz // Telefon: 0261 6675-0 (Zentrale)
facebooktwitterg+Mail