Kurpfälzisches Museum Heidelberg

Die Royals aus Heidelberg

› Im niederländischen Exil spielten die Geschwister die Reise nach Heidelberg. Dabei stellten sie sich vor, wie sie auf ihrem Rückweg umjubelt und triumphal auf das Schloss ziehen und dort glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben würden. So schreibt die jüngste Tochter Sophie in ihren Memoiren über eine Sehnsucht, die sich nie erfüllte. Das Schicksal ihrer Familie ist eng mit der europäischen Geschichte verquickt. Sie selbst, zum Beispiel, heiratete später Ernst August von Hannover. Und als der britische Thron vakant war, wurde ihr Sohn Georg König.
  • Friedrich V. (1596–1632) auf einem Porträt von Wybrand Symonsz de Geest (Foto: Knut Gattner)
Mit den royalen Netzwerkern befasst sich das Kurpfälzische Museum in einer Ausstellung mit rund 100 Exponaten. Dabei ist es Museumsdirektor Dr. Frieder Hepp ein Anliegen, mit Vorurteilen aufzuräumen. „Die Fürstenfamilie war weder mittellos, noch hungerte sie im Exil“, betont der Historiker. Der Winterkönig und sein Anhang lebten gut von den Subsidien, die Elizabeths Vater, Jakob I. von England, bezahlte, sowie von Aktiengeschäften, an denen sie das niederländische Haus der Oranier teilhaben ließ. „Heute würde man das als Investition bezeichnen“, zieht Hepp einen Vergleich. Die Gläubiger rechneten damit, dass der Kurfürst eines Tages seine Erblande zurückerobern und damit seine Schulden abbezahlen würde.

Leben in Saus und Braus

Eine Kapitalanlage, die gewaltige Summen verschlang, denn Friedrich V. und seine als Ikone der protestantischen Sache bewunderte Frau liebten Luxus. Mit seinem exquisiten Geschmack beeindruckte der 16-jährige Bräutigam schon bei der Hochzeit mit der gleichaltrigen Elizabeth Stuart die feine Londoner Gesellschaft. Während der Zeremonie, so heißt es, habe er einen weißen Mantel aus Atlas mit Silberbordüren und einen mit Diamanten besetzten Hut getragen. Zurück in Heidelberg feierte die Bevölkerung das Glamourpaar. Selbst im Exil schränkten sich die First Royals kaum ein: „In Den Haag kam es zu einem Engpass an Austern, weil am Hof von Elizabeth so viele verzehrt wurden“, berichtet Kuratorin Yvonne Stoldt. Die Familie verkehrte in den besten Kreisen: Der angesehene Künstler Gerrit van Honthorst porträtierte die Familie und unterrichtete Tochter Louise in Malerei.

In Heidelberg sind nun Porträts aus den niederländischen Werkstätten, aber auch Grafiken sowie Flugblätter, Münzen, Medaillen und Möbel aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu sehen. Dabei reicht die Schau von der Traumhochzeit zwischen Friedrich V. und Elizabeth bis hin zur Rückkehr ihres Sohnes, des Kurprinzen Karl Ludwig, 1649 nach Heidelberg.

Beste Bildung für die Nachkommen

Einen Fokus legen die Ausstellungsmacher auf Friedrichs Sohn Ruprecht, der vor 400 Jahren in Prag geboren wurde. „Sein Leben gleicht einem Abenteuerfilm“, findet Stoldt. Der „Diable“, „Greatest Beau“ oder auch „Hero“ genannte Filius blieb bis zu seinem Tod der englischen Krone treu. In den Bürgerkriegen kämpfte er an der Seite seines Onkels und dirigierte die kleine königliche Flotte. Als Pirat gelangte er bis an die afrikanische Küste und nach West-Indien. Später war Ruprecht erster Gouverneur der Hudson’s Bay Company. Im Kurpfälzischen Museum ist ein Modell eines Schiffes zu sehen, mit dem er Schlachten bestritt.

Kriege und Schlachten spielen jedoch nicht die Hauptrolle. „Wir wollen zeigen, wie die Familie nicht mit Kanonen, sondern mit Kunst und Kultur versuchte, den protestantisch-aufgeklärten Geist wachzuhalten“, betont Hepp. Am Prinzenhof von Leiden erhielten die Pfalz-Kinder dafür das nötige Rüstzeug. Der Heidelberger Katechismus stand genauso auf dem Stundenplan wie Lektionen in Geschichte, Mathematik und Recht. Die Halbwüchsigen lernten Fremdsprachen, sie bekamen Unterricht in Reiten, Ballett und Gesang. Mutter Elizabeth achtete darauf, dass die Mädchen ebenso viel lernten wie die Jungen. Mit Erfolg: Ihre älteste Tochter Elizabeth korrespondierte später mit dem Philosophen und Mathematiker René Descartes und hatte als Fürstäbtissin Sitz und Stimme im Reichstag. Was sich die Pfalz-Kinder in ihrem Spiel „Reise nach Heidelberg“ vergeblich herbeiwünschten, erfüllt sich jetzt mit der Ausstellung im Kurpfälzischen Museum. Alle Sprösslinge kehren in die Stadt zurück, in der ihr Abenteuer seinen Anfang nahm. ‹

Königskinder — Das Schicksal des Winterkönigs und seiner Familie
06. Oktober 2019 bis 16. Februar 2020
Dienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
Kurpfälzisches Museum Heidelberg
www.museum-heidelberg.de



Zeittafel: Hochzeit, Krieg, Exil und Pest — das Leben des Winterkönigs
14. Februar 1613 — Kurfürst Friedrich V. und Elizabeth Stuart heiraten in London.
23. Mai 1618 — Mit dem Prager Fenstersturz beenden protestantische Stände die Habsburger Herrschaft. Der 30-jährige Krieg beginnt.
07. Oktober 1619 — Friedrich und sein Hofstaat ziehen nach Prag, wo er zum König gewählt wird.
17. Dezember 1619 — Sohn Ruprecht wird in Prag geboren.
08. November 1620 — Nach der Schlacht am Weißen Berg muss Friedrich aus Böhmen fliehen.
14. April 1621 — Die Familie erreicht ihr Exil in Den Haag.
17. Januar 1629 — Friedrichs ältester Sohn und Thronfolger Friedrich Heinrich stirbt bei einem Schiffsunglück.
17. November 1632 — Friedrich stirbt an der Pest.
06. Oktober 1649 — Der zweitälteste Sohn Karl Ludwig kehrt als Kurfürst nach Heidelberg zurück.

Kurpfälzisches Museum

Kunst und Kultur in der Heidelberger Altstadt bietet das Kurpfälzische Museum. Mit seinen vielfältigen Beständen und deren Schwerpunkten Archäologie, Gemälde und Grafiik, Kunsthandwerk und Stadtgeschichte lädt es zu einer faszinierenden Entdeckungsreise ein, von den ersten Siedlungsspuren im Rhein-Neckar-Raum bis zu Werken der Klassischen Moderne von Beckmann, Slevogt und Corinth. Die kostbaren Bestände des Kunsthandwerks — Silber, Porzellan und Möbel — können im historischen Palais Morass bewundert werden, der „Windsheimer Zwölfbotenaltar“ von Tilman Riemenschneider in einer Sonderpräsentation.
AdresseKurpfälzisches Museum // Hauptstraße 97 // 69117 Heidelberg // Telefon: 06221 58–34020 // E-Mail: kurpfaelzischesmuseum@heidelberg.de
ÖffnungszeitenDienstag bis Sonntag 10–18 Uhr
facebooktwitterg+Mail