Schlösser und Gärten Hessen

Ein Freund des Edlen und Merkwürdigen

› Graf Franz I. (1754–1823) hatte schon früh einen Traum: Er war mit einer „großen Vorliebe für die Alterthümer geboren“ worden und plante, in seinem Schloss eine Antikensammlung einzurichten. Ab dem elften Lebensjahr förderte sein Lehrer Christian Friedrich Freund von Sternfeld (1730–1802) diese Neigungen. Auf ihrer gemeinsamen Bildungsreise durch Europa besuchten die beiden zwischen 1769 und 1775 zahlreiche Stationen: Stand zunächst das Studium der französischen Sprache, des Staatsrechts, der Ökonomie und der Altertumswissenschaften in Lausanne und Straßburg auf dem Programm, wurde zum Ende der Reise das Traumziel Italien angesteuert, um vor allem die antiken Stätten in Rom und am Golf von Neapel zu besichtigen. Bereits dort dürfte die Entscheidung gefallen sein, eine eigene Antikensammlung in Erbach aufzubauen.

Marmorbüsten, Vasen und Mosaiken

Eine zweite Italienreise im Jahr 1791 ermöglichte den Ankauf des größten Teils der heute noch in Erbach erhaltenen Antiken. Franz bereitete die Reise intensiv vor und tauschte sich rege mit bedeutenden Altertumswissenschaftlern der Zeit aus. Mit den erworbenen Marmorbüsten, Vasen, Bronzen und Mosaiken verwirklichte der Adelige schließlich seinen Traum in Form von drei Antikenzimmern. Um das Raumgefühl gänzlich in die Antike zu versetzen, wurden auch die Möbel nach antiken Vorbildern gebaut. In den zu den Sammlungen verfassten Katalogen beschrieb er die Exponate und erläuterte das Raumkonzept. Die Bände betitelte er passenderweise mit „Beschreibung meiner Wohnzimmer“.
  • schloss erbach rittersaal
    Gräfliches Ambiente – in Schloss Erbach ist nicht nur die Sammlung des Grafen, sondern auch prachtvolle Räume wie der Rittersaal, …
  • schloss erbach antikenzimmer
    … das Antikenzimmer oder …
  • schloss erbach oraniersaal
    deer Oraniersaal zu bestaunen. (Fotos: Uwe Dettmar)
Franz I. interessierte sich nicht nur für die Antike, wenngleich er von ihr als dem „Lieblingsfache meiner Nebenzeit“ sprach. Parallel zu seinen Regierungsgeschäften als Landesherr einer Grafschaft baute er die Waffensammlung seiner Vorfahren aus und sammelte Rüstungen, Glasmalereien sowie kolossale und abnorme Geweihe. Von den 1790er-Jahren an ließ er die Innenräume des Schlosses umgestalten, um den Objekten einen würdigen Rahmen zu geben. Noch heute sind seine umfangreichen Kollektionen von Waffen und Rüstungen in dem beeindruckenden neogotischen Rittersaal und der Gewehrkammer zu besichtigen. Die naturhistorische Geweihsammlung begrüßt die Schlossbesucher*innen bereits im Vestibül. Sie säumt das Treppenhaus und entfaltet ihre Pracht mit besonders beeindruckenden Exemplaren in der großen Hirschgalerie. Die Gehörne konnte Franz nicht mehr zu Lebzeiten in seinem Schloss präsentieren. Sein heutiges Erscheinungsbild verdankt der Ausstellungssaal seinem Enkel Eberhard XV. (1818–1884), der im Sinne seines Großvaters Mitte des 19. Jahrhunderts die Geweihe aus anderen Jagdhäusern dorthin brachte.

Ein einzigartiger Glücksfall

Am Ende seines Lebens übertrug Franz I. schließlich eine große Verantwortung auf seinen ältesten Sohn Carl (1782–1832): „Was einst von diesen Gegenständen, / Geliebter Carl, aus meinen Händen in / Deine Hände übergeht, / Das werde, wenn gleich nicht erweitert/ Doch nie verstossen und verschleudert (…) / So pfleg du, Freund von schönen Tönen, / Auch diese Sammlungen des Schönen, / so schütze, und erhalte sie!“
  • schloss erbach graf franz I.
    Begründer der Sammlung – Auf Graf Franz I. gehen die Sammlungen von Schloss Erbach zurück.
200 Jahre nachdem Graf Franz I. diese Worte niedergeschrieben hatte, wäre sein Vermächtnis beinahe untergegangen. Die Sammlungen standen kurz vor dem Verkauf über den freien Kunstmarkt. Sie wären somit in alle Winde zerstreut worden und das Gesamtverständnis für sie wäre verloren gegangen. Doch im Jahr 2005 erwarb das Land Hessen die Gräflichen Sammlungen und verhinderte deren Zerschlagung. Seither werden sie von den Staatlichen Schlössern und Gärten Hessen bewahrt, erforscht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.In den Räumen des Schlosses wird wie an kaum einem anderen Ort der Sammlungsgedanke der Aufklärung greifbar. Dass sich außerdem das schriftliche (Ausstellungs-)Konzept in Form von handgeschriebenen Prachtkatalogen erhalten hat, macht die Sammlung zu einem einzigartigen Glücksfall.

In diesem Jubiläumsjahr finden zahlreiche Veranstaltungen statt, die die Sammlerpersönlichkeit Franz I. würdigen, darunter eine große Fachtagung mit renommierten Wissenschaftler*innen, die sich dem „Kosmos Schloss Erbach: Sammeln als fürstliche Passion“ widmen werden. Anliegen und Ziel der Tagung wird sein, das national bedeutsame Kulturdenkmal in der Region, in ganz Deutschland und den angrenzenden Ländern bekannter zu machen. ‹


Gräfliche Sammlungen Schloss Erbach
Marktplatz 7, 64711 Erbach
www.schloesser-hessen.de/de/schloss-erbach
Bildnachweis:
Uwe Dettmar © SG

Staatliche Schlösser und Gärten Hessen

Das UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch ist das bedeutendste Bauwerk, das die Hessische Schlösserverwaltung in der Metropolregion Rhein-Neckar betreut. Sein Freilichtlabor Lauresham zieht wie auch der romantische Staatspark Fürstenlager in Bensheim-Auerbach Jung und Alt an. Außerdem gehören auch die Burgen Auerbacher Schloss und Hirschhorn zum Einzugsgebiet der Hessen sowie das Erbacher Schloss mit den gräflichen Sammlungen und dem Deutschen Elfenbeinmuseum. Ein weiteres Kleinod ist die Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach, eines der letzten Beispiele authentisch erhaltener karolingischer Architektur.
AdresseStaatliche Schlösser und Gärten Hessen // Schloss // 61348 Bad Homburg v.d.Höhe // Telefon: 06172 9262-0 // E-Mail: info@schloesser.hessen.de
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