› Es ist schon eine erstaunliche Häufung, dass gleich zwei Pionierfahrten, die die Mobilität revolutionierten, ihren Anfang in Mannheim nahmen. So erhielt 1886 Carl Benz hier das Patent für das von ihm entwickelte „Motor-Veloziped“ und weltweit erste Automobil — denn das Kernstück des Wagens, der Verbrennungsmotor, ist bis heute Grundlage für den Antrieb moderner Autos. Es brachte 16 Stundenkilometer auf die Landstraße und schluckte 10 Liter auf 100 Kilometern.Nicht ganz so schnell, aber immer noch recht flott unterwegs war Karl Freiherr von Drais knapp 70 Jahre zuvor, als er am 12. Juni 1817 von seinem Wohnhaus in M1,8 in den Mannheimer Quadraten zum sieben Kilometer entfernten Schwetzinger Relaishaus im heutigen Mannheimer Stadtteil Rheinau startete. Mit der von ihm entwickelten Laufmaschine schaffte Drais die Strecke in einer knappen Stunde — eine zügige Art der Fortbewegung, noch dazu ganz ohne Pferd. Diese Exkursion mit dem Vorläufer des Fahrrades gilt als Geburtsstunde der individuellen Mobilität. Mit dem Ur-Fahrrad wurde zum ersten Mal das Zweiradprinzip, also die Bewegung eines Fahrzeugs mit zwei Rädern auf einer Spur, verwirklicht.
Zum 200-jährigen Jubiläum dieser Fahrt zeigt das TECHNOSEUM in der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg „2 Räder — 200 Jahre. Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrrades“ knapp 100 Fahrräder — angefangen bei frühen Laufmaschinen-Modellen bis hin zum Singlespeed, das heute wieder im Trend liegt. Die Schau zeichnet die technische Entwicklungsgeschichte des Fahrrads ebenso nach wie seine gesellschaftliche Rolle und Relevanz im Laufe der Zeit: „Im Jahr 1817, als Pferde Luxusartikel waren und die meisten Menschen allenfalls zu Fuß einmal ihren Geburtsort verlassen konnten, war Drais mit seiner Erfindung der Zeit weit voraus“, erklärt Dr. Thomas Kosche, Sammlungsleiter am TECHNOSEUM. Drais selbst verkaufte allerdings nur wenige lizensierte Exemplare. Zwar erhielt er vom badischen Großherzog ein sogenanntes „Erfindungs-Patent auf zehn Jahre“, das außerhalb Badens jedoch vollkommen wertlos war.Vom Tretkurbel-Velociped zum SicherheitsniederradErst rund 50 Jahre später nahm die Weiterentwicklung mit dem Tretkurbel-Velociped wieder Fahrt auf. Nach der Weltausstellung 1867 in Paris wurde es zum Verkaufserfolg. Da es sich nur schwerfällig und langsam fahren ließ, vergrößerte man sukzessive den Durchmesser des Vorderrads. Beim in den 1870er- und 1880er-Jahren populären Hochrad betrug er schließlich um die anderthalb Meter. Damit ließ es sich zwar flott vorankommen, doch die Gefahr schwerer Stürze war groß. Es folgte schließlich das Sicherheitsniederrad, bei dem der Schwerpunkt tiefer und weiter hinten lag. Zwei gleich große Räder und die Übersetzung der Kurbeldrehung mit einer Kette auf das Hinterrad garantierten eine sichere und schnelle Fahrt. „Mit diesem Modell war die Fahrradform gefunden, die bis heute zum Einsatz kommt“, erläutert Kosche.Dem Fahrrad gehört die ZukunftNach 1900 wurde das Fahrrad zu einem Verkehrsmittel für die breite Bevölkerung, die Massenfertigung machte es auch für die Arbeiterschaft bezahlbar. Mit dem Boom von Autos und Motorrädern ab den 1950er-Jahren kam das Fahrrad jedoch wieder aus der Mode, erst in den letzten Jahrzehnten gab es eine Renaissance: „In westlichen Metropolen ist das Fahrrad derzeit auch Ausdruck eines Lebensgefühls und modisches Accessoire“, berichtet Kosche. „Und auch bei aktuellen Überlegungen zur Mobilität der Zukunft und zur Lebensqualität in der Stadt spielt es eine wichtige Rolle.“ Bis heute, so wird in der Schau deutlich, ist das Fahrrad ein weltweit unersetzliches Fortbewegungsmittel und ein zuverlässigerer Garant für Mobilität als etwa das Auto. Denn auch abseits der Wohlstandsregionen ist das Fahrrad erschwinglich, effizient und es benötigt zudem keinen Treibstoff, dessen Preis schwankt und dessen Verfügbarkeit ja bekanntlich begrenzt ist.
In der Ausstellung können die Besucherinnen und Besucher an interaktiven Stationen herausfinden, wie beispielsweise Übersetzung und Lenkung funktionieren oder wie Kerzen- und Karbidlampen sowie die elektrische Beleuchtung an einem Fahrrad arbeiten. In einer Werkstatt inmitten der Ausstellung gibt es praktische Tipps, wie man einen Reifen flickt, die Bremse richtig einstellt oder die Kette korrekt ölt. Nicht zuletzt stehen diverse Fahrradmodelle bereit, die die Besucher ausprobieren können — so darf man beispielsweise auf einem Hochrad probesitzen, mit dem Nachbau einer Drais’schen Laufmaschine eine Runde drehen oder den Unterschied zwischen Hartgummi-
und Luftbereifung am eigenen Leib erleben.Wer sich von der großen Sonderausstellung inspiriert fühlt, kann auch auf den Spuren des Freiherrn von Drais die Pionierfahrt nachvollziehen. Die Strecke von den Mannheimer Quadraten über Schloss, Rheinufer und durch den Waldpark bis nach Rheinau gehört zu den reizvollsten Fahrradrouten in Mannheim. Und im Unterschied zum Jahr 1817 ist sie auch in Sachen Radweg voll erschlossen. ‹2 Räder — 200 Jahre. Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrrades
11. November 2016 bis 25. Juni 2017
Technoseum, Mannheim
und Luftbereifung am eigenen Leib erleben.Wer sich von der großen Sonderausstellung inspiriert fühlt, kann auch auf den Spuren des Freiherrn von Drais die Pionierfahrt nachvollziehen. Die Strecke von den Mannheimer Quadraten über Schloss, Rheinufer und durch den Waldpark bis nach Rheinau gehört zu den reizvollsten Fahrradrouten in Mannheim. Und im Unterschied zum Jahr 1817 ist sie auch in Sachen Radweg voll erschlossen. ‹2 Räder — 200 Jahre. Freiherr von Drais und die Geschichte des Fahrrades
11. November 2016 bis 25. Juni 2017
Technoseum, Mannheim
TECHNOSEUM
Das TECHNOSEUM ist eines der großen Technikmuseen in Deutschland. Die Entwicklungen in Naturwissenschaften und Technik vom 18. Jahrhundert bis heute sowie der soziale und wirtschaftliche Wandel, den die Industrialisierung ausgelöst hat, sind Themen der Dauerausstellung. Maschinen werden nicht einfach gezeigt, sondern in Ensembles inszeniert, Vorführtechniker erklären Arbeitsabläufe und beantworten Fragen. Selbst aktiv werden darf man in der Experimentier-Ausstellung „Elementa“: Technische Erfindungen lassen sich hier durch eigenes Ausprobieren nacherleben. Mit Sonderausstellungen zu Themen aus Naturwissenschaften, Technik und Gesellschaft ist das Museum zugleich Forum für aktuelle Debatten. Komplettiert wird das Programm durch Vorträge, Workshops und spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche.
TerminFR 11. November 2016 bis SO 25. Juni 2017
AdresseTECHNOSEUM // Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim // Museumsstr. 1 // 68165 Mannheim // Telefon: 0621 4298-9 // E-Mail: info@technoseum.de
Öffnungszeitentäglich 9 bis 17 Uhr
Infoswww.technoseum.de