Heidelberger Schlossfestspiele

Knoblauch nicht vergessen!

Wir befinden uns im London des Jahres 1897. Der Psychiatriepatient Renfield ist von blutigen Wahnvorstellungen besessen. Die junge Lady Lucy Westenra erliegt, nach Schlafwandeln und Blutverlust, einer unbekannten Krankheit. Ihr Verlobter, Doktor Seward, holt seinen alten Professor Abraham Van Helsing zu Hilfe. Dieser diagnostiziert: Vampiralarm! Tatsächlich: Lucy kehrt als Untote wieder. Sie kann unschädlich gemacht werden. Aber wo ist die Ursache des Übels zu finden? Die Tagebücher des Anwaltsgehilfen Jonathan Harker von seiner Reise nach Transsilvanien geben Aufschluss. Sie bringen die Vampirjäger*innen auf die Spur Draculas, des ältesten und mächtigsten aller Vampire. Doch wird es ihnen gelingen, Dracula zur Strecke zu bringen, bevor er Jonathans schöne Ehefrau Mina infiziert? Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Die Ruinen über der Altstadt bilden die ideale Kulisse für das Vampirschloss in Transsilvanien. Als Theatermann Jürgen Popig schon vor seinem Heidelberger Engagement das Schloss nach möglichen Schauplätzen inspizierte, fiel ihm der gotische Erker des Bibliotheksbaus auf. Bei seinem Anblick dachte er sofort an Dracula. Es dauerte noch acht Jahre, bis jetzt Christian Brey die neue Bearbeitung des Horrorklassikers für die Heidelberger Schlossfestspiele inszeniert. Der Regisseur wurde unter anderem bei Harald Schmidt ausgebildet und ist dem Heidelberger Publikum bestens bekannt. Im Rahmen der Schlossfestspiele brachte er bereits Molières — bei Besuchern wie Presse gleichermaßen beliebte — Komödie „Der Geizige“ auf die Bühne und im Zwinger das Erfolgsstück „Wir sind die Neuen“. Den Soundtrack zu „Dracula“ liefert Tobias Cosler, ein Multitalent, das an vielen deutschen Theatern arbeitet und außerdem musikalischer Leiter auf Kreuzfahrtschiffen war. Für die Dracula-Inszenierung komponiert Tobias Cosler eine atmosphärische, an Stummfilmbegleitung orientierte Musik, die eine dreiköpfige Band mit Keyboard, Cello und Klarinette live spielt. Außerdem wurde mit Markus Pütterich ein waschechter Stuntman engagiert, was spektakuläre Aktionen erwarten lässt.

Schreiben bis zur Erschöpfung
Der irische Autor Bram Stoker hat über sechs Jahre an seinem Vampirroman geschrieben. Diesen durchzieht ein Geflecht von Gegensätzen: Bewusstsein und Unbewusstes, (Aber-)Glaube und Vernunft, Sterben und Unsterblichkeit, Technologie und Magie, Ost und West. Durch die Einführung eines transsilvanischen Vampirs ins aufgeklärt-kultivierte London gelingt es Stoker, ein tiefes Unbehagen an der technischen Kälte der modernen Lebenswelt zum Ausdruck zu bringen. Die Geschichte wimmelt von allen nur denkbaren technischen Hilfsmitteln und neuen Errungenschaften der damaligen Zeit: Eisenbahn, Telegramm, Phonograf, Stenografie, Elektrizität und Bluttransfusion. Gegen den Vampir wirksam sind aber letztlich altbewährte Mittel wie Kruzifix, Knoblauch, Holzpflock und Weihwasser.

Stokers Leben ist ebenfalls von dramatischen Gegensätzen gekennzeichnet, wie sie auch in die Dracula-Figur eingegangen sind. Bis zum Alter von sieben Jahren litt der 1874 in Clontarf bei Dublin geborene Autor an einer bis heute medizinisch nicht erklärten Gehunfähigkeit. Später, als Student am renommierten Trinity-College, war er der beste Sportler seines Jahrgangs. Wie sein streng protestantischer Vater schlug er die juristische Beamtenlaufbahn ein. Beruflichen Erfolg hatte er jedoch als Theaterkritiker und später als Manager des Schauspielstars Henry Irving sowie als Direktor des Londoner Lyceum Theatre, eines 1.500-Plätze-Hauses, in dem er unter anderem „Peter Pan“ produzierte. Zum Dichten kam Stoker nur nachts oder in den Ferien.Den Welterfolg seines „Dracula“ hat er nicht mehr erlebt. Bram Stoker starb 1912 „an Erschöpfung“. Der Vampir hatte ihn buchstäblich ausgesaugt.

Aus dem Untoten wird Dracula
Zunächst nannte der Autor seinen Roman „Der Untote“. Doch traf er kurz vor der Veröffentlichung im Mai 1897 eine folgenschwere Entscheidung: In letzter Minute bat er seinen Verleger, den Titel des Romans zu ändern — in „Dracula“. Niemand weiß, woher Stoker die Idee hatte oder was ihn zu diesem Entschluss bewog. Der neue Titel war jedenfalls eine geniale Findung und trug erheblich zum Erfolg des Romans bei. Er verlieh ihm die geheimnisvolle Aura des Schrecklichen, Gewalttätigen und Archaischen, die in vielen europäischen Sprachen anklingt: Drache, Dragon, Drac. Durch das angehängte „a“ erhält der Name Dracula zudem einen verführerischen, weiblich anmutenden Klang.

Im Rumänischen bezeichnet Drac den Teufel. Draculea steht für „Sohn des Teufels“. Stokers Bezugnahme auf die verbürgte Figur des Fürsten Vlad III., genannt Draculea (etwa 1431–1477), hat den Vampirmythos um eine historische Dimension erweitert und ihm dadurch ungeahnte Vitalität verschafft. Stoker erfasste die Persönlichkeit des walachischen Gewaltherrschers intuitiv: die sprichwörtliche Grausamkeit (er ließ seine Feinde auf Holzpfähle aufspießen — daher sein Beiname „der Pfähler“) sowie das Spöttische, sarkastisch Überlegene seines Charakters kennzeichnen unsere Vorstellung von Dracula bis heute. Die Premiere von Bram Stokers „Dracula“ ist am 29. Juni im Hof des Heidelberger Schlosses. Vergessen Sie Ihre Ration Knoblauch nicht! ‹

Dracula
Premiere: 29. Juni 2019, 20.30 Uhr, Schlosshof, Schloss
Heidelberg. Weitere Aufführungen am 05./07./11./12./14./15./
23./24./30./31. Juli 2019
Bildnachweis:
Ludwig Ola (Dracula)

Heidelberger Schlossfestspiele

Die weltbekannte und einzigartige Heidelberger Schlossruine bildet auch in dieser Sommersaison die Kulisse für die Schlossfestspiele. Im Schlosshof, im Dicken Turm und im Englischen Bau erwartet die Besucher ein abwechslungsreiches Programm bestehend aus Musical, Schauspiel, Konzert und Jungem Theater.
TerminFR 21. Juni bis SO 04. August 2019
AdresseTheater & Orchester der Stadt Heidelberg // Theaterstraße 10 // 69117 Heidelberg // Kartentelefon: 06221 58-20000 // E-Mail: tickets@theater.heidelberg.de
SpielorteSchloss Heidelberg
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    Die Affäre Rue de Lourcine – Monsieur Lenglumé wacht nach einem Klassentreffen mit einem ordentlichen Kater und einem fremden Mann neben sich auf. Die Erinnerungen lassen auf sich warten. Haben die beiden in der Nacht einen Mord begangen? Eugène Labiches Komödienklassiker wird in der Übersetzung von Elfriede Jelinek und mit Musik von Günter Lehr gespielt.
    Ab 21. Juni 2019, Dicker Turm, Heidelberger Schloss (Foto:Martin Stufferin)
  • Das sollten Sie nicht verpassen

    Flötenzauber und Schlossmusik – Mit ihren Flötentönen verzaubert die Heidelberger Querflötistin Kathrin Christians das Publikum – auf nationalen und internationalen Bühnen. Jetzt ist sie auf dem Heidelberger Schloss zu hören, wo sich Musik und später das funkelnde Feuerwerk zur Schlossbeleuchtung zu einem ganz besonderen Erlebnis in der Sommernacht vereinen.
    13. Juli 2019 mit Schlossbeleuchtung & 16. Juli 2019 mit mehr Musik, jeweils 20.30 Uhr, Schlosshof, Heidelberger Schloss (Foto: Ludwig Olah)
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    Le bon Can-Can! – Musik und Kulinarik, Gaumengenuss und Ohrenschmaus – ein Fest der Stimmen und der Sterneküche: das bietet die Open-Air-Gala „Le bon Can-Can!“. Orchesterglanz, begleitet von einem Gala-Menü aus Martin Scharffs Schlossweinstube, serviert in unvergesslicher Schloss-Kulisse. 25. & 28. Juli 2019, jeweils 19 Uhr, Schlosshof, Heidelberger Schloss (Foto:Annemone Taake)
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