Rhein-Neckar-Industriekultur

Burgen aus Backstein

Dort, wo der Rauch über den Fabrikschloten hängt, es laut und schmutzig ist, dort liegen die Schätze, die der Verein Rhein-Neckar-Industriekultur bewahren möchte: „Die meisten herkömmlichen Stadtführungen enden an der Kurpfalzbrücke. Was dahinter liegt, wird großzügig ausgespart“, berichtet Veit Lennartz, der gemeinsam mit Barbara Ritter seit den Anfängen im 2009 gegründeten Verein aktiv ist. „Wir wollen dagegen die versteckten Ecken zeigen, auf die faszinierende Architektur und die bewegten Geschichten der Industriebauten aufmerksam machen.“ Industriekultur ist für die Rhein-Neckar-Region von enormer Bedeutung. „Mannheim entwickelte sich um 1900 zum größten Mühlenzentrum Süddeutschlands und auch heute prägen Firmen wie Benz, BASF oder John Deere die Region“, erklärt Barbara Ritter.

Steinernes Symbol der Arbeiterbewegung

Nirgendwo lässt sich dem besser nachspüren als im Mannheimer Industriehafen: Bauten der Gründerzeit, des Jugendstils und der neuen Sachlichkeit stehen hier zwischen Firmenneubauten. Veit Lennartz hat gleich einen Tipp: „Das Mannheimer Schloss kennt jeder, aber wir empfehlen auch einen Ausflug zur Genossenschaftlichen Burg.“ Gemeint ist damit ein riesiges Areal auf der Friesenheimer Insel, das wahrhaft an eine Trutzburg erinnert. Der Bau ist jedoch kein aristokratisches Monument, sondern ein steinernes Symbol der Arbeiterbewegung. Der denkmalgeschützte Komplex aus den 1920er-Jahren gilt als architektonisches Paradebeispiel der Neuen Sachlichkeit und gewährt tiefe Einblicke in die Geschichte der Arbeiterschaft in Mannheim. An der Fassade des Backsteinbaus verweisen die Buchstaben GEG auf die einstige Nutzung: Die „Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumvereine“ produzierte hier unter anderem Mehl, Teigwaren und Malzkaffee. Das genossenschaftliche Unternehmen belieferte die Konsum-Filialen in Süddeutschland, in denen sich Arbeiter organisierten, um sich Lebensmittel zu fairen Preisen zu sichern. 1996 schloss mit der Mühle der letzte Produktionsbetrieb, heute dienen die Räume als Lager und Ateliers.

Eine ganz besondere Hafenrundfahrt

„Auf unserer Website haben wir mehr als 300 solcher Objekte in der Region beschrieben, darunter Mühlen, Klärwerke oder Produktionshallen“, berichtet Ritter. „Manche werden noch industriell genutzt, in anderen siedelt sich die Kreativwirtschaft an, wieder andere sind leider der Abrissbirne zum Opfer gefallen.“ Auch dafür macht sich der Verein stark: „Wir sehen uns auch als Bewahrer dieser Bauten, indem wir den Blick für ihre Besonderheiten schärfen.“ Das Jahresprogramm bietet viele Aktivitäten, darunter die „Tage der Industriekultur“ im August, Ausstellungen, Vorträge und Führungen. Ein Highlight sind zweifellos die Rundfahrten durch den Industriehafen auf der MS Kurpfalz. Und was ist der Reiz an der Industriekultur? „Man sieht überall noch die Gebrauchsspuren“, sagt Lennartz. Zudem muss man gerade in Mannheim nicht unbedingt an die Ränder der Stadt, um Industriekultur zu erleben: Der Wasserturm am Friedrichsplatz ist ebenfalls ein industriekulturelles Juwel.

Rhein-Neckar-Industriekultur e. V.
Infos und Termine: www.rhein-neckar-industriekultur.de
Bildnachweis:
Lutz Walzel

Rhein-Neckar-Industriekultur e. V.

AdresseValentin-Streuber-Straße 55 // 68199 Mannheim // Telefon: +49 (0) 621448823 // E-Mail: info@rhein-neckarindustriekultur.de
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