Schwetzinger SWR Festspiele

„Das Drama spielt sich in der Musik ab“

Das neue Werk ARGO von José Maria Sánchez-Verdú trägt den Untertitel „Dramma in Musica“, den du für den gedanklichen Einstieg in das Werk wichtig findest …
Ja, mit diesem Untertitel bezieht er sich ganz konkret auf einen Terminus aus dem 18. Jahrhundert, das „Dramma per Musica“, die italienische ernste „Opera Seria“, die — im Gegensatz zur komödiantischen „Opera Buffa“ — meist heroische oder mythologische Stoffe bevorzugte. Darüber hinaus betont José damit, dass sich das Drama „in“ der Musik abspielt. Damit bezieht er sich einerseits auf die musikgeschichtliche Tradition, deutet aus dieser heraus aber auch seine ganz eigene zeitgenössische Form der Oper an, die nahezu alle Aspekte des Dramas in die Musik verlegt.

Der Titel bezieht sich auf das wohl bekannteste Schiff der Mythologie — die Argo. Jason fuhr mit ihr über das Mittelmeer, um das Goldene Vlies zu stehlen, gemeinsam mit seinen Argonauten, unter ihnen bekannte Figuren wie Orpheus …
Neben diesen Figuren ist in Josés Stück ein weiterer Superstar der Mythologie, Odysseus, an Bord der Argo, der in den ursprünglichen Erzählungen eigentlich erst eine Generation später auf dem Mittelmeer seine Reise antritt. Die Figuren erscheinen dabei kaum noch als menschliche Charaktere, die im Sinne der altgriechischen Bedeutung des Wortes „drama“ handeln. Sie ähneln eher Zuständen, eingefrorenen Bewegungen eines Menschen in einer bestimmten Situation oder Verfassung. Sie sind wie Skulpturen, aus ihrem Handeln herausgeschnitten, verewigt, aber auch gefangen. Das Drama wird zu einer Art Installation.
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    Uraufführung: Die Schwetzinger Festspiele präsentieren die Auftragsarbeit "ARGO" des spanischen Komponisten José Maria Sánchez-Verdú.
Als die Sirenen die Argonauten mit ihrem Gesang bezwingen wollen, schützt Orpheus die Mannschaft durch seinen eigenen Gesang. Nur Butes stürzt sich ins Meer …
Eine wichtige Szene im Stück ist die Begegnung der Figuren mit den Sirenen, die dem Mythos zufolge eine so große Anziehungskraft haben, dass man sich ihnen nicht entziehen kann. Orpheus bezwingt sie mit seinem Gesang und schützt damit die Argonauten. Odysseus lässt sich eine Generation später an den Mast fesseln, um ihren Gesang gefahrlos hören zu können. Nur Butes löst sich aus den Reihen der Ruderer und springt bei den Sirenenklängen ins Wasser. In ARGO aber ist es eher so, als vollziehe sich der Sprung musikalisch an Butes. Hier ist Butes jemand, der sich hingibt, dem das Wasser an seinem Körper hochsteigt. Er lässt sich wie ein Apnoetaucher in die Tiefe sinken, ohne Flasche, ohne Schutz. Dieser Vorgang geschieht innermusikalisch. Die anderen Personen flankieren diesen Prozess des Eintauchens: Orpheus als Kunstfigur, die alles Natürliche mit ihrer Musik beherrscht und bezwingt, Odysseus, der sich in seiner Neugier die Kontrolle durch Fesseln auferlegt, und schließlich Jason, der aus seinem festgefügten inneren Plan heraus mit absoluter Ablehnung jeder Verführung widersteht. Alle flankieren sie Butes skulptural als mögliche Alternativen.

Die Begegnung mit den Sirenen ist der Moment, auf den am Ende alles zuläuft. Was bedeuten sie in diesem Stück?
Im Mythos kennen wir die Sirenen als gefährliche männermordende Wesen mit einem Vogelkörper mit Brüsten und einem Frauenkopf. Sie singen unwiderstehlich schön, ziehen die Männer an und töten sie dann auf brutale Weise. In der späteren Rezeption wurden sie über viele Stationen von Frauenvögeln über Nixen bis hin zu Männer verschlingenden Vamps stilisiert. In ARGO erscheinen sie hingegen nicht als konkrete Frauen im Kontext einer Mann-Frau-Thematik, sondern eher als Symbole eines musikalischen Urklangs, als Symbole für das Ungewisse, für das nicht Vorhersehbare, für Chaos, Spannung, Kreativität und Potenzial und damit für eine große Anziehung.
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„Die Figuren sind wie Skulpturen, aus ihrem Handeln herausgeschnitten, verewigt, aber auch gefangen.Das Drama wird zu einer Art Installation.“ Sabrina Hölzer


Du hast für die Sirenen auch ein musikalisch-szenisches Element gefunden …
Ich habe versucht, auch szenisch ein Symbol zu finden und deshalb dem Komponisten drei von mir entwickelte „Doppel-Hörner“ vorgeschlagen, die verbunden mit dem Gesang der Sirenen erscheinen und als ihr Körper sprechen. Wenn die Sirenen singen, erscheinen auf der Szene drei sich drehende große goldene Hörner mit je zwei Schallblüten, die Klänge in den Raum projizieren. So wie ein Leuchtturm kreisendes Licht streut. Sie sind für mich Stimmverstärker, Megafone, Lautsprecher. Als Trichter aber auch Schallbündler, Hörrohr und Lauschgerät. Trichter können als Megafone politischer Propaganda sowie als Abhörgeräte verwendet werden. In einem Doppelhorn verbinden sich beide Richtungen des Trichters, die nach innen und die nach außen. Dadurch wird es zu einem faszinierenden Symbol für das intensive Hören einer auf Verführung setzenden eindringlichen Stimme wie die der Sirenen. Ich war vor Kurzem im SWR-Experimentalstudio, um verschiedene Klänge zu hören, die José für die Hörner komponiert, und bin sehr gespannt, wie sich diese im Verlauf der weiteren Komposition entwickeln werden. ‹

ARGO. Dramma in musica (Uraufführung)
27. April 2018, 19 Uhr & 29. April 2018, 18 Uhr,
Rokokotheater/Schloss Schwetzingen

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Fotonachweise
Preview: Markus Zucker; Aufmacher: Erik-Jan Ouwerkerk; Silder Julio Jaime Sánchez-Verdú (Sánchez-Verdú); John Pollack (Hölzer)

Schwetzinger SWR Festspiele

Die Schwetzinger SWR Festspiele sind seit 1952 ein internationales Festival der klassischen Musik. Jährlich präsentieren sie im Frühjahr in den historischen Räumlichkeiten des Schwetzinger Schlosses über 50 Konzerte. Ihre Veranstaltungen werden vom Rundfunk begleitet und weltweit gesendet. Neben zahlreichen Konzerten umfasst das Programm auch Oper und Musiktheater, Klanginstallationen und viele SWR Kultur Sendungen vor Ort. Im Auftrag der Festspiele entsteht jedes Jahr eine Musiktheaterproduktion, mit deren Uraufführung die Saison festlich eröffnet wird.
TerminFR 27. April bis SA 26. Mai 2018
AdresseSchwetzinger SWR Festspiele gGmbH // Hans-Bredow-Straße // 76530 Baden-Baden //Kartentelefon: 07221 300200
SpielorteSchwetzinger Schloss, Dom zu Speyer und Dreifaltigkeitskirche, Speyer
  • Das sollten Sie nicht verpassen

    Konzerte in Speyer
    Zu erleben sind hochkarätige Ensembles, die für eine jeweils spezifische vokale Klangkultur stehen: In der Krypta des
    Doms zu Speyer erleben wir das belgische Ensemble graindelavoix, das uns mitnimmt in den Klangkosmos des 15. Jahrhunderts. Wenige Tage später geht es mit dem berühmten Tenebrae Choir weiter zur Tonkunst der iberischen Spätrenaissance.
    graindelavoix, 15. Mai 2018, 20 Uhr, Krypta Dom Speyer
    Tenebrae Choir & Nigel Short (Leitung), 20. Mai 2018,
    20 Uhr, Kirche St. Joseph, Speyer
  • Das sollten Sie nicht verpassen

    Residenzkünstlerinnen 2018 – In diesem Jahr sind zwei ganz besondere Künstlerinnen im Porträt zu erleben: Antje Weithaas und Tanja Tetzlaff. In unterschiedlichen Besetzungen, vom Solokonzert über Streichquartett bis hin zur Improvisation in der Reihe Grenzgänge, präsentieren die beiden Musikerinnen ihr vielseitiges Können.
    Antje Weithaas, 03. & 04. Mai 2018, jeweils 19.30 Uhr sowie 06. Mai 2018, 15 Uhr, Mozartsaal
    Tanja Tetzlaff, 11. & 18. Mai 2018, jeweils 19.30 Uhr, Mozartsaal sowie 12. Mai 2018, 21.30 Uhr, ­Orangerie
    und 13. Mai 2018, 15 Uhr, Jagdsaal/Schloss Schwetzingen
  • Das sollten Sie nicht verpassen

    Présence & GrauSchumacher PianoDuo – Vor 50 Jahren feierte „Présence“ von Bernd Alois Zimmermann seine szenische Uraufführung in Schwetzingen. Zum 100. Geburtstag des Komponisten kommt es zur Wiederaufnahme dieses zur Legende gewordenen Balletts – in unserem Programm kombiniert mit Klaviermusik von Bernd Alois Zimmermann und Claude Debussy, dem anderen Jubilar der Saison.
    08. Mai 2018, 19 Uhr, Rokokotheater/Schloss Schwetzingen; davor: SWR2 Roundtable zum 100. Geburtstag von Bernd Alois Zimmermann, 17.05 Uhr, Kammermusiksaal
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