› In 25 Jahren Enjoy Jazz war schon ziemlich viel zu erleben — unvergessliche Konzerte, Symposien, Ausstellungen, Auftritte von Legenden und Newcomern, neu zusammengestellte Bands und ungewöhnliche Veranstaltungsformate. Das aber gab es in der Enjoy-Jazz-Geschichte noch nicht: Zum ersten Mal überschreibt Gründer und Leiter Rainer Kern bei der Jubiläumsausgabe das Festival mit einem ebenso prägnanten wie offenen Motto: „Trust“ lautet das Wort zur Stunde. Vertrauen ins Gelingen, in die Kunst, ins Publikum, in die Künstler*innen. Und: Vertrauen von Seiten der Musiker*innen und Besucher*innen ins Festival mit seinen nicht nur musikalischen Positionen, sondern auch mit den Debatten, die es aufgreift oder anregt. Was wäre nach drei Jahren, die von pandemischen, politischen und gesellschaftlichen Krisen durchgerüttelt worden sind, wichtiger und passender als eben das: Trust?

Ein Motto als Türöffner und Ideengeber

Der Begriff fungiert als Türöffner und Ideengeber. Kern erzählt, dass er lange über die angemessene Form zum 25. Geburtstag nachgedacht hat. Die Entscheidung fiel gegen eine Ausweitung auf acht Wochen und für eine Konzentration und Intensivierung. Gut einen Monat lang wird Enjoy Jazz im Herbst 2023 die Region prägen. „Es können am Ende genauso viele Veranstaltungen sein oder eine mehr oder fünf weniger, das weiß ich noch nicht“, sagt Rainer Kern. „Tatsächlich zähle ich das gar nicht. Weniger Zeit wird den Menschen allerdings nicht als weniger Inhalt vorkommen. Vielleicht sogar als mehr.“
Zu dieser Verdichtung gehört auch ein Jubiläumsherzensprojekt, das zugleich das Motto „Trust“ aufgreift: Da über die Jahre enge Vernetzungen und Freundschaften mit anderen Festivals und Veranstalter*innen entstanden sind, vertraut Kern sieben davon jeweils einen Festivaltag an. Will heißen, dass diese mit einem Budget ausgestattet ein Programm kuratieren, das die eigene Handschrift trägt. Mit dabei sind das Istanbul Jazz Festival, das EFG London Jazz Festival, das Winter Jazz Festival in New York, das Summertime TLV JazzFest aus Tel Aviv, das Jarasum Jazz Festival Südkorea, das Festival au Désert aus Mali und das Nyege Nyege aus Uganda. Vier Kontinente sind damit vertreten, sieben sehr unterschiedliche Perspektiven, eigenständige Stile und geografische Besonderheiten. „Das soll einerseits als Zeichen meines Vertrauens verstanden werden — und andererseits als Zeichen des Respekts vor deren Arbeit“, betont Kern.

Stellung beziehen, Haltung zeigen

Die Einladung zeigt, wie eng die Welt kulturell zusammengewachsen ist und wie viel enger man noch künstlerisch zusammenarbeiten sollte, will man die Probleme der Menschheit gemeinsam adressieren. Für den Festivalleiter ist das die vielleicht wichtigste Triebfeder, sich mit Kunst zu beschäftigen: in ihr die aktuellen Debatten gespiegelt zu sehen, die Musik und ihre Entstehung immer zu kontextualisieren, vertrauensvoll zusammenzuwirken und sozialpolitisch eindeutige Stellungen zu beziehen. Dass bei dieser selbstgesetzten Mammutaufgabe nach 25 Jahren im ganzen Team noch immer eine „totale Euphorie“ zu spüren ist, eine unbändige Neugier auf die virulenten künstlerischen Ansätze — das, meint Rainer Kern, „ist schon ein Ding!“ ‹


Enjoy Jazz — Festival for Jazz and More
Oktober 2023
verschiedene Locations in der Kulturregion
enjoyjazz.de