Wenn Jürgen Flügge aus seiner roten Haustür tritt, steht er mitten in seinem Theater. Gut, wenn nicht gerade das Festival „Trommer Sommer“ über die Bühne geht, fällt das äußerlich kaum auf. Dann wirkt die alte Hofreite, die sich im Grasellenbacher Ortsteil Tromm in eine Mulde schmiegt, fast wie ein normales Bauernhaus: wuchtige Dächer, kleine Fenster, Geranien, Fachwerk, in einer Ecke ein Traktor. Doch das Wandgemälde mit den Theatermasken, die Skulpturen auf dem Gelände und der gläserne Anbau an der alten Scheune lassen erahnen, dass hier etwas Besonderes geschieht.

Spätestens am ersten Wochenende im August ist es nicht mehr zu leugnen: Das ist kein Bauernhof, sondern ein Theater. Dann steigt auf Flügges Hof der Trommer Sommer — ein Theaterfestival für Groß und Klein. 1996 hatte Flügge die Veranstaltung ins Leben gerufen. Seither kommen jedes Jahr im Sommer Künstler*innen, Schauspieler*innen und Musiker*innen aus der ganzen Welt. Und Tausende Gäste, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollen: „Im ersten Jahr waren es 2.500 Leute“, erinnert sich Flügge.

Theater auf dem Heuboden

Mehr als 25 Jahre später sitzt der Dramaturg und Theaterregisseur, der schon in Zagreb, London und Wien arbeitete, im Schatten seiner Scheune. Er trägt ein weißes Hemd und Sandalen. Auf dem Heuboden oben in der Scheune hat Flügge „als Bub“ Kasperletheater gespielt. Heute stehen dort „echte“ Schauspieler*innen auf der Bühne. Fünf Jahre nach der ersten Auflage des „Trommer Sommers“ gründete Flügge im höchstgelegenen Dorf des Odenwalds das Hof-Theater-Tromm. Vom gläsernen Foyer führen fünf Stufen auf den alten Heuboden, der Platz für 99 Gäste bietet. Gespielt wird von März bis Dezember: Theater, Kabarett, Musik, Lesungen — für Kinder und Erwachsene. Der Kuhstall ist zum „Ku(h)nststall“ geworden, wo Werke von Künstler*innen aus der ganzen Welt hängen.

Das Herzstück des Hof-Theaters ist und bleibt aber der „Trommer Sommer“. In dessen Rahmen feiert jedes Jahr auch ein großes Volkstheaterstück Premiere, das Flügge zusammen mit seinem Kollegen Danilo Fioriti inszeniert, der gleich um die Ecke in Hartenrod aufgewachsen ist. 2008 riefen die beiden Theatermänner die Sommerspiele Überwald ins Leben. Dort zeigen sie ihr Stück nach der Premiere auf der Tromm. Das Ensemble besteht aus 30 Laiendarsteller*innen.

Zurück zu den Wurzeln

Geboren ist Flügge 1944 in Darmstadt. Bis er zehn war, lebte er in der Natur auf dem Kühkopf. Dann kauften seine Eltern die Hofreite auf der Tromm, in der Flügge und seine Frau heute wohnen. Doch bevor das Bauernhaus zum Theater wurde, zog er in die Welt. In München studierte er Theaterwissenschaften, Germanistik und Sprachkunde, arbeitete später dort als Dramaturg am Theater der Jugend. Bevor er 1996 auf die Tromm zurückkehrte, hatte er 15 Jahre lang als Intendant in Häusern in ganz Deutschland gearbeitet und „tolle Erfolge“ gefeiert, wie er erzählt. Doch von seiner letzten Station, dem Staatstheater Braunschweig, wollte er irgendwann nur noch weg. Kurz zuvor hatte er das Haus seiner Eltern geerbt, was ihm nun gerade recht kam. Dass der Bauernhof schon bald „sein“ Theater werden würde, ahnte er damals nicht. Zum festen Ensemble des Hof-Theaters gehören inzwischen fünf Schauspielerinnen. Mit ihnen spielt Flügge nicht nur auf der Tromm, sondern besucht auch Schulen, bietet Theaterworkshops und Gastspiele an. Und so kann er endlich wieder Künstler sein — wie er es sich gewünscht hat, als er wieder auf die Tromm zog. Und ist sehr zufrieden mit seiner Position: als „Großintendant“ eines kleinen Schmuckstücks.

www.hof-theater-tromm.de


Tipp! Ein ausführliches Porträt des Hof-Theaters-Tromm finden Sie auf www.wosonst.eu, dem Reise- und Heimatmagazin Rhein-Neckar