Festspiele Ludwigshafen

Ein Vermächtnis und viele Überraschungen

› Auf die Fassade eines Bungalows sind TV-Kriegsbilder projiziert. Sie flackern, während eine WG auf ihrem Knautschlacksofa über verpasste Arzttermine lamentiert. In René Polleschs Stück „Ja, nichts ist ok“ ist das Publikum zu Gast bei Paul, Claudia und dem Misanthropen Stefan. Das Besondere: Alle drei werden von Fabian Hinrichs, auch bekannt als Nürnberger Tatort-Kommissar, verkörpert. Um von einer Rolle in die andere zu wechseln, genügen ihm wenige Requisiten, eine Brille zum Beispiel oder ein kurz übergeworfener Pulli.

Smarte Haushaltsgeräte und ein KI-Kühlschrank

Vernetzt sind die drei WG-Genossen mittleren Alters fast nur noch über die smarten Haushaltsgeräte und ihren sprechenden KI-Kühlschrank. Ansonsten haben sie sich nichts Bedeutendes mehr zu sagen. Ungewollt ist dieses melancholische Gesellschaftsporträt zum Vermächtnis von René Pollesch geworden, denn der 61-jährige Regisseur, Autor und Theatererneuerer starb überraschend im Februar, nur zwei Wochen nach der Premiere des Stücks an der Berliner Volksbühne.

Mit „Ja, nichts ist ok“ ist es Tilman Gersch, Festivalleiter und Intendant des Theaters im Pfalzbau, erneut gelungen, eine hochgelobte Inszenierung nach Ludwigshafen zu lotsen — ganz, wie es sein Credo ist. „Wir wollen bei den Festspielen ausnahmslos starke und bedeutsame Aufführungen zeigen“, beschreibt er seinen Anspruch. Diesen erfüllt auch ein Abend mit Lars Eidinger, der ebenfalls in Ludwigshafen zu Gast sein wird. Der Schauspieler, Regisseur und DJ rezitiert Gedichte aus Bertolt Brechts „Hauspostille“, die dieser zwischen 1916 und 1925 schrieb. Der Titel ist eine Anspielung auf die gleichnamige Predigtsammlung von Martin Luther. Pop-Ikonen wie Iggy Pop, Nick Cave und Tim Burton nahmen sich Brechts dunkle Poesie zum Vorbild.
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„Der schwarze Mönch“ ist ein opulentes Projekt des russischen Regisseurs und Dissidenten Kirill Serebrennikov. Als Grundlage diente die gleichnamige Novelle von Anton Tschechow über einen Geistlichen mit Visionen. Die Bühnenadaption eröffnete 2022 das Festival d’Avignon. Inzwischen wird sie erfolgreich am Hamburger Thalia Theater gespielt. Ebenfalls in eine magische Fantasiewelt entführt das Musiktheaterstück „Andersens Erzählungen“, das Regisseur Philipp Stölzl, Komponist Jherek Bischoff und Librettist Jan Dvořák für das Münchner Residenztheater produziert haben. In diesem Stück, das sich auch an jüngeres Publikum wendet, verweben sie die Biografie von Hans Christian Andersen mit dessen Märchen „Die kleine Meerjungfrau“.

Das Burgtheater zu Gast

Mit ihrer Überschreibung von „Der Raub der Sabinerinnen“ holen die Autorin Svenja Viola Bungarten und die Regisseurin Anita Vulesica am Wiener Burgtheater das komische Potenzial des Stücks hervor. Ursprünglich stammt der Schwank über einen finanziell angeschlagenen Gymnasialprofessor mit heimlicher Theaterleidenschaft von Franz und Paul von Schönthan. Die Brüder schrieben das Stück 1883. Für ihre Rolle als Rosa hat Dorothee Hartinger den Nestroy in der Kategorie „Beste Darstellung“ bekommen.

Neben den Gastspielen präsentiert das Theater im Pfalzbau auch eine eigene Produktion beim Festival. „Das Kaffeehaus“ von Carlo Goldoni führt in ein farbenfrohes bürgerliches Milieu des 18. Jahrhunderts. Protagonist ist Ridolfo, ein ehemaliger Diener, der sich mit einem Kaffeehaus auf einer Piazetta in Venedig selbstständig gemacht hat. Das Programm der Festspiele zeigt sich wieder facettenreich — von bildgewaltigen Theaterspektakeln bis hin zu intensiven Solostücken. Der Herbst kann kommen. ‹

Festspiele Ludwigshafen
12. Oktober bis 14. Dezember 2024
Theater im Pfalzbau
www.theater-im-pfalzbau.de
Bildnachweis:
Fabian Hinrichs in René Polleschs „Ja, nichts ist ok“, Foto: Thomas Aurin

Festspiele Ludwigshafen

Die Festspiele Ludwigshafen sind eine feste Größe im Programm des Theaters im Pfalzbau. Jedes Jahr im Herbst präsentieren sie Schauspiel- und Tanzaufführungen auf höchstem Niveau. Neben einem hochkarätigen Tanzprogramm, das von einem externen Kurator oder einer Kuratorin ausgewählt wird, steht bei den Festspielen auch alljährlich eine renommierte deutschsprachige Bühne im Fokus, die sich mit mehreren Gastspielen in Ludwigshafen präsentiert. So waren in den vergangenen Jahren unter anderem das Wiener Burgtheater, die Münchener Kammerspiele oder das Deutsche Schauspielhaus Hamburg mit ihren Inszenierungen zu Gast.
TerminSA 12. Oktober bis SA 14. Dezember 2024
AdressePfalzbau Bühnen // Berliner Straße 30 // 67059 Ludwigshafen // Kartentelefon: 0621 5042558 // E-Mail: pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de
SpielortePfalzbau Bühnen
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