› Der große Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld zitierte bei etlichen Gelegenheiten sein ihn lebenslang anspornendes Motto: „Ins Gelingen verliebt sein und in die Mittel des Gelingens.“ Vermutlich treibt dieses Verliebtsein jeden schöpferischen Menschen und Kultur-Ermöglicher an. Und wahrscheinlich würde auch Rainer Kern, Gründer, Leiter und Kreativmotor des Enjoy Jazz Festivals, seine Unterschrift unter diese Sentenz setzen, zumal sich Unseld den ersten Teilsatz vom größten Sohn Ludwigshafens geborgt hat, von Ernst Bloch. Bei ihm heißt es: „Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.“ Aber was genau heißt eigentlich „Gelingen“, „Verliebtsein“, welcher „Mittel“ bedarf es, und was bedeutet all das im Zusammenhang mit dem Enjoy Jazz Festival, das in diesem Jahr zum 24. Mal stattfindet?Keine KompromisseEine Antwort steckt schon in der Zahl 24. Wer seit 1999 kontinuierlich ein aufsehenerregendes Programm auf die Beine stellt, ein Jazz-Festival nach und nach zum größten in Deutschland ausgebaut hat, allen konjunkturellen, pandemischen und sonstigen Widrigkeiten zum Trotz erfolgreich wirtschaftet, Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt zu seinen Freund*innen zählen kann, ein treues und zahlreiches Publikum Jahr für Jahr zu bezirzen versteht, ohne dabei ästhetische Kompromisse einzugehen, der darf durchaus das Wort „Gelingen“ für sich in Anspruch nehmen. Ohne einen latenten Zustand des Verliebtseins ist das alles natürlich gar nicht denkbar. Wenn Rainer Kern und sein Team lediglich solide Geschäftsleute wären, dann wäre das Festival wahrscheinlich längst zu einer beliebigen Starparade verkommen oder gar eingegangen. Wer aber die Musik und ihre Protagonist*innen verehrt, wer sich immer wieder neu in Neues verguckt, der will seine Entdeckerlust auch mit dem Publikum teilen. Wer verliebt ist, möchte es die Welt wissen lassen — „Love is Contagious“, wusste schon Prince.
Und was die Mittel angeht, gehören Leidenschaft und Geschmack, Sachkenntnis und historisches Wissen, Spürsinn und Überzeugungskunst unbedingt dazu. Ausdauer und Disziplin können nicht schaden, genauso wenig wie Kontaktfreudigkeit und Kommunikationstalent. Zudem natürlich die Fähigkeit, Menschen zu begeistern und mit an Bord zu holen, um so ein Festival auch finanziell am Laufen zu halten. Und last, aber keinesfalls least: Man braucht ein Team, das all diese Eigenschaften teilt, das mitdenkt und mitspinnt, der Musik verfallen ist und, ja, ebenso ins Gelingen verliebt ist wie der Festivalleiter selbst.
23 Mal haben die Macher*innen von Enjoy Jazz bewiesen, dass man im Herbst die Bewohnerinnen und Bewohner einer ganzen Region in Jazz-Aficionados verwandeln kann. Und bei der 24. Ausgabe — diese Prognose ist nicht gewagt — dürfte es kaum anders sein. Zumal wenn man einen ersten Blick auf das Programm wirft: Die US-amerikanische Musikerin und Komponistin Angel Bat Dawid, die im Umfeld von Jaimie Branch, Makaya McCraven, Tim Daisy oder Damon Locks zu Hause ist, wird im Karlstorbahnhof Heidelberg zu Gast sein. Apropos Jaimie Branch und Makaya McCraven: Die Trompeterin, die im vergangenen Jahr dasHaus in Ludwigshafen elektrisierte, kehrt mit einem ebenso aufgeladenen Duo zurück — als Anteloper katapultiert Branch zusammen mit Schlagzeuger Jason Nazary das, was Miles Davis in den 1970ern begann, ins 21. Jahrhundert. Als einer der wichtigen Protagonisten der jungen amerikanischen Szene gilt auch Makaya McCraven. Der von Downbeat zum besten Schlagzeuger 2020 gekürte Shooting Star sollte letztes Jahr schon zu Gast sein; umso schöner, dass sein Konzert nun nachgeholt wird. Newcomer und alten HasenUnd Enjoy Jazz ist auch 2022 wieder eine Mischung aus Newcomern und alten Hasen. Zu Ersteren zählen etwa der britische Pianist, Produzent und MC Alfa Mist oder das Londoner Balimaya Project, dessen Mitglieder mit ihrer Musik zwischen Jazz und den westafrikanischen Traditionen ihrer Vorfahren vermitteln wollen. Zu Letzteren gehören der Mandolinen-Virtuose Chris Thile oder Tausendsassa Chilly Gonzales, die man kaum noch vorstellen muss. Und das sind freilich nur ein paar wenige von insgesamt rund 60 Highlights in diesem Jahr. Auf ein gutes Gelingen! ‹
Enjoy Jazz — 24th Festival for Jazz and More
02. Oktober bis 12. November 2022
Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen
www.enjoyjazz.de
Enjoy Jazz — 24th Festival for Jazz and More
02. Oktober bis 12. November 2022
Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen
www.enjoyjazz.de
Bildnachweis:
Bunny BreadEnjoy Jazz Festival
Seit seiner Premiere 1999 hat sich Enjoy Jazz zu einem international renommierten Festival und zum größten Jazzfestival Deutschlands entwickelt. Neben Legenden wie Ornette Coleman oder Wayne Shorter präsentiert das „Internationale Festival für Jazz und anderes“ immer auch die Größen der jüngeren Jazzgeneration und spannt den Bogen zu angrenzenden Genres wie Weltmusik, Elektronik, Hip-Hop und Klassik. Komplettiert werden die rund 70 Konzerte durch Workshops, Matineen, Partys und Vorträge.
TerminSO 02. Oktober bis SA 12. November 2022
AdresseEnjoy Jazz GmbH // Bergheimer Straße 153 // 69115 Heidelberg // Tel: 06221 5835850 // E-Mail: info@enjoyjazz.de
SpielorteVerschiedene Orte in und rund um Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen
Infoswww.enjoyjazz.de