› Angenommen, Mozart würde heute leben. Würde er bei Fridays for Future demonstrieren oder seine Hände mit Sekundenkleber auf den Asphalt kleben?
Es gibt viele Theorien darüber, wie politisch Mozart eigentlich war. Natürlich war er in erster Linie Komponist, doch in seiner Bibliothek stand so einiges an aufklärerischer Literatur. Er war auch Mitglied der Freimaurer, die damals eine Keimzelle der Aufklärung waren. Im Zeitalter der französischen Revolution ging es dort natürlich um andere Fragen, um den Kampf zwischen Wissenschaft und Religion sowie Volks- gegen Königsherrschaft. Ob er sich tatsächlich auf die Straße geklebt hätte? Er hätte wahrscheinlich keine Zeit dafür gehabt.
Worin besteht der Auftrag der Kunst bei der Bewältigung von Problemen wie der Umweltkrise?
Ich glaube, das Spielerische ist für den Menschen eine Notwendigkeit, weil die Realität, wie sie sich gerade auch in diesen Tagen zeigt, etwas Erdrückendes hat. Man hat das Gefühl, dass es gar keine Lösung geben kann, und je länger man sich damit beschäftigt, desto düsterer wird der Eindruck. Tatsächlich zeigt die Geschichte aber, dass sich die Menschheit immer wieder am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat. Das hat etwas mit Fantasie zu tun: Man stellt sich einen besseren Zustand vor, egal wie unrealistisch er im Moment erscheint. Danach folgen die vielen kleinen notwendigen Schritte, für die Künstler und Künstlerinnen nicht die geeigneten Personen sind. Aber wir haben den Vorteil, dass wir nicht wissenschaftlich oder politisch argumentieren müssen. Können Sie dazu ein Beispiel aus dem Programm nennen?
Die Oper „Cosmic Drama“ von Philippe Quesne zeigt eine Gruppe von Reisenden oder Raumfahrenden, die in einem ausgehöhlten Meteoriten durch das Weltall fliegen und einen zärtlichen Umgang mit all den Meteoriten und seltsamen Dingen pflegen, die sie dort finden. Das ist ein Traumbild, in dem das Verhältnis zum Kosmos nicht von Ausbeutung, sondern von liebevoller Zuwendung geprägt ist. Man kann natürlich sagen, dass das Stück fantastisch ist und nichts mit uns zu tun hat, aber es hinterlässt ein starkes Gefühl.
Der Mannheimer Sommer ist schon vor Festivalbeginn mit einem Countdown, einer Reihe mit Vorträgen und Kammermusik, gestartet. Wie setzen Sie Wissenschaft und Kunst in Beziehung zueinander?
Wir haben unsere Musiksalon-Reihe umfunktioniert und probieren aus, ob die emotionale Öffnung, die Musik ermöglicht, in ein produktives Verhältnis zum wissenschaftlichen Denken treten kann. Die Veranstaltungsreihe heißt „Countdown“, da das Festival viel mit Starten zu tun hat und in einen Kongress mündet, bei dem wir einerseits musikalisch argumentieren und anderseits mit wissenschaftlichen Vorträgen oder auch lebenspraktischen Workshops zeigen, wie man sein Leben im ökologischen Sinne verändern kann.
Kann man denn Klima-Musik komponieren?
Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Die schwedische Komponistin Malin Bång etwa hat ein zeitgenössisches Stück komponiert, in dem sie sich mit bestimmten Pflanzenhormonen beschäftigt, die zeigen, ob eine Pflanze gestresst ist oder sich wohlfühlt. Dieses Stück ist sehr geräuschhaft, es knistert, sodass man das Gefühl hat, in das Innerste der Pflanze zu schauen. Wir werden dieses Stück neben der Premiere des Musiktheaterstücks „The Damned and the Saved“ spielen, das ebenfalls von Bång komponiert wurde. Abgesehen von diesem inhaltlichen Zugang gibt es auch das Beispiel des Orchesters des Wandels, das deutsche Orchester gemeinsam gegründet haben, um den Gedanken der Nachhaltigkeit voranzutreiben. Es wird ein Benefizkonzert mit Musik der Aufklärungsepoche geben, unter anderem von Telemann und Haydn. Mit einer ökologischen Musterwohnung im Foyer werden Sie ganz konkret. Was erwartet die Festival-Besucher*innen dort?
Es handelt sich um eine Einzimmerwohnung, in der alle Verursacher von Energieverschwendung und schädlichem Kohlendioxidausstoß benannt werden und vorgeschlagen wird, wie sie sich ersetzen lassen. Gleichzeitig stellt die Wohnung eine Skulptur im Raum dar. Wir wollen zeigen, dass das neue Verhältnis zur Umwelt Spaß machen kann und eine schönere Welt ermöglicht. Eine energieneutrale Stadt zum Beispiel ist keine Stadt, die trist, langweilig und leer ist, sondern eine Stadt, die viel mehr Lebensqualität als die heutigen Städte bietet, weil der Autoverkehr entscheidend zurückgedrängt ist und dadurch viel mehr Platz für die Menschen vorhanden ist. ‹
Mannheimer Sommer
Internationales Festival für Musik und Theater von Mozart bis heute
16. bis 26. Juni 2022
Nationaltheater Mannheim, Schloss und Schlosspark Schwetzingen
www.mannheimer-sommer.de
Wie bedingungslos muss Widerstand sein? Diese grundsätzliche Frage stellt der Mannheimer Hausautor Pat To Yan in seinem Libretto zur Oper „The Damned and the Saved“ der schwedischen Komponistin Malin Bång. Er geht ihr am Beispiel zweier Freundinnen nach, die unter einem repressiven Regime leiden. Die eine wählt die innere Migration, die andere den offenen Kampf. Eine Kooperation mit der Münchener Biennale.
16. & 26. Juni 2022, 20 Uhr / 21. Juni 2022, 19 Uhr, Nationaltheater Mannheim NEO DOME I
Der Titel ist ein Anagramm zu „Idomeneo“, musikalisch handelt es sich um eine Neufassung der Mozart-Oper durch den US-amerikanischen Komponisten Ethan Braun. Sie konzentriert sich dabei auf den Moment, als das durch menschliche Fehler aufgewühlte Meer zur Strafe ein Monstrum schickt. In Szene gesetzt wird die Handlung von der israelischen Performance- Gruppe Ariel Efraim Ashbel and Friends.
23. & 24. Juni 2022, 20 Uhr, 26. Juni 2022, 17 Uhr, Rokokotheater Schwetzingen
Black Marrow
Mit dem Titel „Black Marrow“ („Schwarzes Mark“) spielt die isländische Choreografin Erna Ómarsdóttir auf die Rolle des Erdöls in unserer industrialisierten Welt an. Zum Sound von Filmkomponist Ben Frost, in Deutschland bekannt durch die Titelmusik zur Serie „Dark“, erschafft sie mit der Iceland Dance Company kraftvoll-poetische Bilder.
18. Juni 2022, 20 Uhr, Nationaltheater Mannheim
Es gibt viele Theorien darüber, wie politisch Mozart eigentlich war. Natürlich war er in erster Linie Komponist, doch in seiner Bibliothek stand so einiges an aufklärerischer Literatur. Er war auch Mitglied der Freimaurer, die damals eine Keimzelle der Aufklärung waren. Im Zeitalter der französischen Revolution ging es dort natürlich um andere Fragen, um den Kampf zwischen Wissenschaft und Religion sowie Volks- gegen Königsherrschaft. Ob er sich tatsächlich auf die Straße geklebt hätte? Er hätte wahrscheinlich keine Zeit dafür gehabt.
Ich glaube, das Spielerische ist für den Menschen eine Notwendigkeit, weil die Realität, wie sie sich gerade auch in diesen Tagen zeigt, etwas Erdrückendes hat. Man hat das Gefühl, dass es gar keine Lösung geben kann, und je länger man sich damit beschäftigt, desto düsterer wird der Eindruck. Tatsächlich zeigt die Geschichte aber, dass sich die Menschheit immer wieder am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat. Das hat etwas mit Fantasie zu tun: Man stellt sich einen besseren Zustand vor, egal wie unrealistisch er im Moment erscheint. Danach folgen die vielen kleinen notwendigen Schritte, für die Künstler und Künstlerinnen nicht die geeigneten Personen sind. Aber wir haben den Vorteil, dass wir nicht wissenschaftlich oder politisch argumentieren müssen. Können Sie dazu ein Beispiel aus dem Programm nennen?
Die Oper „Cosmic Drama“ von Philippe Quesne zeigt eine Gruppe von Reisenden oder Raumfahrenden, die in einem ausgehöhlten Meteoriten durch das Weltall fliegen und einen zärtlichen Umgang mit all den Meteoriten und seltsamen Dingen pflegen, die sie dort finden. Das ist ein Traumbild, in dem das Verhältnis zum Kosmos nicht von Ausbeutung, sondern von liebevoller Zuwendung geprägt ist. Man kann natürlich sagen, dass das Stück fantastisch ist und nichts mit uns zu tun hat, aber es hinterlässt ein starkes Gefühl.
Wir haben unsere Musiksalon-Reihe umfunktioniert und probieren aus, ob die emotionale Öffnung, die Musik ermöglicht, in ein produktives Verhältnis zum wissenschaftlichen Denken treten kann. Die Veranstaltungsreihe heißt „Countdown“, da das Festival viel mit Starten zu tun hat und in einen Kongress mündet, bei dem wir einerseits musikalisch argumentieren und anderseits mit wissenschaftlichen Vorträgen oder auch lebenspraktischen Workshops zeigen, wie man sein Leben im ökologischen Sinne verändern kann.
Da gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Die schwedische Komponistin Malin Bång etwa hat ein zeitgenössisches Stück komponiert, in dem sie sich mit bestimmten Pflanzenhormonen beschäftigt, die zeigen, ob eine Pflanze gestresst ist oder sich wohlfühlt. Dieses Stück ist sehr geräuschhaft, es knistert, sodass man das Gefühl hat, in das Innerste der Pflanze zu schauen. Wir werden dieses Stück neben der Premiere des Musiktheaterstücks „The Damned and the Saved“ spielen, das ebenfalls von Bång komponiert wurde. Abgesehen von diesem inhaltlichen Zugang gibt es auch das Beispiel des Orchesters des Wandels, das deutsche Orchester gemeinsam gegründet haben, um den Gedanken der Nachhaltigkeit voranzutreiben. Es wird ein Benefizkonzert mit Musik der Aufklärungsepoche geben, unter anderem von Telemann und Haydn. Mit einer ökologischen Musterwohnung im Foyer werden Sie ganz konkret. Was erwartet die Festival-Besucher*innen dort?
Es handelt sich um eine Einzimmerwohnung, in der alle Verursacher von Energieverschwendung und schädlichem Kohlendioxidausstoß benannt werden und vorgeschlagen wird, wie sie sich ersetzen lassen. Gleichzeitig stellt die Wohnung eine Skulptur im Raum dar. Wir wollen zeigen, dass das neue Verhältnis zur Umwelt Spaß machen kann und eine schönere Welt ermöglicht. Eine energieneutrale Stadt zum Beispiel ist keine Stadt, die trist, langweilig und leer ist, sondern eine Stadt, die viel mehr Lebensqualität als die heutigen Städte bietet, weil der Autoverkehr entscheidend zurückgedrängt ist und dadurch viel mehr Platz für die Menschen vorhanden ist. ‹
Mannheimer Sommer
Internationales Festival für Musik und Theater von Mozart bis heute
16. bis 26. Juni 2022
Nationaltheater Mannheim, Schloss und Schlosspark Schwetzingen
www.mannheimer-sommer.de
Nicht verpassen!
The Damned and the SavedWie bedingungslos muss Widerstand sein? Diese grundsätzliche Frage stellt der Mannheimer Hausautor Pat To Yan in seinem Libretto zur Oper „The Damned and the Saved“ der schwedischen Komponistin Malin Bång. Er geht ihr am Beispiel zweier Freundinnen nach, die unter einem repressiven Regime leiden. Die eine wählt die innere Migration, die andere den offenen Kampf. Eine Kooperation mit der Münchener Biennale.
16. & 26. Juni 2022, 20 Uhr / 21. Juni 2022, 19 Uhr, Nationaltheater Mannheim NEO DOME I
23. & 24. Juni 2022, 20 Uhr, 26. Juni 2022, 17 Uhr, Rokokotheater Schwetzingen
Black Marrow
Mit dem Titel „Black Marrow“ („Schwarzes Mark“) spielt die isländische Choreografin Erna Ómarsdóttir auf die Rolle des Erdöls in unserer industrialisierten Welt an. Zum Sound von Filmkomponist Ben Frost, in Deutschland bekannt durch die Titelmusik zur Serie „Dark“, erschafft sie mit der Iceland Dance Company kraftvoll-poetische Bilder.
18. Juni 2022, 20 Uhr, Nationaltheater Mannheim
Bildnachweis:
Martin Argyroglo (Aufmacher)Mannheimer Sommer
Der Mannheimer Sommer möchte — in Fortsetzung des erfolgreichen „Mannheimer Mozartsommers“ — den Blick noch weiter öffnen möchte auf die Fülle dessen, was die europäische Kultur hervorgebracht hat — und weiterhin hervorbringt! Gastspiele aus dem erweiterten Musiktheaterbereich ergänzen diese große Eigenproduktion: Performance, Tanz, Neue Musik, inszenierte Konzerte. Unterschiedliche Stile sind gefragt: vom klassischen Lied über Weltmusik bis zum Pop kann alles zur Grundlage für neuartige Musiktheaterabende werden.
TerminDO 16. bis SO 26. Juni 2022
AdresseNationaltheater Mannheim // Goetheplatz // 68161 Mannheim //
Kartentelefon: 0621 1680-150 // E-Mail: nationaltheater.kasse@mannheim.de
Kartentelefon: 0621 1680-150 // E-Mail: nationaltheater.kasse@mannheim.de
SpielorteNationaltheater Mannheim & Schloss Schwetzingen