Wormser Museen

Barfuß in eine neue Zeit

› Sie verbannten Ballettschuhe und Tutu in den Schrank und traten barfuß auf. Wegbereiter des modernen Tanzes wie Isadora Duncan, Rudolf von Laban oder Mary Wigman brachen mit bürgerlichen Konventionen und auch in den Nachtclubs und Tanzlokalen der Großstädte war ein Hauch von Rebellion zu spüren, wenn die Frauen in kniefreien Kleidern übers Parkett wirbelten.

Porzellanfiguren, Grafiken, Schatullen und Tanzschuhe

Hundert Jahre ist es her, dass in den Goldenen Zwanzigern Kreativität und Lebensfreude einen neuen Ausdruck im Tanz fanden. Anlässlich dieses Jubiläums beleuchtet die Ausstellung die Entwicklung des Tanzes in dieser Zeit. „Tanz ins Zwanzigste“ zeigt mit zahlreichen Exponaten, wie der Tanz gesellschaftliche Entwicklungen reflektierte und Kunstschaffende inspirierte, tänzerische Ausdrucksformen in Skulpturen und Grafiken zu übertragen. Die Bestände der gemeinnützigen Letter Stiftung zu diesem Thema werden in mehreren deutschen Städten gezeigt, unter anderem in Worms.

Ergänzt werden die Kölner Exponate durch eine Auswahl kunstgewerblicher Objekte aus der Sammlung des Mannheimer Kulturhistorikers Wolfgang Knapp, die im Weißen Saal des Andreasstifts zu sehen sind. Porzellanfiguren, Grafiken, Schatullen und Tanzschuhe vermitteln einen Eindruck, wie sich der Tanz in der häuslichen Wohn- und Populärkultur der 1910er- bis 1970er-Jahre widerspiegelt.
  • Arminius Hasemann tanzende Tode andreasstift heylshof museum worms
    Arminius Hasemann, „Tanzende Tode“, 1921, Holzschnitt, Dokumentation © LETTER Stiftung, Köln
  • Kathleen Bagot Verlockung des Fischers andreasstift heylshof museum worms
    Kathleen M. Bagot, „Verlockung des Fischers“, 1912, Linolschnitt mit Goldfarbe koloriert, Dokumentation © LETTER Stiftung, Köln
  • willy herzig andreasstift heylshof museum worms
    Willy Herzig, „Zum 5 Uhr Tee – Five o´clock Tea“, Foto: Wolfgang Knapp
Das Besondere am Tanz: Er existiert nur für einen Augenblick und ist die flüchtigste aller Kunstformen. Diese Vergänglichkeit, Leichtigkeit und Anmut inspirierten seit Jahrhunderten Kunstschaffende. Sie verewigten die dynamischen Bewegungen auf dem Papier oder gossen sie in Bronze.

Die Sonderausstellung „Tanz ins Zwanzigste“ zeigt, wie das gewandelte gesellschaftliche Selbstverständnis angesichts zunehmender Industrialisierung und rasanter Urbanisierung nicht zuletzt auch in einer neuen Tanzkultur mündete. Berühmte Bühnen- und Schleiertänzerinnen entwickelten aus dem strengen Kanon des klassischen Balletts freiere, natürlichere Bewegungsformen, die schließlich im Ausdruckstanz ihren Höhepunkt fanden.

Zweifel am Fortschritt und Zivilisationskritik

Die Kunstschaffenden feierten auch die neue Freiheit des Körpers und stellten das bewegte Tanzmotiv in Bildhauerei oder Malerei und Grafik dar. Zu ihnen gehörte unter anderem Leo Rauth, der sich vom Münchner Jugendstil um Franz von Stuck anregen ließ. Seine plakativen Werke zeigen Szenen aus Varieté und Karneval, wie eine spärlich bekleidete Tänzerin im Krinolinenrock. Zwei Bronzen von Rudolf Kaesbach stellen zwei junge Frauen dar, die ausgelassen barfuß tanzen (Abbildung oben).

Die neuen gesellschaftlichen Strömungen beeinflussten auf vielfältige Weise den tänzerischen Ausdruck. Auch die Kenntnisse anderer Kulturen, vermittelt durch Weltausstellungen und Reisen, wirkten prägend. Außerdem äußern sich in den Bewegungsformen ein wachsender Zweifel am Fortschritt und eine neue Zivilisationskritik, wie sie zum Beispiel die Lebensreformbewegung übte. Ihre Vertreter*innen propagierten um 1900 den Tanz in freier Natur. ‹


Tanz ins Zwanzigste
09. März bis 16. Juni 2024
Museum der Stadt Worms im Andreasstift, Museum Heylshof
www.museum-andreasstift.de
www.heylshof.de
Bildnachweis:
Rudolf Kaesbach, „Tänzerinnen“, LETTER Stiftung Köln, Foto: Jean-Luc Ikelle-Matiba
Leo Rauth, „Krinolinentanz“, LETTER Stiftung Köln

Museum der Stadt Worms im Andreasstift

In einem der schönsten Gebäude von Worms, im vormaligen St. Andreasstift, präsentiert das Museum der Stadt Worms eine spannende Reise durch die Stadtgeschichte. Regelmäßige Sonderausstellungen greifen aktuelle Themen auf. Zum reichen Schatz des Museums gehören zahlreiche Grabungsfunde aus der Stadt und der näheren rheinhessischen Umgebung aus der Bronze- sowie der Jungsteinzeit. Nicht weniger eindrucksvoll ist die Römische Abteilung des Museums: Dort befinden sich Weiheinschriften, Altäre, Tafelgeschirr, prachtvolle Gläser und Krüge. Die Funde der Franken, die Worms um 500 n. Chr. besiedelten, bereichern die Sammlung und Luthers historisch bedeutsamer Auftritt vor dem Wormser Reichstag 1521 wird im Museum genauso gewürdigt wie die Stadtgeschichte des frühen Mittelalters bis zur Neuzeit.
AdresseMuseum der Stadt Worms im Andreasstift // Weckerlingplatz 7 // 67547 Worms // Telefon: 06241 853-4105/-4101 // E-Mail: museum@worms.de // Facebook: @Museum der Stadt Worms im Andreasstift // Instagram: @museum_andreasstift
ÖffnungszeitenDienstags bis sonntags sowie feiertags 11–17 Uhr, montags geschlossen
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