Schlösser & Gärten Hessen

Geschichte statt Getreide

> Der Betonboden ist dunkel, die neu eingezogene Decke schwarz. Wer durch die massive Stahltür in das Innere des Gebäudes tritt, fühlt sich wie in einer Black Box. Nur ein paar Lichtspots erhellen während der Führung einzelne Steinfragmente. Viel Stahl, Eichenholz und Glas wurde hier verwendet. Diese Materialien wirken nicht nur sehr ästhetisch, sie erinnern auch an die frühere, durchaus profane Nutzung dieses Raums — als Depot und Lagerstätte. Diesen Eindruck zu erhalten war eines der Hauptanliegen des Architekturbüros Sichau & Walter in Fulda. Der stattliche Bau im Südwesten des Klostergeländes fungierte einst als Zehntscheune, jetzt dient er als Ausstellungsort.

„Wo der Pflug hingeht, geht auch der Zehnt hin.“

Nicht umsonst heißt es in einem christlichen Lied: „Wo der Pflug hingeht, geht auch der Zehnt hin.“ Seit dem Altertum galt es als üblich, dass Bauern eine etwa zehnprozentige Steuer in Form von Geld oder Naturalien an Tempel, Kirche oder weltliche Gutsherren, Fürsten und Könige zu entrichten hatten. So war das auch Ende des 16. Jahrhunderts in der Kurpfalz, als die Lorscher Zehntscheune entstand — ein Gebäude von stolzen 80 Metern Länge. Beeindruckend sind nicht nur ihre Ausmaße, sondern auch der Zeitpunkt der Erbauung: Das Kloster wurde 1557 aufgehoben, die Zehntscheune in den 1590er-Jahren errichtet. Die abgabepflichtigen Höfe der Umgebung zahlten ihren Zehnt damals mit Getreide. Noch heute zeugen die Holzbalken im Inneren des Baus von seiner ursprünglichen Nutzung als Speicher.

Dass dieses Gebäude seit März 2016 Besucherinnen und Besuchern des Klosters Lorsch als Schaudepot offen steht, ist dem Investitionsprogramm der Nationalen UNESCO-Weltkulturerbestätten sowie dem Kulturinvestitionsprogramm des Landes Hessen zu verdanken. Mit diesen Mitteln wurde in
den letzten Jahren die historische Zehntscheune baulich und technisch umgestaltet. Im Erdgeschoss befindet sich ein Ausstellungsbereich, während das Dachgeschoss ein wissenschaftliches Depot beherbergt.
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    Einblicke statt Abgaben – In der ehemaligen Zehntscheune, in der früher die Abgaben der Bauern gelagert wurden, präsentiert das Kloster Lorsch heute archäolo­gische Stücke.
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    Mit besonderen Scheinwerfer-Projektionen wird im neuen Schaudepot die Vergangenheit sichtbar gemacht.
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    Eine gelungene Verbindung von Altem und Neuem: Mit Eichenholz, Stahl und Glas wurde die ehemalige Zehntscheune zum modernen Museum umgestaltet.
Zeitreise in die Klostergeschichte

In den neu gestalteten Räumen gehen die Touristen auf eine spannende Zeitreise in die Klostergeschichte. „Wir haben bewusst auf Beschriftungen der Exponate verzichtet“, sagt Karl Weber, Direktor der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen. Das fordere den Entdeckergeist heraus und es bleibe Platz für eigene Assoziationen. Auf einen Refektoriumstisch im mittleren Gebäudeabschnitt werden Abbildungen und Grabungspläne projiziert. Außerdem stehen digitale Hilfsmittel zur Verfügung, die die Führer in ihre Erklärungen einbeziehen.

„Die Zehntscheune, die selbst Teil der bewegten Geschichte des Klosters Lorsch ist, spielt heute eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, den Besuchern die Geschichte des Weltkulturerbes zu präsentieren“, betont Weber. Das neue Konzept bietet den Besuchern anschauliche Bilder des einstigen Königsklosters, während die Scheune selbst zum greifbaren Teil des „verlorenen Klosters“ wird. Zudem können die Besucher nun dauerhaft Lorscher Grabungsobjekte am Ort ihrer Entdeckung besichtigen, die zuvor an verschiedenen Stellen aufbewahrt und ausgestellt wurden. Es handelt sich um Funde aus einer 200 Jahre langen Grabungsgeschichte. „Durch diesen Kontext wirken die Funde noch lebendiger und zeichnen ein plastisches Bild des historischen Klosterlebens“, erläutert Weber die Idee dahinter. Und diese Geschichte ist umfangreich: Die Exponate stammen aus ganz unterschiedlichen Epochen — von der Römer- über die Karolingerzeit und die Gotik bis hin zur Neuzeit.
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    Ein imposantes Zeugnis karolingischer Steinmetzkunst: der Sarkophag Ludwig des Deutschen.
Berühmter Sarkophag

Die Stücke aus dem zweiten und dritten Jahrhundert sowie die karolingischen Säulen und Kapitelle aus der Blütezeit des Klosters ergänzen eine große Zahl bedeutender Kleinfunde aus Metall, Glas und Keramik. Sie geben Aufschluss über spezialisierte Handwerksstätten im früheren Kloster. Eines der bekanntesten Exponate im Schaudepot ist ein Pilastersarkophag aus dem neunten Jahrhundert, auch bekannt als „Sarkophag Ludwigs des Deutschen“, dessen Relief an den Fassadenschmuck der Tor- oder Königshalle erinnert.

Und so gibt es einiges zu entdecken im neuen Schaudepot in Lorsch. Dass das so bleibt, dafür sorgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die weiter eifrig daran arbeiten, den durchaus noch zahlreichen Geheimnissen und Rätseln des Klosters auf die Spur zu kommen. Ihre Erkenntnisse und Ergebnisse werden kontinuierlich in die Ausstellung integriert — es bleibt also spannend in Lorsch. <

Schaudepot Zehntscheune
Öffnungszeiten — Das Schaudepot ist nur im Rahmen einer Führung zugänglich (Dauer: mind. 90 Minuten, max. 20 Personen)
Führungen — Februar bis Oktober: täglich außer Montag nach Voranmeldung tel. unter 06251 51446 oder per E-Mail an info@kloster-lorsch.de
www.kloster-lorsch.de

Staatliche Schlösser und Gärten Hessen

Das UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch ist das bedeutendste Bauwerk, das die Hessische Schlösserverwaltung in der Metropolregion Rhein-Neckar betreut. Sein Freilichtlabor Lauresham zieht wie auch der romantische Staatspark Fürstenlager in Bensheim-Auerbach Jung und Alt an. Außerdem gehören auch die Burgen Auerbacher Schloss und Hirschhorn zum Einzugsgebiet der Hessen sowie das Erbacher Schloss mit den gräflichen Sammlungen und dem Deutschen Elfenbeinmuseum. Ein weiteres Kleinod ist die Einhardsbasilika in Michelstadt-Steinbach, eines der letzten Beispiele authentisch erhaltener karolingischer Architektur.
AdresseStaatliche Schlösser und Gärten Hessen // Schloss // 61348 Bad Homburg v.d.Höhe // Telefon: 06172 9262-0 // E-Mail: info@schloesser.hessen.de
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