David Campany, seit etwa 15 Jahren konzipieren Sie Ausstellungen und schreiben über Fotografie — erinnern Sie sich, was Ihr Interesse an diesem Medium begründet hat?
Ich denke, es gab ein paar frühe Schlüsselerlebnisse. Dazu gehört, dass ich verantwortlich dafür war, den Familienurlaub fotografisch festzuhalten. Ich verlor die Kamera und den ganzen Film. Dadurch wurde mir klar, wie zentral Fotografie für Erfahrung und Erinnerung ist. Als Jugendlicher war Kino meine erste große kulturelle Leidenschaft, aber dann fand ich heraus, dass ich Film-Stills in Büchern über Kino genauso mochte wie die Filme selbst. Das hat mich dazu gebracht, viel über Fotografie und ihre Beziehung zum Bewegtbild und zu anderen Künsten nachzudenken.Wo fangen Sie an, wenn Sie eine Ausstellung entwickeln?
Ich habe kein Patentrezept. Es kann mit einem einzigen Bild beginnen, wie etwa aktuell in der von mir konzipierten Schau „A Handful of Dust“. In dieser Wanderausstellung geht es wirklich nur um ein Foto, nämlich „Dust Breeding“ von Man Ray, und darum, wie es sich mit unzähligen anderen Bildern verbindet. Im Allgemeinen ist es jedoch so, dass es eine Gruppe von Bildern gibt, die mir miteinander verbunden zu sein scheinen. Eine Ausstellung zu entwickeln ist ein Weg, diese Bilder und mögliche Beziehungen zwischen ihnen einem Publikum anzubieten.Was bedeutet es, ein Konzept für die Biennale für aktuelle Fotografie in sechs ganz unterschiedlichen Häusern zu entwerfen?
Wir alle müssen ein Gleichgewicht finden zwischen dem Gefühl einer gewissen Zuneigung zur Fotografie — als Kunstform, als etwas, das ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens ist — und dem Gefühl, dass Fotografie etwas ist, dem wir misstrauen müssen; etwas, das vielleicht verzerrend, irreführend oder manipulativ ist. Diese Balance ist das Thema der Biennale, und jede der Hauptausstellungen wird sich ihm nähern. Alle Veranstaltungsorte der Biennale sind Weltklasse. Es sind wirklich wunderbare Räume, jeder mit seinen individuellen Eigenschaften. Was ich an Ausstellungen mag, ist diese magische Beziehung zwischen Sehen und Gehen und Drehen und Denken … eigene Wege und Verbindungen finden. Expertinnen und Experten oder interessierte Amateure: Wen möchten Sie mit der Biennale für aktuelle Fotografie erreichen?
Ich würde sagen, beide, aber ich interessiere mich für den „Amateur“ im wahrsten Sinne des Wortes: den typischen Enthusiasten, der seinen eigenen Weg jenseits der vertrauten Meinung und der „richtigen“ Antworten findet. Ich war Amateur, als ich anfing, mich für Fotografie zu interessieren, und dieses Gefühl ist trotz meiner sogenannten Expertise immer noch da. Außerdem ist es natürlich wesentlich, jenseits von Experten eine Verbindung aufzubauen, sonst stirbt unsere Kultur. Ich denke, dass Ausstellungen intelligent und ehrgeizig sein können, während sie zugleich für ein breites Publikum interessant sind, insbesondere durch die Fotografie. Fotografie ist uns auf vielen Wegen zugänglich — sei es über klassische Medien wie Kataloge oder Fotobücher, sei es über neue Medien wie Instagram. Warum ist die Biennale für aktuelle Fotografie trotzdem unverzichtbar?
Ausstellungen sind langsame Erfahrungen. In einer sehr schnellen visuellen Kultur muss diese Langsamkeit gepflegt werden. Langsam schauen, langsam denken. Wir alle brauchen das.Inwiefern beeinflusst es Ihre Arbeit als Kurator, dass Sie selbst viel fotografieren?
Ich denke nicht, dass ich kuratieren, schreiben oder unterrichten könnte, wenn ich nicht selbst Bilder machen würde. Bilder zu machen, ist ein essenzieller Weg, über sie nachzudenken. Ich weiß, was es bedeutet, Bilder zu machen, ich kenne die Herausforderungen und die Faszination.Auf Instagram folgen Ihnen mehr als 50.000 Menschen, viele liken oder kommentieren Ihre Bilder. Was bedeutet Ihnen das?
Nun, die meisten meiner Instagram-Follower kenne ich nicht! Aber es ist eine Art Gemeinschaft, und ich begrüße das. Rezensionen oder Kommentare sind seltsam, weil sie nicht wirklich genau erfassen können, was die Menschen sehen und denken. Was geht wirklich in den Köpfen der Menschen vor sich, wenn sie Bilder anschauen? Sobald man es in Worte fasst, geht etwas Wesentliches des Sehens und Denkens verloren. Ich glaube, wir wissen noch so wenig über dieses Phänomen. ‹
David Campanywurde 1967 in London geboren, wo er als Autor, Kurator, Künstler und Dozent im Bereich der Fotografie lebt und arbeitet. Zuletzt kuratierte er die Ausstellung „Alex Majoli: SCENE“ im Ausstellungshaus Le Bal in Paris. Er schreibt Essays für Magazine und Museen wie etwa MoMA New York, Tate, Centre Pompidou und wurde unter anderem mit dem Royal Photographic Society’s Award for Writing und dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet.
Biennale für aktuelle Fotografie
29. Februar bis 26. April 2020
www.biennalefotografie.de
Ich denke, es gab ein paar frühe Schlüsselerlebnisse. Dazu gehört, dass ich verantwortlich dafür war, den Familienurlaub fotografisch festzuhalten. Ich verlor die Kamera und den ganzen Film. Dadurch wurde mir klar, wie zentral Fotografie für Erfahrung und Erinnerung ist. Als Jugendlicher war Kino meine erste große kulturelle Leidenschaft, aber dann fand ich heraus, dass ich Film-Stills in Büchern über Kino genauso mochte wie die Filme selbst. Das hat mich dazu gebracht, viel über Fotografie und ihre Beziehung zum Bewegtbild und zu anderen Künsten nachzudenken.Wo fangen Sie an, wenn Sie eine Ausstellung entwickeln?
Ich habe kein Patentrezept. Es kann mit einem einzigen Bild beginnen, wie etwa aktuell in der von mir konzipierten Schau „A Handful of Dust“. In dieser Wanderausstellung geht es wirklich nur um ein Foto, nämlich „Dust Breeding“ von Man Ray, und darum, wie es sich mit unzähligen anderen Bildern verbindet. Im Allgemeinen ist es jedoch so, dass es eine Gruppe von Bildern gibt, die mir miteinander verbunden zu sein scheinen. Eine Ausstellung zu entwickeln ist ein Weg, diese Bilder und mögliche Beziehungen zwischen ihnen einem Publikum anzubieten.Was bedeutet es, ein Konzept für die Biennale für aktuelle Fotografie in sechs ganz unterschiedlichen Häusern zu entwerfen?
Wir alle müssen ein Gleichgewicht finden zwischen dem Gefühl einer gewissen Zuneigung zur Fotografie — als Kunstform, als etwas, das ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens ist — und dem Gefühl, dass Fotografie etwas ist, dem wir misstrauen müssen; etwas, das vielleicht verzerrend, irreführend oder manipulativ ist. Diese Balance ist das Thema der Biennale, und jede der Hauptausstellungen wird sich ihm nähern. Alle Veranstaltungsorte der Biennale sind Weltklasse. Es sind wirklich wunderbare Räume, jeder mit seinen individuellen Eigenschaften. Was ich an Ausstellungen mag, ist diese magische Beziehung zwischen Sehen und Gehen und Drehen und Denken … eigene Wege und Verbindungen finden. Expertinnen und Experten oder interessierte Amateure: Wen möchten Sie mit der Biennale für aktuelle Fotografie erreichen?
Ich würde sagen, beide, aber ich interessiere mich für den „Amateur“ im wahrsten Sinne des Wortes: den typischen Enthusiasten, der seinen eigenen Weg jenseits der vertrauten Meinung und der „richtigen“ Antworten findet. Ich war Amateur, als ich anfing, mich für Fotografie zu interessieren, und dieses Gefühl ist trotz meiner sogenannten Expertise immer noch da. Außerdem ist es natürlich wesentlich, jenseits von Experten eine Verbindung aufzubauen, sonst stirbt unsere Kultur. Ich denke, dass Ausstellungen intelligent und ehrgeizig sein können, während sie zugleich für ein breites Publikum interessant sind, insbesondere durch die Fotografie. Fotografie ist uns auf vielen Wegen zugänglich — sei es über klassische Medien wie Kataloge oder Fotobücher, sei es über neue Medien wie Instagram. Warum ist die Biennale für aktuelle Fotografie trotzdem unverzichtbar?
Ausstellungen sind langsame Erfahrungen. In einer sehr schnellen visuellen Kultur muss diese Langsamkeit gepflegt werden. Langsam schauen, langsam denken. Wir alle brauchen das.Inwiefern beeinflusst es Ihre Arbeit als Kurator, dass Sie selbst viel fotografieren?
Ich denke nicht, dass ich kuratieren, schreiben oder unterrichten könnte, wenn ich nicht selbst Bilder machen würde. Bilder zu machen, ist ein essenzieller Weg, über sie nachzudenken. Ich weiß, was es bedeutet, Bilder zu machen, ich kenne die Herausforderungen und die Faszination.Auf Instagram folgen Ihnen mehr als 50.000 Menschen, viele liken oder kommentieren Ihre Bilder. Was bedeutet Ihnen das?
Nun, die meisten meiner Instagram-Follower kenne ich nicht! Aber es ist eine Art Gemeinschaft, und ich begrüße das. Rezensionen oder Kommentare sind seltsam, weil sie nicht wirklich genau erfassen können, was die Menschen sehen und denken. Was geht wirklich in den Köpfen der Menschen vor sich, wenn sie Bilder anschauen? Sobald man es in Worte fasst, geht etwas Wesentliches des Sehens und Denkens verloren. Ich glaube, wir wissen noch so wenig über dieses Phänomen. ‹
David Campanywurde 1967 in London geboren, wo er als Autor, Kurator, Künstler und Dozent im Bereich der Fotografie lebt und arbeitet. Zuletzt kuratierte er die Ausstellung „Alex Majoli: SCENE“ im Ausstellungshaus Le Bal in Paris. Er schreibt Essays für Magazine und Museen wie etwa MoMA New York, Tate, Centre Pompidou und wurde unter anderem mit dem Royal Photographic Society’s Award for Writing und dem Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichnet.
Biennale für aktuelle Fotografie
29. Februar bis 26. April 2020
www.biennalefotografie.de
Bildnachweis:
Sam ContisBiennale für aktuelle Fotografie
Die Biennale für aktuelle Fotografie findet alle zwei Jahre in den wichtigsten Ausstellungshäusern der drei Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg statt. Gezeigt werden Themenausstellungen von international renommierten GastkuratorInnen. Knapp 4000 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietet Platz für eine vielfältige Betrachtung aktueller fotografischer Positionen und schafft den Rahmen, über ein Medium nachzudenken, das unsere Gesellschaft prägt wie kaum ein anderes.
TerminSA 29. Februar bis SO 26. April 2020
AdresseBiennale für aktuelle Fotografie e.V. // E 4,6 // 68159 Mannheim // E-Mail: info@biennalefotografie.de
SpielorteLudwigshafen: Wilhelm-Hack-Museum, Kunstverein // Mannheim: Forum Internationale Photographie (FIP) & ZEPHYR, Port25 – Raum für Gegenwartskunst, Kunsthalle // Heidelberg: Kunstverein