Internationale Schillertage

Was ist ein Mensch?

› „Wenn Menschen nur Menschen sind“, sagt Luise Miller, „dann würden die verhassten Hüllen des Standes abspringen.“ Mit diesem Plädoyer für Gleichheit und Menschlichkeit fleht die bürgerliche junge Frau in „Kabale und Liebe“ ihren Vater an, der ihr die toxische Beziehung mit dem adeligen Ferdinand ausreden will. „Diese Formulierung ist uns nicht mehr aus dem Kopf gegangen, weil sie sich in sehr viele verschiedene Richtungen interpretieren lässt“, sagt Christian Holtzhauer, Schauspielintendant des Mannheimer Nationaltheaters und Leiter der Schillertage. Was bedeutet Menschsein? Was macht uns zum Menschen? Auch wenn es Standesunterschiede wie zu Friedrich Schillers Zeiten nicht mehr gibt, spielt der soziale Status bis heute eine Rolle.

Künstliche Intelligenz und Kastenwesen

Luises Traum von Humanität über die Standesschranken hinweg steht als Motto über den elf Tage dauernden Schillertagen. Schließlich, so der Intendant, lasse sich dieser Satz bis in die Richtung der künstlichen Intelligenz und der Frage dehnen, was der Unterschied zwischen ihr und der menschlichen Intelligenz sei. Zur Eröffnung inszeniert Charlotte Sprenger, eine junge experimentierfreudige Regisseurin, Schillers „Kabale und Liebe“. Auch der indische Theatermacher Lakshman KP beschäftigt sich in einer Auftragsarbeit mit diesem Stoff. Obwohl das Kastenwesen in seiner Heimat offiziell aufgehoben ist, werden Beziehungen zwischen den Kasten immer noch nicht akzeptiert. „Das geht bis hin zu Androhung und Anwendung von Gewalt“, erklärt Holtzhauer.

Leo Lorena Wyss, Hausautor*in des Nationaltheaters, erarbeitet zusammen mit dem Stadtensemble das Projekt „Die Räuber*innen im Wald“. Im Mittelpunkt steht der Streit zwischen Karl und Franz Moor um das Erbe, das sich der jüngere Bruder durch eine Intrige erschleichen will. Apropos Erbe, auch 250 Jahre nach den Moor-Brüdern scheiden sich an diesem Thema noch immer die Geister. Marlene Engelhorn, eine Nachfahrin der Boehringer-Begründer in Mannheim, machte Schlagzeilen, als sie auf einen Großteil ihres Erbes verzichtete und diesen durch einen Bürgerrat aus Österreicher*innen verteilen ließ. Gemeinsam mit Regisseur Volker Lösch hat sie die Theaterproduktion „Geld ist Klasse“ auf die Bühne gebracht und gastiert damit in Mannheim.

Mehr Menschlichkeit

Mehr Menschlichkeit ist auch ein zentrales Anliegen der israelischen Regisseurin Ofira Henig. Ihr „Terribly Human“ handelt von der Angst vor Menschen, die wir als nicht zugehörig erachten. Ebenfalls zu Gast sein wird die Produktion „Societé Anonyme“ von Stefan Kaegi, einem Mitglied von Rimini Protokoll. Sie spielt in absoluter Dunkelheit, in der ganz unterschiedliche Menschen von ihrer freiwillig gewählten oder erzwungenen Illegalität berichten. Unterhaltung für alle Generationen bietet der zeitgenössische Akrobatik-Zirkus „Circa“ mit „Humans 2.0“.

Wegen der aufwendigen Sanierung des Nationaltheaters finden die Schillertage nun schon zum zweiten Mal in der Ausweichspielstätte Altes Kino Franklin sowie auf mehreren anderen Theaterbühnen statt. Für Holtzhauer war die Premiere vor zwei Jahren ein Erfolg. „Das Kino hat sich als Standort bewährt. Es hat ein bisschen etwas von Ausflugscharakter, wenn man in den Stadtteil Franklin hinausfährt.“ Auch dieses Mal dient es als Festivalzentrum mit Aufführungen, Partys und Live-Konzerten — ein Place to be nicht nur für Theaterfreund*innen. ‹


23. Internationale Schillertage
19. bis 29. Juni 2025
Altes Kino Franklin, OPAL, Studio Werkhaus, EinTanzHaus, Theaterhaus G7
www.nationaltheater-mannheim.de
Bildnachweis:
Marlene Engelhorn in „Geld ist Klasse“, Foto: Christian Knieps

Internationale Schillertage

Die Internationalen Schillertage sind ein alle zwei Jahre am Nationaltheater Mannheim stattfindendes Theaterfestival. Im Zentrum der Veranstaltung stehen Produktionen, die sich mit dem Werk Friedrich Schillers auseinandersetzen. Der Bezug des Nationaltheaters zu Schiller geht auf eine gemeinsame Zusammenarbeit zurück: Schiller war ab 1783 Mannheims erster Theaterdichter. Bereits im Vorjahr wurde sein Drama Die Räuber am Nationaltheater uraufgeführt. Die ersten Schillertage fanden 1978 statt. Künstlerischer Leiter der Schillertage war von 2006 bis 2017 Burkhard C. Kosminski, Intendant Schauspiel am Nationaltheater Mannheim. Die Schillertage stehen seit 2019 unter Leitung seines Nachfolgers Christian Holtzhauer.
TerminDO 19. bis SO 29. Juni 2025
AdresseNationaltheater Mannheim // Goetheplatz // 68161 Mannheim // Telefon: 0621 1680200 // Karten: 0621 1680150 // Fax: 0621 1680500 // E-Mail: schillertage@mannheim.de
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