› Herr Schimmelpfennig, in einem Interview haben Sie gesagt, es sei für Sie ein lang gehegtes Projekt gewesen, ein Stück für die Nibelungen-Festspiele zu schreiben. Was interessiert Sie an den Nibelungen?
Schon als Kind haben mich die Nibelungen fasziniert. Ich glaube, das lag an einer Schallplatte. Es könnte auch ein Tonband gewesen sein, ein Nachbar hatte tatsächlich ein Tonbandgerät. Wahrscheinlicher ist aber die Schallplatte, denn ich muss das öfter bis sehr oft gehört haben — lange bevor dann mit Tolkien andere Drachen und Ringe mich anfingen zu begeistern. Heute sehe ich die Geschichte natürlich anders als damals als Kind: Was mich an den Nibelungen heute interessiert, ist, unter anderem, diese eigenartige Mischung aus Naivität, Gewalt, Treue und Verrat.Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Geschichte von Anfang an zu erzählen — beginnend mit Siegfrieds Bad im Drachenblut?
Ich finde, das liegt doch sehr, sehr nahe, ist nahezu zwingend. Das legendäre Bad des Helden im Drachenblut, das ihn dennoch nicht vollkommen unverwundbar macht, das ist für mich eine der Triebfedern der gesamten Geschichte.Muss man sich Ihr Stück als eine Art Roadmovie für das Theater vorstellen?
Ja — und nein. Und ja. Tatsächlich handelt der Stoff von beidem: dem Reisen, der Ortlosigkeit, der Sehnsucht nach der Fremde — und auch vom Scheitern daran –, aber auch vom dumpfen Stillstand zu Hause, während vor dem Fenster der Fluss vorbeiströmt — als ständige Aufforderung, aufzubrechen.Die Nibelungen sind auch Futter für Fantasy-Fans. Was hat Ihr Theaterstück einer Serie etwa auf Netflix voraus?
Theater und Film lassen sich einerseits nur sehr schwer vergleichen, andererseits arbeiten beide mit denselben Mitteln, nur dass diese beim Theater oft nicht sichtbar sind — und deshalb, weil das Theater mit den Mitteln der Auslassung und der Fantasie arbeitet, ist es besser, auch komplexer als vieles, was als Serie produziert wird. Gerade bei Stoffen wie diesem trägt die Bebilderung schnell die Gefahr in sich, den Zuschauer einfach zu bedienen — statt mit ihm in einen Dialog der Imagination zu treten.
Welche Konstellationen und Figuren sind Ihnen dabei besonders wichtig?
Wichtig ist für mich immer, die Widersprüche von Figuren auszuloten. Ich mag keine eindimensionalen Einordnungen von Charakteren. Und ich mag keine „Hauptrollen“ und „Nebenrollen“. Furchtbare Begriffe. Deshalb kommen bei mir eine ganze Reihe von Stimmen zu Wort, die im Originalstoff so nicht vorkommen. Der Drache, das Blatt, das Schwert, die Nebelkappe, Brunhilds Gürtel, das Gold und viele andere … Behält Siegfried bei Ihnen seinen Heldenstatus?
Ich weiß gar nicht, ob Siegfried wirklich je einen Heldenstatus hatte. Ich empfinde ihn von Beginn der Geschichte an als jemand, der in eine Geschichte hineingerät, ohne vollständig zu begreifen, was er auslöst.Sie verhandeln in Ihren Stücken aktuelle gesellschaftliche Themen und menschliche Konflikte. Wo findet sich Ihr Gegenwartsbezug bei dem Nibelungen-Stück?
Das lässt sich nicht beantworten wie aus einem Kochbuch oder einer Betriebsanleitung. Der Gegenwartsbezug entsteht allein schon aus der Tatsache, dass der Text und die Aufführung diesen Stoff zwar erzählen, aber nicht nachbeten, sondern von heute neu auf ihn schauen. Aber ganz entscheidend „heutig“ ist sicher unter anderem die Figur des Drachens und das, wofür er und sein Tod stehen. Wie kam es zum Titel „See aus Asche“?
Das bezieht sich — zunächst — konkret auf den See aus Feuer, in dessen Mitte Brunhild lebt, bis dieser See verlöscht. Später werden Gunther und die anderen Männer diesen See aus Asche durchqueren müssen.Die Inszenierung von Mina Salehpour ist sicherlich noch ein Geheimnis. Aber worauf freuen Sie schon jetzt, wenn Sie an die Aufführung vor der Kulisse des Wormser Doms denken?
Das darf ich nicht sagen, ohne zu viel zu spoilern. Allgemein gesagt: darauf, dass das gesamte Team diese irrsinnige Geschichte in all ihren Facetten zum Leben erweckt. Das wird sehr, sehr spannend. ‹
See aus Asche — das Lied der Nibelungen
11. bis 27. Juli 2025
Wormser Dom
www.nibelungenfestspiele.de
Schon als Kind haben mich die Nibelungen fasziniert. Ich glaube, das lag an einer Schallplatte. Es könnte auch ein Tonband gewesen sein, ein Nachbar hatte tatsächlich ein Tonbandgerät. Wahrscheinlicher ist aber die Schallplatte, denn ich muss das öfter bis sehr oft gehört haben — lange bevor dann mit Tolkien andere Drachen und Ringe mich anfingen zu begeistern. Heute sehe ich die Geschichte natürlich anders als damals als Kind: Was mich an den Nibelungen heute interessiert, ist, unter anderem, diese eigenartige Mischung aus Naivität, Gewalt, Treue und Verrat.Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die Geschichte von Anfang an zu erzählen — beginnend mit Siegfrieds Bad im Drachenblut?
Ich finde, das liegt doch sehr, sehr nahe, ist nahezu zwingend. Das legendäre Bad des Helden im Drachenblut, das ihn dennoch nicht vollkommen unverwundbar macht, das ist für mich eine der Triebfedern der gesamten Geschichte.Muss man sich Ihr Stück als eine Art Roadmovie für das Theater vorstellen?
Ja — und nein. Und ja. Tatsächlich handelt der Stoff von beidem: dem Reisen, der Ortlosigkeit, der Sehnsucht nach der Fremde — und auch vom Scheitern daran –, aber auch vom dumpfen Stillstand zu Hause, während vor dem Fenster der Fluss vorbeiströmt — als ständige Aufforderung, aufzubrechen.Die Nibelungen sind auch Futter für Fantasy-Fans. Was hat Ihr Theaterstück einer Serie etwa auf Netflix voraus?
Theater und Film lassen sich einerseits nur sehr schwer vergleichen, andererseits arbeiten beide mit denselben Mitteln, nur dass diese beim Theater oft nicht sichtbar sind — und deshalb, weil das Theater mit den Mitteln der Auslassung und der Fantasie arbeitet, ist es besser, auch komplexer als vieles, was als Serie produziert wird. Gerade bei Stoffen wie diesem trägt die Bebilderung schnell die Gefahr in sich, den Zuschauer einfach zu bedienen — statt mit ihm in einen Dialog der Imagination zu treten.
Wichtig ist für mich immer, die Widersprüche von Figuren auszuloten. Ich mag keine eindimensionalen Einordnungen von Charakteren. Und ich mag keine „Hauptrollen“ und „Nebenrollen“. Furchtbare Begriffe. Deshalb kommen bei mir eine ganze Reihe von Stimmen zu Wort, die im Originalstoff so nicht vorkommen. Der Drache, das Blatt, das Schwert, die Nebelkappe, Brunhilds Gürtel, das Gold und viele andere … Behält Siegfried bei Ihnen seinen Heldenstatus?
Ich weiß gar nicht, ob Siegfried wirklich je einen Heldenstatus hatte. Ich empfinde ihn von Beginn der Geschichte an als jemand, der in eine Geschichte hineingerät, ohne vollständig zu begreifen, was er auslöst.Sie verhandeln in Ihren Stücken aktuelle gesellschaftliche Themen und menschliche Konflikte. Wo findet sich Ihr Gegenwartsbezug bei dem Nibelungen-Stück?
Das lässt sich nicht beantworten wie aus einem Kochbuch oder einer Betriebsanleitung. Der Gegenwartsbezug entsteht allein schon aus der Tatsache, dass der Text und die Aufführung diesen Stoff zwar erzählen, aber nicht nachbeten, sondern von heute neu auf ihn schauen. Aber ganz entscheidend „heutig“ ist sicher unter anderem die Figur des Drachens und das, wofür er und sein Tod stehen. Wie kam es zum Titel „See aus Asche“?
Das bezieht sich — zunächst — konkret auf den See aus Feuer, in dessen Mitte Brunhild lebt, bis dieser See verlöscht. Später werden Gunther und die anderen Männer diesen See aus Asche durchqueren müssen.Die Inszenierung von Mina Salehpour ist sicherlich noch ein Geheimnis. Aber worauf freuen Sie schon jetzt, wenn Sie an die Aufführung vor der Kulisse des Wormser Doms denken?
Das darf ich nicht sagen, ohne zu viel zu spoilern. Allgemein gesagt: darauf, dass das gesamte Team diese irrsinnige Geschichte in all ihren Facetten zum Leben erweckt. Das wird sehr, sehr spannend. ‹
See aus Asche — das Lied der Nibelungen
11. bis 27. Juli 2025
Wormser Dom
www.nibelungenfestspiele.de
Roland Schimmelpfennig
gehört zu den meistgespielten deutschsprachigen Dramatikern der Gegenwart. Seine Stücke werden an allen wichtigen Bühnen uraufgeführt und in mehr als 40 Ländern weltweit nachgespielt. Er wurde mehrfach unter anderem zu den Mülheimer Dramatikertagen eingeladen und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt feierte er mit seinem für das Hamburger Schauspielhaus entstandenen Antiken-Projekt „Anthropolis“ einen überwältigenden Erfolg. „Laios“ wurde sowohl zum Berliner Theatertreffen eingeladen als auch als „Stück des Jahres 2024“ ausgezeichnet.Mina Salehpour
wird das neue Stück „See aus Asche“ auf der großformatigen Freilichtbühne vor dem Wormser Dom zur Uraufführung bringen. Die deutsch-iranische Regisseurin inszeniert unter anderem am Wiener Burgtheater, am Schauspiel Köln oder dem Schauspiel Hannover, aber auch regelmäßig international, unter anderem am „Dramaten“ in Stockholm oder in Norwegen an den Theatern in Oslo und Trondheim.Bildnachweis:
Adriana JacomeNibelungen-Festspiele
Seit 2002 finden die Nibelungen-Festspiele jährlich im Sommer als Open-Air-Theaterereignis vor dem Dom statt. Die Festspiele erreichen jährlich ein großes Publikum und bescheren der Stadt am Rhein eine hohe Aufmerksamkeit. Aber nicht nur die Aufführungen vor der Domkulisse machen die Festspiele zu einem einmaligen Kulturereignis: Auch das hochwertige Rahmenprogramm sowie der Heylshofpark, der zu Deutschlands schönsten Theaterfoyers zählt, lockt jedes Mal zahlreiche Besucher.
TerminFR 11. bis SO 27. Juli 2025
AdresseNibelungen-Festspiele Worms // Von-Steuben-Straße 5 // 67549 Worms
SpielorteKaiserdom, Worms
Ticketswww.nibelungenfestspiele.de