Wie wir leben wollen — offen und international
Anfang und Ende des Heidelberger Frühling markieren zwei federleichte Schwergewichte der deutschsprachigen Orchesterszene: die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit Cellist Maximilian Hornung und die Münchner Philharmoniker mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev und Starsopranistin Anja Harteros. Dazwischen geben sich weitere europäische Renommee-Ensembles die Klinke in die Hand: das Bergen Philharmonic Orchestra mit einem Kind der norwegischen Nordmetropole, dem weltweit gefeierten Cellisten Truls Mørk, das Mahler Chamber Orchestra als „Orchestra in Residence“ des Festivals, die Amsterdam Sinfonietta mit der gerade frisch ernannten Cellistin des Artemis Quartett Harriet Krijgh oder der Vorreiter des historisch informierten Musizierens in Europa: Anima Eterna Brugge. Am Abend des viel diskutierten Brexit-Tages geben die Belgier einen reinen Mendelssohn-Abend mit seiner 3. Sinfonie, der „Schottischen“. Mehr Europa geht nicht.Wie wir leben wollen — was kann das Lied, wenn es politisch ist?
Und die Liedstadt Heidelberg, in der die Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ genauso zu Hause ist wie die Hip-Hop-Wiege um Torch & Co., kann noch mehr: Singen ist eine schöne, oft auch politische Angelegenheit — die „Macht der Musik“ wird dann zu einer gesellschaftlichen Kraft. Auf Lieder kann man marschieren, Lieder berühren die Menschen, Lieder schaffen eine Gemeinschaft, die zum Mob werden kann. Was kann das Lied, wenn es politisch ist? Das ist die Frage des Schwerpunktwochenendes „Neuland.Lied“ im Heidelberger Frühling 2019. Die politischen Balladen und Lieder „Ändere die Welt, sie braucht es!“ von Hanns Eisler stehen hier ebenso auf dem Programm wie ein Franz-Schubert-Liederabend für die österreichische Musicbanda Franui und einen verschwundenen Sänger. Operndiva Elisabeth Kulman besingt „Le femme c'est moi“ von Bizet bis zu den Beatles und Daniel Behle taucht in den herrlich satirischen Zyklus „Krämerspiegel“ von Richard Strauss ein. Lieder in Klassik sind nicht nur Liederabende. Sie können hochaktuell und visuell spannend sein. Wie wir leben wollen — Lebensentwürfe
Was ist die größte Errungenschaft der Aufklärung? Es ist das Bewusstsein dafür, sein Leben selbst entwerfen und gestalten zu können. Im Begriff „Lebensentwurf“ schwingt die kreative Eigenverantwortlichkeit mit. Der Heidelberger Frühling spürt in seinem Kammermusikfest „Standpunkte“ mit musikalischen Mitteln Lebensentwürfen und -situationen nach: Wie wollten wir leben, wenn wir in einem anderen politischen System existierten? Wie, wenn wir Kind wären? Welche Lebensentwürfe haben Extremisten und Attentäter? Dmitri Schostakowitsch, der zu einem immerwährenden Spagat zwischen Anpassung und Abgrenzung gegenüber den Schikanen der Stalinzeit gezwungen war. Robert Schumanns „Kinderszenen“ als immer noch heutige klingende Sehnsuchtsorte der Erwachsenen. Oder Joseph Haydns „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz“ verwoben mit den letzten Worten von Märtyrern und (Irr-)Glaubenszeugen der Gegenwart. Sie alle kommen zu Wort. Warum?
Die Antwort gibt Pianist Igor Levit, enger künstlerischer Freund und Partner des Festivals: „In den ‚Standpunkten‘ gehen wir immer vom Menschen aus. Das ist unsere Grundlage.“ Und so beginnt das Eröffnungskonzert dieses Kammermusikfests also nicht mit einem Stück Musik. „Es beginnt mit uns — mit John Cages ‚4‘33‘“, erklärt Levit. „Cage komponiert viereinhalb Minuten Stille und gibt die Musik an uns weiter. Wir sind Musik.“ Dazu bringt Levit große Künstlerkollegen wie Perkussionist Alexej Gerassimez, Pianist Markus Hinterhäuser, Cellistin Alisa Weilerstein, Schauspieler Sebastian Koch oder die Stipendiaten der festivaleigenen Kammermusik Akademie und der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker in Heidelberg zusammen. Wie wir leben wollen – Zukunftsvisionen und das posthumane Zeitalter
Um große Zukunftsfragen der Menschheit geht es bei der multimedialen Produktion „Castor&&Pollux“, die im Heidelberger Frühling 2019 uraufgeführt wird — übrigens die größte Eigenproduktion in der Geschichte des Festivals. Was bedeutet posthumanes Zeitalter? Wie nutzen wir künstliche Intelligenz und die Errungenschaften der Technologie-Revolution? Wie wollen wir mit ihnen leben? In der Alten Aula der Universität Heidelberg begegnet Jean-Philippe Rameaus barocke tragédie lyrique „Castor et Pollux“ dem „4DSOUND“-Raumklangsystem. Die Hightech-Konstruktion aus Lautsprechern, die eigentlich in Budapest steht, ist begehbare Bühne, elektronisches Instrument, futuristische Kulisse und interaktiver Erfahrungsraum zugleich. Die Idee zu „Castor&&Pollux“ entstand 2017 in dem damals frisch installierten „LAB“, dem Laboratorium des Heidelberger Frühling, wo junge Kulturschaffende über die Zukunft der musikalischen Aufführung nachdenken. Vergleicht man die Debatten rund um die Digitalisierung in Europa und den USA, dann fällt auf, dass Europa hinterherhinkt. Mit Antworten, aber auch mit Fragen. Es scheint also ganz so, als ob der Heidelberger Frühling 2019 hier ganz am Puls der Zeit ist. Und wie wollen Sie leben?
Anfang und Ende des Heidelberger Frühling markieren zwei federleichte Schwergewichte der deutschsprachigen Orchesterszene: die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen mit Cellist Maximilian Hornung und die Münchner Philharmoniker mit ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev und Starsopranistin Anja Harteros. Dazwischen geben sich weitere europäische Renommee-Ensembles die Klinke in die Hand: das Bergen Philharmonic Orchestra mit einem Kind der norwegischen Nordmetropole, dem weltweit gefeierten Cellisten Truls Mørk, das Mahler Chamber Orchestra als „Orchestra in Residence“ des Festivals, die Amsterdam Sinfonietta mit der gerade frisch ernannten Cellistin des Artemis Quartett Harriet Krijgh oder der Vorreiter des historisch informierten Musizierens in Europa: Anima Eterna Brugge. Am Abend des viel diskutierten Brexit-Tages geben die Belgier einen reinen Mendelssohn-Abend mit seiner 3. Sinfonie, der „Schottischen“. Mehr Europa geht nicht.Wie wir leben wollen — was kann das Lied, wenn es politisch ist?
Und die Liedstadt Heidelberg, in der die Volksliedsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ genauso zu Hause ist wie die Hip-Hop-Wiege um Torch & Co., kann noch mehr: Singen ist eine schöne, oft auch politische Angelegenheit — die „Macht der Musik“ wird dann zu einer gesellschaftlichen Kraft. Auf Lieder kann man marschieren, Lieder berühren die Menschen, Lieder schaffen eine Gemeinschaft, die zum Mob werden kann. Was kann das Lied, wenn es politisch ist? Das ist die Frage des Schwerpunktwochenendes „Neuland.Lied“ im Heidelberger Frühling 2019. Die politischen Balladen und Lieder „Ändere die Welt, sie braucht es!“ von Hanns Eisler stehen hier ebenso auf dem Programm wie ein Franz-Schubert-Liederabend für die österreichische Musicbanda Franui und einen verschwundenen Sänger. Operndiva Elisabeth Kulman besingt „Le femme c'est moi“ von Bizet bis zu den Beatles und Daniel Behle taucht in den herrlich satirischen Zyklus „Krämerspiegel“ von Richard Strauss ein. Lieder in Klassik sind nicht nur Liederabende. Sie können hochaktuell und visuell spannend sein. Wie wir leben wollen — Lebensentwürfe
Was ist die größte Errungenschaft der Aufklärung? Es ist das Bewusstsein dafür, sein Leben selbst entwerfen und gestalten zu können. Im Begriff „Lebensentwurf“ schwingt die kreative Eigenverantwortlichkeit mit. Der Heidelberger Frühling spürt in seinem Kammermusikfest „Standpunkte“ mit musikalischen Mitteln Lebensentwürfen und -situationen nach: Wie wollten wir leben, wenn wir in einem anderen politischen System existierten? Wie, wenn wir Kind wären? Welche Lebensentwürfe haben Extremisten und Attentäter? Dmitri Schostakowitsch, der zu einem immerwährenden Spagat zwischen Anpassung und Abgrenzung gegenüber den Schikanen der Stalinzeit gezwungen war. Robert Schumanns „Kinderszenen“ als immer noch heutige klingende Sehnsuchtsorte der Erwachsenen. Oder Joseph Haydns „Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz“ verwoben mit den letzten Worten von Märtyrern und (Irr-)Glaubenszeugen der Gegenwart. Sie alle kommen zu Wort. Warum?
Um große Zukunftsfragen der Menschheit geht es bei der multimedialen Produktion „Castor&&Pollux“, die im Heidelberger Frühling 2019 uraufgeführt wird — übrigens die größte Eigenproduktion in der Geschichte des Festivals. Was bedeutet posthumanes Zeitalter? Wie nutzen wir künstliche Intelligenz und die Errungenschaften der Technologie-Revolution? Wie wollen wir mit ihnen leben? In der Alten Aula der Universität Heidelberg begegnet Jean-Philippe Rameaus barocke tragédie lyrique „Castor et Pollux“ dem „4DSOUND“-Raumklangsystem. Die Hightech-Konstruktion aus Lautsprechern, die eigentlich in Budapest steht, ist begehbare Bühne, elektronisches Instrument, futuristische Kulisse und interaktiver Erfahrungsraum zugleich. Die Idee zu „Castor&&Pollux“ entstand 2017 in dem damals frisch installierten „LAB“, dem Laboratorium des Heidelberger Frühling, wo junge Kulturschaffende über die Zukunft der musikalischen Aufführung nachdenken. Vergleicht man die Debatten rund um die Digitalisierung in Europa und den USA, dann fällt auf, dass Europa hinterherhinkt. Mit Antworten, aber auch mit Fragen. Es scheint also ganz so, als ob der Heidelberger Frühling 2019 hier ganz am Puls der Zeit ist. Und wie wollen Sie leben?
Bildnachweis:
Nikolaj Lund (Gerassimez); Lukas Rehm (Castor&&Pollux)Heidelberger Frühling
Der Heidelberger Frühling gilt laut Deutschlandradio als „eines der innovativsten Musikfestivals in Deutschland“ und zieht in über 100 Veranstaltungen mehr als 47.000 Besucher an. Neben hochkarätig besetzten Konzerten, innovativen Produktionen und Formaten gilt ein besonderes Augenmerk des Festivals der mit Heidelberg eng verbundenen Gattung des Liedes.
TerminSA 16. März bis SO 14. April 2019
AdresseInternationales Musikfestival Heidelberger Frühling gGmbH // Friedrich- Ebert-Anlage 50 // 69117 Heidelberg
SpielorteStadthalle Heidelberg und zahlreiche weitere Spielorte in Heidelberg