› Satte 11,7 Millionen Kinobesucher waren begeisterte Zeugen, als Bully Herbigs Schoschonen den Klappstuhl ausgruben. Während die cineastischen Ausgrabungsarbeiten für reichlich Gelächter im Publikum sorgten, verging (nicht nur) der archäologischen Gemeinde angesichts einer Raubgrabung in Rheinland-Pfalz der Spaß. Die Finder des sogenannten Rülzheimer Schatzes zerstörten durch ihre unfachmännische, dilettantische — und im Übrigen auch illegale — Ausgrabung alle wichtigen archäologischen Spuren. Fast alle Informationen, die die Fundstelle hätte preisgeben können, gingen verloren. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Originalsituation und die Dokumentation der Befundlage wurden nahezu unmöglich gemacht. Eine wissenschaftliche SensationDiesem verheerenden Vorgehen zum Trotz hielt der Schatz dennoch die ein oder andere archäologische Kostbarkeit bereit. So förderte die Raubgrabung in der Nähe von Rülzheim Fragmente zutage, die Fachleute für die Reste eines prunkvollen Faltstuhls halten. Als das einzig erhaltene Exemplar dieser Art weltweit ist er eine wissenschaftliche Sensation. Denn Tausende von Jahren lang war das Knien oder Kauern die natürliche Sitzhaltung der Menschen. Es war ein Sitzen ohne Stuhl. Holzstümpfe, Steine oder Felsquader waren für Menschen die ursprünglichen Sitzgelegenheiten, bevor der Mensch seine ersten Sitzmöbel schuf.Habgier oder Kulthandlung?„Der Fund besteht aus elf größeren Teilen des Gestänges, zahlreichen Kettenfragmenten, vier zapfenartigen Zierelementen, zwei Statuetten, zwei Büsten sowie vier aus Bronze gegossenen und mit Silber ummantelten Löwenpranken, die als Füße dienten“, erläutert Dr. Ulrich Himmelmann, der als Leiter der Außenstelle der Landesarchäologie in Speyer für den Fund zuständig ist. Zahlreiche Spuren belegen, dass der Stuhl bereits in der Antike ohne Rücksicht auf Verzierung oder Funktionsfähigkeit zerteilt wurde. „Entweder war der letzte Besitzer nur noch am Materialwert interessiert oder die Zerstörung hatte kultischen Charakter, wie bei den hunnischen Totenopfern“, erläutert Himmelmann. Entstanden ist der Stuhl wohl schon im 4. Jahrhundert, vergraben wurde er in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts.Der Klappstuhl aus dem Raubgrabungsfund von Rülzheim ist eines der Top-Exponate der Landesausstellung „vorZEITEN“ in Mainz. Er ist ein einzigartiges Artefakt seiner Epoche, Teil eines faszinierenden Schatzes aus der Zeit der Völkerwanderung. ‹
vorZEITEN — Archäologische Schätze an Rhein und Mosel
bis 29. Oktober 2017
Landesmuseum Mainz
Dienstag 10–20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10–17 Uhr
www.vorzeiten-ausstellung.de
vorZEITEN — Archäologische Schätze an Rhein und Mosel
bis 29. Oktober 2017
Landesmuseum Mainz
Dienstag 10–20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10–17 Uhr
www.vorzeiten-ausstellung.de
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
Unter dem Motto „Wir machen Geschichte lebendig!“ erforschen, sichern, sammeln und vermitteln die sechs Direktionen unter dem Dach der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE) das Kulturelle Erbe des Bundeslandes. Ihren Sitz hat die Obere Landesbehörde, die direkt dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur nachgeordnet ist, in der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Zu den Liegenschaften und Denkmälern, für die die GDKE in der Metropolregion Rhein-Neckar zuständig ist, gehören das Schloss Villa Ludwigshöhe in Edenkoben, die Reichsburg Trifels in Annweiler und die Hardenburg in Bad Dürkheim. In Speyer ist eine Außenstelle der Landesarchäologie beheimatet, die unter anderem das „Archäologische Schaufenster“ betreibt.
AdresseGeneraldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz // Festung Ehrenbreitstein // 56077 Koblenz // Telefon: 0261 6675-0 (Zentrale)
Infoswww.gdke-rlp.de