> Wenn die Nachkriegszeit einen Geruch hätte, dann wäre er hier zu spüren. Die ehemalige Bäckerei in Heppenheim ist kaum größer als ein Wohnzimmer. Über den brüchigen Fliesen ein dunkler Veloursteppich, an den Wänden Raufasertapete. Hier Kunst zeigen? „Ja, genau hier“, sagt Dr. Uwe Emig amüsiert. Seit 2009 ist der Kunstverein in diesem Raum untergebracht. Emig, hauptberuflich Zahnarzt, leitet mit seiner Frau Anke, einer promovierten Kunsthistorikerin, den Hotspot für aktuelle Kunst an der Bergstraße. Die Kunstszene ist begeistert von dem spröden 50er-Jahre-Charme des Eckhauses. Hier verkauften die Eltern von Thomas Zipp früher Brot. Zipp ist mittlerweile ein anerkannter Künstler, der in New York, Kopenhagen und London ausstellt und an der Berliner Universität der Künste lehrt. Den Raum hat Zipp dem neu gegründeten Kunstverein bereitgestellt, unter einer Bedingung: Er darf nicht renoviert werden. Videothek und bestrapste DamenDie Künstler lieben die authentische Atmosphäre und die Möglichkeit, das Interieur selbst zu gestalten. „Wir können uns vor Anfragen nicht retten“, sagt Emig stolz. Hier hat der Georgier Gotscha Gosalishvilli seine Variationen zu Rembrandts „Der Mann mit dem Goldhelm“ präsentiert. Unter dem holländischen Konzeptkünstler Joep van Liefland mutierte der Ort zu einer Art Videothek. In diesem Jahr hat Teddy Rodgers bereits seine bestrapsten Damen gezeigt. Zur Vernissage war der Laden wieder bis auf den letzten Quadratzentimeter gefüllt — mit Besuchern, die auch aus Frankfurt, Darmstadt und Mannheim kamen. Fünf bis acht Ausstellungen zeigt der Kunstverein jedes Jahr. Er finanziert sich allein aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Das Organisationsteam arbeitet ehrenamtlich. Umso erstaunlicher ist der Erfolg: Schon zum zweiten Mal nach 2012 ist das Haus in diesem Jahr für den Preis der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine nominiert. <Aktuelle Ausstellung: Peppi Bottrop, Hovel, 11.03. — 27.03.2016
Kunstverein Heppenheim
AdresseKunstverein Heppenheim // Bahnhofstr. 1 // 64646 Heppenheim