Matchbox

Recherche im Gemüsegarten

Regional ist hip! Selbst die Discounter werben inzwischen mit Lebensmitteln aus regionaler Produktion. Doch was wissen wir eigentlich über die Erzeugung und den Vertrieb unserer Nahrung auf den Feldern vor unserer Haustür? Was über die Menschen aus Polen, Rumänien oder Bulgarien, die Sommer für Sommer dort arbeiten? Wo kommen die Salatköpfe her, die im Supermarkt als „regionales Erzeugnis“ angepriesen werden? Die 1968 in Kasachstan geborene Irina Ruppert ist diesen Fragen mit Beginn der Erntesaison in der Vorderpfalz — dem „Gemüsegarten“ Deutschlands — nachgegangen. In der 7.000-Seelen-Gemeinde Dannstadt-Schauernheim hat die Fotokünstlerin dafür auf dem Feld gearbeitet und bei einem der deutschlandweit größten Convenience-Food-Produzenten angeheuert, der gewaschenes und geschnittenes Gemüse aus der Pfalz international vertreibt.

Gemüsesuppe zur Stärkung

Irina Ruppert knüpft mit diesem Projekt an frühere Arbeiten an: Jahrelang ist sie etwa in ein kleines, abgeschottetes Roma-Dorf nach Rumänien gereist, bis sie das Vertrauen der Menschen dort gewonnen hatte und sie sich fotografieren ließen. Was der Künstlerin auf ihren Reisen immer wieder auffiel: An einigen Orten war häufig eine ganze Generation mehr als ein halbes Jahr nicht anwesend. Diese Generation fährt nach Deutschland, Spanien und Frankreich zur Saisonarbeit.

Ihre aktuelle Arbeit für das wandernde Kunst- und Kulturprojekt „Matchbox“ hat ihr Einblicke und Kontakte zu Saisonarbeitern ermöglicht und auch Begegnungen mit Einheimischen. Projektraum und Anlaufstelle war dabei das „Orangenzimmer“, ein ehemaliges Ladengeschäft in Dannstadt-Schauernheim. Im Schaufenster hängt eine Sammlung alter Fotografien, die die Dannstadt-Schauernheimer auf Rupperts Aufruf hin vorbeibrachten und die Einblicke in die Historie des Ortes geben. Die älteste Bäuerin im Dorf war anfangs größte Skeptikerin des Vorhabens — mittlerweile bringt sie der Fotokünstlerin am Mittag Gemüsesuppe zur Stärkung vorbei.

Erntehelfer und Bauernfamilien

Die Identität der Gemeinde ist bis heute stark von der Landwirtschaft geprägt, wenngleich schon lange nicht mehr das ganze Dorf an der Ernte beteiligt ist. In den letzten 30 Jahren wurden die meisten Bauernhöfe durch große landwirtschaftliche Betriebe ersetzt. Nur noch vereinzelt findet man Hofläden, die Kartoffeln, Zwiebeln und anderes Gemüse anbieten.

Die Ergebnisse von Irina Rupperts Recherche fließen in eine Feldausstellung in der Gemeinde ein, für die Ruppert die Erntehelfer und verbliebenen Bauersfamilien porträtiert. Den Hintergrund für die Ganzkörperporträts liefern dabei einige der historischen Aufnahmen (siehe Foto), die die Künstlerin von den Menschen vor Ort erhalten und vergrößert auf Stoff gedruckt hat. Die Feldausstellung kann selbstständig oder im Rahmen einer Landpartie besucht werden: einer begleiteten Bustour, bei der es Einblicke ins Projekt gibt — auch ins „Orangenzimmer“.


Feldausstellung Dannstadt-Schauernheim
07.–28.10.2017
Vernissage: 07.10.2017, 16 Uhr


Landpartie zur Feldausstellung
08.10.2017, 15 Uhr // 14.10.2017, 11 Uhr // 22.10.2017, 15 Uhr
Abfahrt: PORT25, Hafenstraße 25, Mannheim


Begegnung mit der Künstlerin
21.10.2017, 16 Uhr
Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen


Informationen zu Anmeldung und Projekt:
matchbox-rhein-neckar.de
facebook.com/matchbox.orangenzimmer

Matchbox

Initiiert vom Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH zieht Matchbox als wanderndes Kunst- und Kulturprojekt seit 2015 durch Kommunen im ländlichen Raum von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz. International renommierte Künstler*innen entwickeln vor Ort in Zusammenarbeit mit den Einwohner*-innen Kunstprojekte aller Sparten mit lokalem Bezug. Der künstlerische Prozess, die unmittelbare Teilhabe und das Erleben von Kunst direkt vor der eigenen Haustür stehen im Mittelpunkt dieses interdisziplinären Programms.
TerminSA 07. bis SA 28. Oktober 2017
AdresseMetropolregion Rhein-Neckar GmbH // Kulturbüro // M 1, 4-5 // 68161 Mannheim // Telefon: 0621 12987-90 // E-Mail: matchbox@m-r-n.com
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