› Das Besondere am EinTanzHaus ist nicht zuletzt sein Zuhause: eine umgenutzte evangelische Kirche mitten in den Mannheimer Quadraten. Das Theater für zeitgenössischen Tanz und Performance steht so seit 2017 modellhaft für städtische Transformation: Aus Kirchen werden Kulturstätten, aus Leerräumen belebte Plätze, denn das EinTanzHaus bespielt auch den Vorplatz der ehemaligen Kirche.
Auch zur Architekturgeschichte leistet die Idee „Umnutzung statt Abriss“ einen wertvollen Beitrag. Erbaut in den 1950er-Jahren nach den Plänen des legendären Mannheimer Architekten Helmut Striffler, ist sie einer der wichtigsten Bauten des Brutalismus in der Region. Darüber hinaus spricht auch ökologisch viel für die neue Nutzung. Schließlich ist der CO2-Aufwand für den Bau eines solch massiven Gebäudes gewaltig. Zudem sind laut Umweltbundesamt circa 54 Prozent des deutschen Abfallaufkommens Bau- und Abbruchabfälle. Was könnte also nachhaltiger sein, als baulichen Leerstand zu revitalisieren und sinnstiftend neu zu nutzen? Doch es gibt ein Problem: Die Gebäude sind energetisch nicht immer auf dem allerneusten Stand und eine Sanierung ist oft aufwendig. Warum also nicht Kreativität als kulturelle Kernkompetenz nutzen, um gut umsetzbare Lösungen zu finden?

Aufblasbarer Resonanzraum

Mit der Einladung der Installation „Unter uns“ von Dimitri de Perrot macht das EinTanzHaus genau dies. In dem schwer beheizbaren Kirchenraum entsteht temporär ein kleinerer begehbarer Ort. Die Installation des Schweizer Künstlers schafft mit raffiniertem Sound-, Bühnen- und Lichtdesign einen Raum im Raum: Eine aufblasbare Hülle lässt die Außenwelt verschwinden. Im Inneren stoßen die Besucher*innen auf einen klingenden und bebenden Boden. Der riesige Klangkörper lädt ein, sich hinzulegen, zuzuhören und einzutauchen in einen dynamischen Resonanzraum aus Klängen und Geräuschen, die sich frei mit Erdboden, Grund oder Untergrund assoziieren lassen.

„Unter uns“ feiert Anfang November im Theater Gessnerallee in Zürich Premiere und reist danach direkt nach Mannheim. Dort ist die Installation zeitgleich mit dem Programm „100 Jahre Neue Sachlichkeit“ der Kunsthalle Mannheim zu sehen. Dafür wird das Konzept der Rauminstallation an die Ansprüche des denkmalgeschützten Gebäudes angepasst.

Kunst trotz aller Widrigkeiten

„Bei uns ist die Installation eingebunden in das Spielzeit-Projekt ‚Trotzdem‘, mit dem wir fragen, wie Kunst trotz aller Widrigkeiten, wie zum Beispiel einem schlecht beheizbaren Innenraum, möglich ist“, betont die künstlerische Leiterin Daria Holme. „Es geht nicht nur um Nachhaltigkeit, sondern auch darum, dass wir Orten neue Funktionen geben, die im besten Fall etwas an die Gesellschaft zurückgeben — zum Beispiel indem wir Räume gestalten, in denen das Zuhören wieder gelingt.“ Die Besucher*innen werden also auf vielen Ebenen angesprochen, mit Klängen, mit Atmosphäre und Möglichkeiten zum Gespräch — auch das eine Idee, wie Kultur nachhaltiger wirken kann. ‹

Unter uns, Deep-Listening-Theater von Dimitri de Perrot
Eröffnung: 22.11.2024, 18 Uhr, weitere Termine: 23.–24.11.2024 & 28.–30.11.2024
EinTanzzHaus, Mannheim
www.eintanzhaus.de